Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Soll der Staat wirklich so viel Geld ausgeben?

| 21 Lesermeinungen

Schuldenmachen oder Sparen: Was hilft der Wirtschaft in der nächsten Krise wirklich? Die Frage ist wichtig für die Koalitionsverhandlungen.

© dpaJamaika-Verhandler.

Die Kassen des deutschen Fiskus laufen über – das kann teuer werden. In diesen Tagen beginnen die Sondierungsgespräche der künftigen Jamaika-Koalition. Politisch sind sich die vier Parteien nicht unbedingt nah, und deshalb liegt in den Verhandlungen eine Lösung nahe: Es bekommt einfach jeder seine Ausgabenwünsche erfüllt, solange Geld da ist oder noch etwas länger. Bei vier Parteien kann eine Menge zusammenkommen. 30 Milliarden Euro Mehrausgaben seien möglich, hat das Finanzministerium ausgerechnet. Die Wünsche aus den Wahlprogrammen aber lassen sich locker auf 100 Milliarden Euro summieren. Und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Bundesregierung schnell jährlich -zig Milliarden Euro mehr für ihre Schulden bezahlen muss, falls die Zinsen wieder steigen.

Wenn sich die Verhandler überhaupt für wissenschaftlichen Rat interessieren, dann haben sie in den vergangenen Wochen vielleicht gehört, dass es aufs Geld nicht unbedingt ankäme. Jedenfalls zieht so mancher diesen Schluss aus einer Analyse der an der angesehenen amerikanischen Universität von Kalifornien in Berkeley forschenden Wissenschaftler Alan Auerbach und Yuriy Gorodnichenko ziehen, die im August auf der geldpolitischen Konferenz in Jackson Hole vorgestellt worden ist.

Die beiden haben die Finanzpolitik 25 reicher Länder in den vergangenen 20 Jahren analysiert, vor allem während der Finanzkrise. Das Ergebnis: Wenn ein Land in der Krise steckt, muss es Geld ausgeben, dadurch lässt sich die Krise entschärfen. Mehr noch: Auch in guten Zeiten komme es nicht so sehr auf Haushaltsdisziplin an. Denn auch wenn ein Land in guten Zeiten hohe Schulden angehäuft habe, könne es in der Krise neue Kredite aufnehmen. Gibt eine Regierung nämlich in der Krise Geld aus, dann verbessert sie damit die Wirtschaft so sehr, dass sie anschließend auch die bestehenden Schulden besser zurückzahlen kann. Und das wüssten auch die Investoren, deshalb gewährten sie ihnen weiteren Kredit.
Das schuldengeplagte Griechenland fehlt zwar im Datensatz der beiden Berkeley-Ökonomen komplett. Trotzdem folgern sie munter weiter: Die Krise wäre viel milder verlaufen, wenn die beteiligten Regierungen nur mehr Geld ausgegeben hätten.

Sind Schulden doch gefährlich?

Aber stimmt das wirklich? Ebenfalls aus Berkeley kommt jetzt eine neue, ähnliche Untersuchung, die zu einem ganz anderen Ergebnis gelangt. Das Ehepaar Christina und David Romer hat gleichfalls die Folgen von Finanzkrisen analysiert, allerdings mit etwas anderen Ländern und über einen längeren Zeitraum als ihre beiden Kollegen. Griechenland ist bei Romers eines von vielen Beispielen; ihre Analyse fängt schon 1967 an. So zählen sie auch die norwegische Wirtschaftskrise der frühen 1990er Jahre mit. Ihr Ergebnis: Der Spielraum vieler Industrienationen zur Reaktion auf neue Krisen ist gering geworden. Diese beiden Forscher machen sich inzwischen große Sorgen über den schwindenden Spielraum, den die entwickelten Wirtschaften noch zur Reaktion auf neue Krisen haben, dass durchaus Grund zur Sorge besteht.

Das Ganze beginnt mit der Geldpolitik, also mit Zinsen und anderen Maßnahmen der Notenbank. Die Folgerung der Romers aus den Daten der vergangenen Jahre ist klar: Notenbanken können Krisen dann gut bekämpfen, wenn sie im Krisenfall ihre Zinsen senken können. Sind die Zinsen aber schon so tief, dass die Notenbanken kaum noch Spielraum bis zur Null oder bis zu negativen Zinsen haben, dann senken sie ihre Zinsen im Krisenfall weniger. Zwar mögen sie Anleihen kaufen oder mit anderen neuen Maßnahmen versuchen, Geld in die Wirtschaft zu bringen. Aber wenn die Zinsen schon zu Beginn der Krise nahe null sind, dann können die Notenbanken kaum noch wirksam etwas gegen die Krise tun.

Christina und David Romer rechnen vor: Wenn die Geldpolitiker in einer Krise noch genug Spielraum zur Zinssenkung haben, dann stürzt die Wirtschaftsleistung in solchen Situationen nicht weit in die Tiefe, sondern schrumpft im Durchschnitt nur um rund drei Prozent und erholt sich danach auch relativ schnell wieder. Wenn die Zinsen aber schon vor der Krise nahe null waren, ist das ganz anders. Dann gibt es regelrechte Abstürze, im Durchschnitt um mehr als sieben Prozent.

Außerdem haben die Romers ausgerechnet: Auch hohe Schulden sind in Krisen desaströs. Wenn eine Regierung nicht mehr ins Defizit gehen kann, weil sie schon zu viele Kredite aufgenommen hat, dann geht die Wirtschaftsleistung in einer Krise um durchschnittlich acht Prozent zurück. Wenn die Regierung im Krisenfall dagegen noch Spielraum für neue Schulden hat, bleibt der Rückgang unterhalb von zwei Prozent, also ziemlich moderat, und ist auch schon nach rund vier Jahren wieder ausgemerzt – eine relativ kurze Frist für eine große Finanzkrise.

Zwei verschiedene Studien

Wer hat recht? Romer und Romer, die vor der Verschuldung warnen? Oder ihre beiden Kollegen, die Finanzminister und Haushaltspolitiker zum beherzten Geldausgeben ermutigen? Oder passen die beiden Studien, die so unterschiedlich zu sein scheinen, am Ende doch zusammen? Auerbach und Gorodnichenko haben herausgefunden: Wenn verschuldete Regierungen Schulden aufgenommen haben, sind sie damit meist gut durchgekommen. Christina und David Romer haben genauer hingesehen und ergänzen: Das liegt daran, dass diese verschuldeten Regierungen in der Krise von vornherein weniger neue Schulden gemacht haben. Vielleicht haben sie schlicht bemerkt, dass sie sich mehr nicht leisten konnten. Die Spekulation, dass zusätzliche Schulden die Krise verkürzt hätten, ließe sich dann nicht mehr aufrechterhalten.

Wo ist die Grenze? Wie viel Schulden kann sich ein Land leisten? Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren von mehr als 80 Prozent der Wirtschaftsleistung hin zu weniger als 70 Prozent entwickelt. Die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff haben einmal festgestellt, dass sich irgendwo oberhalb einer Schuldenquote von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung die Lage verschlechtert. Dabei unterlief ihnen zwar ein peinlicher Excel-Fehler, doch auch nach der Korrektur dieses Fehlers hatte ihr Ergebnis weitgehend Bestand. Romer und Romer testen für ihre Analyse eine weitere Grenze. Sie nehmen an: Bei einem Schuldenstand von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung kann eine Regierung nicht mehr ordentlich auf eine Krise reagieren. Aber schon vorher verschlechtern sich ihre Voraussetzungen kontinuierlich. Das passt auf jeden Fall zu ihren Ergebnissen.

In einem aber sind sich alle vier Fachleute aus Berkeley übrigens einig: Sie warnen davor, in guten Zeiten hohe Schulden zu machen. Auch Auerbach und Gorodnichenko sagen: In guten Zeiten bringt es der Wirtschaft wenig, wenn die Regierung übermäßig viel Geld ausgibt.

Vielleicht trifft dieser Appell doch auf Gehör. Aus den Sondierungsgesprächen ist zu hören, die Schwarze Null habe doch einige Fans.

Das Blog:


Der Autor:



Patrick Bernau


21 Lesermeinungen

  1. bodo3000 sagt:

    nüchterne frage ...
    … was genau sind staatsschiulden? bitte keine gefühlten überzeugungen und definitionen wie z.b. das kumulierte staatsdefizit der letzten dezennien …
    danke und gruss
    b. behrendt

  2. desedo sagt:

    Schwarze Null?
    Wie bei den bisher aufgehäuften Schulden von einer “schwarzen Null” geredet werden kann, ist für mich unverständlich. Von einer “schwarzen Null” würde ich sprechen, wenn keine Schulden mehr da sind und die Einnahmen die Ausgaben decken.

  3. M.Gellert sagt:

    Schuldentilgung in guten Zeiten - gab es das jemals?
    Wenn Auerbach / Gorodnichenko schreiben Geldausgeben in der Krise verbessere die Wirtschaft so sehr, dass dadurch später die Schulden besser getilgt werden könnten (und ich gehe mal davon aus, dass es in der Originalarbeit eine Rolle spielt, wofür das Geld ausgegeben wird), so mag das stimmen oder auch nicht. Es ist das alte Versprechen der Verschuldungsbefürworter. Aber ist das denn tatsächlich jemals geschehen? Sind irgendwann nennenswerte Schulden durch Verbesserung der Wirtschaftsleistung getilgt worden? In allen mir bekannten Fällen kennt die Staatsverschuldung seit Jahrzehnten nur eine Richtung: nach oben. Warum? Fehlt der politische Wille zur Schuldensenkung? Wird die verbesserte Wirtschaftsleistung statt zur Schuldentilgung für erhöhten Konsum verwendet? Oder ist die Schuldentilgung in guten Zeiten nur ein theoretisches Konstukt, das wichtige Umstände nicht berücksichtigt?

    • Patrick Bernau sagt:

      Beispiel Deutschland: Ohne große Überschüsse im Staatshaushalt hat Deutschland die Schuldenquote in den vergangenen Jahren gesenkt – nur durch Wirtschaftswachstum. Das Argument für Staatsschulden heißt ja oft auch: Wären die Defizite nicht aufgelaufen, wäre das Wachstum noch schwächer gewesen.

      Andererseits sagt mancher: in der praktischen Politik funktioniert Wachstum durch zusätzliche Schulden nur in großen Krisen, wenn die Wirtschaft sonst weit abstürzen würde. Ansonsten wirken die Ausgaben so spät, dass die Wirtschaft sowieso schon im nächsten Aufschwung ist.

    • Heismann sagt:

      Die deutsche Staatsverschuldung sinkt
      In Ergänzung der Antwort von Patrick Bernau:

      Seit einigen Jahren sinkt in Deutschland nicht nur die Staatsschuldenquote, sondern auch die Staatsverschuldung in absoluten Zahlen.

      Laut dem Statistischen Bundesamt erreichte die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte Ende 2012 mit 2.068 Milliarden Euro einen historischen Höchststand. Ende 2016 war die Verschuldung auf 2.006 Milliarden zurückgegangen.

      Für das zweite Quartal 2017 meldet Destatis eine Gesamtverschuldung von nur noch 1.978 Milliarden Euro. Damit liegen die Staatsschulden erstmals wieder unter der Schwelle von zwei Billionen.

    • skatfreund sagt:

      Ganz einfaches Problem der Macht zwischen Mob ( Volk ) und Politik ( Gewählte )
      Wie tilgt der Staat Schulden ? Ja, genau, nur durch einen Einnahmenüberschuss ! Und welches Volk lässt das mit sich machen ?

      Glauben Sie allen Ernstes, dass eine Partei, die mit dem Ziel eines noch höheren Einnahmeüberschusses ( gibt nur zwei Möglichkeiten : Ausgabenstreichungen oder Steuererhöhungen ) in den Wahlkampf gegangen wäre, auch nur über die 5 % -Hürde gekommen wäre ?

      Das Volk wählt langfristig immer die Politiker, die ihm “mehr” Geld geben. Und das sind dann die Schulden des Staates. ( Geldvermögen gibt es nur wenn es Geldschulden gibt. Das versteht irgendwie keiner. Zumindest wurde es hier in allen Antworten indirekt geleugnet ).

  4. ognum sagt:

    Wenn alle falsch spielen
    guckt der der nach den Regeln spielt in die Röhre. In diesem Fall Deutschland. Der Club Med gibt, mit Verlaub gesagt, einen Scheiß auf Haushaltsdiziplin und Reformen.

    Im Eurosystem gewinnt nur der der sich bis zur Halskrause verschuldet und sich verabschiedet wenn der Euro kollabiert.

    In diesem Rennen haben die Länder die die Transferleistungen liefern wie z.B. Deutschland die rote Laterne.

    Deutschlands einzige Drohkulisse gegenüber dem Süden ist, dass man sich der Schuldenunion anschließt und auf das AAA Rating pfeift, dann wird es im Süden schneller dunkel als in Deutschland und der Euro ist perdu.

    Von einer Rückzahlung der Schulden kann doch auch in Deutschland schon längst keine Rede mehr sein. Bei 30 Milliarden Euro Überschuss pro Jahr würde es nur für die Schulden des Bundes 35 Jahre dauern bis diese getilgt wären.

    Da bleibt nur die Verinflationierung insbesondere auch in Bezug auf die staatlichen Verpflichtungen aus der Rentenversicherung.

    Nun stirbt aber die Generation die sich an die Zeiten der Hyperinflation erinnern gerade aus.

    Die jetzt 30 sind, glauben an den ewigen Fortbestand des Sozialstaates wie Kleinkinder an den Weihnachtsmann. Private Vorsorge fürs Alter Fehlanzeige. Wenn diese Generation alt ist, wird der Sozialstaat heutiger Prägung eine verblasste Erinnerung an goldene Zeiten sein.

    Um der Wahrheit die Ehre zu geben muß man allerdings sagen das der Staat sämtliche private Vorsorge ad absurdum führt wenn er diese auf Sozialleistungen im Alter anrechnet.

    Wer nach längerer Arbeitslosigkeit in Hartz IV landet und noch über erspartes verfügt verbrennt innnerhalb kürzester Zeit seine gesamten Rücklagen, damit zementiert der Staat die lebenslange Abhängigkeit der Bürger von Sozialhilfe, keine besonders schlaue Nummer.

    Statt bedingungslosem Grundeinkommen, sollte man lieber darüber nachdenken ob es nicht besser ist den Menschen ein bischen mehr vom Ersparten zu lassen und Ihnen trotzdem Zuschüsse zum Lebensunterhalt zu zahlen, immer vorausgesetzt sie suchen sich Arbeit.

  5. Rommerskirchen sagt:

    Und was ist mit den mehr als "2000 x 1000 Millionen Staatsschulden, Std. 2016" ?
    ….”überquellende Staatsschulden” – immerhin mehr als 2000 Milliarden oder anders gesagt, 2000 x 1000 Millionen (Stand 2016) – wäre da wohl richtiger formuliert. Stattdessen wird von überquellenden Kassen fabuliert – für mich nicht nachvollziehbar! Soviel Schulden und überquellende Kassen schliessen einander aus! Für mich ist das verantwortungslos gegenüber den “Erben dieser Schuldenlasten, nämlich unserer Kinder”. Für mich unverständlich, dass da die GRÜNEN damitmachen. Sie führen “die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen” doch ständig im Munde!?

  6. dieter.worch sagt:

    In einer Welt, die auf die erste Schulden-Trillion zuläuft
    die Frage zu stellen, ob Schuldenmachen oder Sparen der bessere Weg sei, zeigt nur eines. Nämlich dass die Hochfinanz diesen Globus bereits gekapert hat. Nach Finanzindustrie und Politik sind nun auch die “Wissenschaft” und die Medien mit im Boot. Die Ursache für das Griechenland-Desaster in der “Austerität” (schoener PR-Begriff der Geldverleiher), der “Sparsamkeit” zu sehen, läßt eine tiefe globale Sehnsucht erahnen, sich in denselben Würgegriff des Geldadels zu begeben.

  7. Rivadavia sagt:

    Falsche Frage
    Soll der Staat durch Schuldenbremsen aller Art gezwungen werden, sein Tafelsilber in Form von Post und Bahn an Anlagefonds zu verscherbeln?

    • Philipp2301 sagt:

      Anlagevormögen zu verkaufen macht noch keinen Gewinn
      Denn es gibt ja immer eine Aktiv- und Passivseite der Bilanz. 2000 Milliarden € Schulden stehen ja immerhin einige (Geld)Werte der Bundesrepublik gegenüber. Wenn man die Werte verkauft, muss man entsprechend die Schulden tilgen.
      Diese betriebswirtschaftliche Tatsache (die man in der ersten BWL-Vorlesung lernt) scheinen unsere Politiker aber nicht zu kennen…

  8. rhuchthausen sagt:

    Dieser Befund sollte Anlass zur Sorge sein!
    “Ihr Ergebnis: Der Spielraum vieler Industrienationen zur Reaktion auf neue Krisen ist gering geworden.” [Zitat Ende] Bei den drehenden Schuldenspiralen macht einem so ein Befund Angst und Bange. Nur was sind die Konsequenzen? Was passiert, wenn die Möglichkeiten zur Reaktion auf Krisen bei Null liegen? Und auf die im €URO versammelten EU-Staaten bezogen, wie weit sind diese Staaten noch von diesem Punkt (noch) entfernt. Und wer hat ihn schon erreicht oder sogar schon überschritten?

  9. seiwol sagt:

    Was soll das Theater
    Nachdem man uns die letzten zwei Jahre eingetrichtert hat, dass wir ein reiches Land sind, gehe ich davon aus, dass weder gespart werden muss noch müssen Schulden gemacht werden.

    So einfach ist das.

  10. Wege sagt:

    Staatsverschuldung in Relation zum BIP: Der Gläubiger macht den Unterschied
    Betrachtet man die in Ratings fixierten Schätzungen zur Bonität von Staaten, zeigt sich, dass die Staatsverschuldung in BIP-Relationen nicht starr an das Rating gekoppelt ist … So weist Japan trotz schlechterer BIP-Relationen ein deutlich besseres Rating als Griechenland auf … Der Grund für dieses Phänomen liegt in der Gläubigerstrukur: Denn es macht einen Unterschied, ob die Forderungen gegen den Staat per Saldo in der Hand der eigenen Bevölkerung liegen (Japan) oder ob der Staat seine Schulden in ausländische Hand gegeben hat, weil die eigene Bevölkerung nicht leistungsfähig ist (Griechenland). Die BIP-Relationen ohne Aufdeckung der Gläubigerposition sind wenig aussagekräftig.

    • Patrick Bernau sagt:

      Das sagt man häufig: Japan hat mit seinen Schulden keine Probleme, weil sie in Händen der Japaner liegen. Trotzdem ist Japan seit seiner großen Schuldenkrise Anfang der 90er kein Beispiel für überbordendes Wirtschaftswachstum geworden, und das lässt sich nicht nur auf Alterung und Bevölkerungsschwund zurückführen. In der Romer/Romer-Studie gehört Japan aus gutem Grund zu den Negativbeispielen. Andere Länder haben Krisen viel besser gemeistert.

    • Heismann sagt:

      Japanische Staatsvberschuldung
      Mehr als die Hälfte der japanischen Staatsschulden werden offenbar von staatlichen oder staatsnahen Institutionen gehalten. Allein die Zentralbank hält, wenn mir recht ist, mindestens 40 Prozent der ausgegebenen Staatsanleihen. Riesige Pakete haben ferner die staatliche Postbank und andere von der Regierung kontrollierte Banken und Versicherer gebunkert.

      So kann man es natürlich auch machen. Doch wie lange wird dies noch gut gehen? Trotz der niedrigen Zinssätze verschlingen die Zinszahlungen auf die enormen Schulden einen immer größeren Teil des japanischen Staatshaushaltes.

      Es besteht praktische keine Hoffnung, dass Japan jemals aus seinen Schulden “herauswächst”. Das Wachstum, dass die Volkswirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten verzeichnete, ist alles andere als beeindruckend. Und das wird sich in Zukunft kaum ändern.

      Viel stärker noch als Europa und die USA bekommt Japan den Aufstieg seiner Nachbarn zu spüren: Korea, Taiwan und jetzt immer stärker auch China produzieren genau jene Dinge, mit denen Japan seit der Nachkriegszeit die Weltmärkte überschwemmte: Autos, Chips, Computer, Konsumelektronik. Beim Schiffbau hat Korea Japan bereits als Weltmarktführer abgelöst.

      Unter diesem Blickwinkel ist die exzessive Staatsverschuldung keine sonderlich gute Idee.

    • skatfreund sagt:

      Noch zwei Ergänzungen
      @ Wege & Heismann : Es ist nicht nur die Gläubigerstruktur, bzw. ergibt sich diese aus dem elementaren Unterschied zwischen Japan und Griechenland.
      Japan ist bis über beide Ohren verschuldet, ist aber einer der größten Nettogläubiger der Welt ( dank der vielen vielen Jahre, wo, auch durch massive Wechselkursmanipulation, Handelsbilanzüberschüsse “erwirtschaftet” und somit Auslandsvermögen gebildet wurde ). Griechenland ist eben auch extern, dank Festkurssystem und den asketischen Deutschen, und den hieraus entstehenden fortwährenden Handelsdefiziten, hoch verschuldet.

      @ Bernau : Was halten Sie von mangelnder Bedürftigkeit wegen Wohlstands und zu hoher Sparquote als “Grund” für die Wachstumsschwäche – nicht nur Japans, sondern vieler “hochentwickelter” Volkswirtschaften ?

    • Patrick Bernau sagt:

      Ich glaube, es gibt viele Gründe für die aktuelle Wachstumsschwäche. Da wären zum Beispiel: Alterung, geringe Geburtenraten, die besondere Art und der Stand des aktuellen technischen Fortschritts und seiner Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität, vielleicht spielt auch der Wohlstand eine Rolle (allerdings halte ich es für plausibel, für langfristige Betrachtungen das Angebot mit höherer Priorität zu betrachten als die Nachfrage).

      Von Volker Caspari habe ich allerdings gelernt: Die Wachstumsraten der Nachkriegszeit waren die Ausnahme, nicht die aktuellen Wachstumsraten. Selbst während der industriellen Revolution wuchs das BIP nur um ca. 1 bis 2 Prozent im Jahr.

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