In der traditionellen Literatur sind die Zentralbanken aus Banken entstanden, die zur Finanzierung von Kriegen gegründet wurden. Die Bank of England ist ein solches Beispiel. Die Ökonomen Isabel Schnabel und Hyun Song Shin sagen: Die Vorläufer der Zentralbanken sind in Banken zu suchen, die in unsicheren Zeiten durch die Produktion von Buchgeld Sicherheit erzeugt haben. Ein Beispiel ist die Bank von Amsterdam.
Vor knapp zwei Wochen hat sich Agustìn Carstens, der neue Präsident der Bank für Internationalen Zahungsausgleich (BIZ), in einer vielbeachteten Rede an der Frankfurter Goethe-Universität mit der Frage verfasst, ob private digitale Neuschöpfungen wie Bitcoin als Geld anzusehen sind und damit das von traditionellen Zentralbanken herausgegebene Geld herausfordern können.
In seiner Rede hat Carstens unter anderem auf die Eigenschaft des Geldes als gesellschaftliches Objekt („social device“) verwiesen. Geld wird von Menschen als Zahlungsmittel akzeptiert, weil sie davon ausgehen, dass ihr Geld auch von anderen Menschen akzeptiert wird – heute wie in Zukunft.
In einer parallel zu Carstens Rede von der BIZ veröffentlichtem Arbeitspapier befassen sich die Ökonomen Isabel Schnabel und Hyun Song Shin in diesem Zusammenhang mit einer interessanten Episode aus der europäischen Geldgeschichte. Ihr Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass seit geraumer Zeit von Zentralbanken emittiertes staatliches Geld besonders gut die Funktion des Geldes als eines gesellschaftlichen Objekts ausübt – und sie fragen sich, wo dies aus historischer Sicht herkommt. Ihre Spurensuche führt sie ins frühe 17. Jahrhundert und hier besonders zur Bank von Amsterdam – der wir uns übrigens in FAZIT schon einmal ausführlich gewidmet hatten. 1)
Das Argument von Schnabel/Shin lautet, dass man die Ursprünge der modernen Zentralbanken in der Buchgeldproduktion von Banken wie der Bank von Amsterdam suchen soll. Denn Metallgeld, das damals dominierende Geld, besaß angesichts der zahlreichen, für viele Nutzer nur schwer erkennbaren Manipulationen, nur eine eingeschränkte Eignung als „gesellschaftliches Objekt“. Das Buchgeld, das die Bank von Amsterdam mittels Ankäufen einwandfreier Münzen schuf, hingegen eignete sich für die Kunden der Bank von Amsterdam aufgrund des hohen Vertrauens in die Bank als „gesellschaftliches Objekt“. Die hohe Wertschätzung dieses Buchgeldes zeigt sich daran, dass es mit einem Aufschlag auf die Münzen bewertet wurde, die von der Bank von Amsterdam angekauft wurden.
Man kann sich die Bank von Amsterdam als eine Art Handelsplattform für das von ihr geschaffene Buchgeld vorstellen. Dies erzeugte einen großen Nutzen für die Halter des Buchgeldes, schreiben Schnabel/Shin:
„We argue that the source of the success of public deposit banks was their role in instilling common knowledge in monetary transactions by establishing a platform for standardised settlement of transactions, both for goods and for financial instruments.“
Aus dieser Tätigkeit, der Produktion von Buchgeld im Verein mit der Bereitstellung einer Handelsplattform für dieses Buchgeld, sehen Schnabel/Shin eine Tätigkeit, aus der die späteren Zentralbanken herausgewachsen sind – und nicht aus der Vergabe von Krediten, die später auch von der Bank von Amsterdam betrieben wurde.2) Die Standardisierung der Zahlungen mit Buchgeld auf der Handelsplattform zieht immer mehr Interessenten an – das Buchgeld wird zum gesellschaftlichen Objekt:
“In our model, the standardisation of contracts enables traders to enter the market with less fear of expoitation, reinforcing the pool of potential trading counterparties when entering the market. So, the more traders that enter as potential buyers, the more will potential sellers too be attracted to enter the market, which in turn reinforces the incentives for other buyers to enter. Thus, the initial seedof standardisation of units of settlement sets o⁄a virtuous circle of greater market participation, thicker markets and the greater capacity of the nancial system to facilitate the consummation of real economic transactions.”
Diese nun schon mehr als 400 Jahre alte Episode belegt nebenbei, wie unsinnig die noch heute von Anhängern der Goldwährung vertretene These ist, Metallgeld wäre per Definition Papier- oder Buchgeld überlegen. Das Buchgeld entstand, weil das Metallgeld wegen der zahlreichen Manipulationen in seiner Eigenschaft als „gesellschaftliches Objekt“ inferior war.
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- Das ist nicht die erste geldhistorische Arbeit von Schnabel/Shin. Wir hatten vor Jahren in FAZIT auf eine Untersuchung der Finanzkrise von 1763 durch die beiden Autoren verwiesen.
- Die traditionelle Sicht der Zentralbankentstehung findet sich unter anderem in dem sehr interessanten Buch von Charles Goodhart: The Evolution of Central Banks. (1988)