Erdbeben, Kriege, Unfälle – die Welt ist voller Schrecken und Unglück. Das gilt auch für das, was am 2. Oktober in Istanbul geschehen sein soll: Der saudische Journalist Jamal Khashoggi betritt das saudische Konsulat, um Unterlagen für seine anstehende Hochzeit zu besorgen – und kehrt nie wieder zurück. Nach Tagen der Ungewissheit gesteht Saudi-Arabien den Tod des Dissidenten ein. Offiziell behaupten die Saudis, Khashoggi sei bei einem Verhör ums Leben gekommen. Inoffiziell kursieren grausige Details über das, was sich hinter den Mauern des Konsulats abgespielt haben soll. Von einem Killerkommando, heimlichen Tonaufnahmen und einer Knochensäge ist die Rede. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan behauptet, dass es sich um einen geplanten Mord gehandelt habe – was die saudische Führungsriege um den Kronprinzen Mohammed bin Salman zunehmend in Bedrängnis bringt.
Warum man Ihnen mit dieser Gruselgeschichte jetzt auch noch das Frühstück verdirbt? Die Tat von Istanbul und die Wellen, die sie bis in die Führungsetagen deutscher Dax-Konzerne geschlagen hat, sind nicht nur besonders grausam, sie werfen auch Fragen auf, die für Ökonomen interessant sind. Wie tickt der Kronprinz, der schon als Hoffnungsträger für ein modernes Saudi-Arabien gefeiert wurde? Warum tut sich die Wirtschaft so schwer, auf Distanz zu Riad zu gehen? Antworten finden sich in jahrhundertealten Quellen genauso wie in unlängst erschienenen.
Mohammed bin Salman ist kein Märchenprinz. Als Verteidigungsminister hat er sein Land in einen blutigen Stellvertreterkrieg im Nachbarland Jemen geführt. Öffentlichkeitswirksame Liberalisierungen (Frauen ans Steuer) und Wirtschaftsreformen gehen unter seiner Regentschaft einher mit der Festnahme von Frauenrechtlerinnen und außenpolitischen Auseinandersetzungen. Andersdenkende werden in Saudi-Arabien noch immer unterdrückt, die Zahl der Enthauptungen soll seit der Ernennung bin Salmans zum Kronprinz im vergangenen Juni sprunghaft gestiegen sein.
Wer sich diese Bilanz vor Augen führt, der denkt nicht an Fortschritt und Moderne, sondern an die Charakterisierung Niccolò Machiavellis. “Man muss nämlich einsehen”, schrieb der Florentiner Kanzleibeamte im Jahr 1513, “dass ein Fürst, zumal ein neu zu Macht gekommener, nicht all das befolgen kann, dessentwegen die Menschen für gut gehalten werden.” Vielmehr sei er oft gezwungen, um seine Herrschaft zu behaupten, “gegen die Treue, die Barmherzigkeit, die Menschlichkeit und die Religion zu verstoßen.” Die Fähigkeit zum Bösen sei unabdingbar für Menschen in Machtpositionen. Machiavelli, der noch heute in Managementliteratur zitiert wird, gibt in seinem Werk “Der Fürst” keine Handlungsanweisung für blutrünstige Führer. Er beschreibt vielmehr die Realität der Renaissance und den in diesem Sinne “idealen” Herrscher. Mehr als fünfhundert Jahre sind die Beobachtungen Machiavellis erschreckend aktuell.
Erschreckend war in den vergangenen beiden Wochen auch die Erkenntnis, wie schwer sich manche Chefs westlicher Konzerne damit taten, auf Distanz zu dem schwerreichen saudischen Fürsten zu gehen. Vor allem der Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser wehrte sich lange mit Händen und Füßen dagegen, eine Reise zu einer Investorenkonferenz in Riad abzusagen. Wie sich später herausstellte, lockten ihn die Öl-Dollar des Scheichs und ein Rekordauftrag für sein Unternehmen in die Wüste.
Von der vielbeschworenen “Wirtschaftsethik”, die angeblich heute das Handeln der Konzernchefs leitet, war wenig zu spüren. Besonders fiel eine Aussage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) auf. “Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, ob es in Saudi-Arabien oder auch anderswo Geschäfte macht und das Risiko eingeht, dadurch möglicherweise Negativschlagzeilen zu bekommen”, teilte der DIHK der F.A.Z. mit. Hinter der Aussage verbirgt sich eine kühle Kosten-Nutzen-Abwägung: Mache so lange Geschäfte mit fragwürdigen Partnern, wie der Ertrag größer ist als der Reputationsschaden, der entstehen könnte. Die reine Gewinnoptimierung also. Ob durch die Deals möglicherweise korrupte Herrscher gestützt oder Oppositionelle geschädigt werden, darüber soll sich der Manager den Kopf nicht zerbrechen.
Diese Herangehensweise ist keine Ausnahme. Zwar steht verantwortungsvolles Wirtschaften (Corporate Social Responsibility, “CSR”) heute auf den Lehrplänen jeder halbwegs angesehenen Wirtschaftshochschule. Doch greift dieses Konzept in den Augen von Kritikern oft viel zu kurz. Vertreter der “integrativen Wirtschaftsethik” bemängeln beispielsweise ein “instrumentalistisches Verständnis” von CSR. Moralische Bedenken würden zu einer von vielen Variablen degradiert, die das Management zu optimieren versucht. Auch noch die Ethik werde ökonomisiert, bemängelt Ulrich Thielemann, der Direktor der Berliner “Denkfabrik für Wirtschaftsethik”. Wahrhaft unternehmerische Verantwortung bestehe hingegen darin, ethische Argumente nicht mit anderen konkurrieren zu lassen, sondern sie zur unabdingbaren Bedingung des Handels zu erheben. “Ethik zahlt sich aus”, das sei der falsche Ansatz.
Aber wie sollten Manager konkret entscheiden, welche Geschäfte sie eingehen und welche besser nicht? Wirtschaftsethiker empfehlen den Stakeholder-Ansatz. Demnach sind Konzernmanager nicht nur den (Aktien-)Besitzern Rechenschaft schuldig. Sie müssen etwa auch im Sinne der Angestellten, der Umwelt, der indirekt Betroffenen und künftiger Generationen handeln. Doch auch dieser Ansatz habe in der unternehmerischen Praxis bislang keinen starken Niederschlag gefunden und mehr “Hitze als Licht” produziert, konstatiert Wayne Norman, Ethik-Professor an der Duke University.
Stattdessen drängt sich der Eindruck auf, dass der Stakeholder-Ansatz, der auch die Interessen der Mitarbeiter betont, immer häufiger für gewagte Rechtfertigungen von Managern herhalten muss. In der Autoindustrie, die Abgasvorschriften bis zum Rande der Legalität und darüber hinaus strapaziert hat, ist sofort von möglichen massenhaften Arbeitsplatzverlusten die Rede, sollte die Politik die Zügel weiter anziehen. Und auch rund um die abgesagte Kaeser-Reise hieß es, dass Tausende Menschen durch den möglichen Saudi-Auftrag beschäftigt werden könnten. Das mag stimmen. Erstaunlich nur, dass dieses Argument den Managern immer dann einfällt, wenn es eigentlich gerade um etwas ganz anderes geht.
Was sollen Unternehmen denn auch anderes machen?
Alles, was nicht gesetzlich verboten ist, ist gesetzlich erlaubt. Wer sich darüber hinaus aus Gründen seiner privaten Moral verpflichtet fühlt, muss Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen. Auf Dauer wird er von der weniger skrupulösen Konkurrenz abgehängt. Der Wettbewerbsmechanismus im Kern beruht auf einem Gefangendilemma. Die sogenannte “Wirtschaftsethik” will das nicht wahrhaben, weil sie sonst ihre Existenzgrundlage verliert…
"Das Hemd ist immer näher als der Rock"
Statt der vordergründigen Nahziele die Fernziele in Augenschein nehmen, nämlich, welche Chancen geben wir den nächsten Generationen und der gesamten Menschheit, hier auf diesem Planeten leben zu können. Dies bedeutet aber, dass der “Rock” uns allen zum “Hemd” wird, es also uns gleichermaßen existenziell und unmittelbar betrifft. Es gibt solche Bewegungen, die dies auch einfordern. Leider verführen aber polarisierende, vereinfachende und demagogische Argumente, die letztlich nur mit Ängsten des einzelnen Menschen spielen, dazu, nicht so sehr das gesamte Gemeinwohl zu sehen, sondern lediglich die eigenen Interessen.
Geld ist wie Wasser, es bahnt sich seinen Weg.
Und zwar dahin wo noch mehr Wasser ist. Moralische und ethische Barrieren haben keine Wirkung.
Wirtschaft ist interdependent
Der Autor, der Papst, Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm, sie alle konsumieren und bezahlen täglich das Öl und seine Produkte, auch das Öl aus Saudi Arabien. Sie zahlen Geld an MbS. Es wäre in höchstem Masse töricht, nicht alles daranzusetzen, dass die Saudis das Geld für unsere Produkte (Arbeitsplätze, Firmengewinne, Steuereinnahmen) ausgeben, und nicht nur für Produkte aus anderen Ländern. Es ist reine Polemik, die Argumentation nur auf die Profite zu beschränken.
Moralisch flexibel sein,
so heißt das wohl. Es gibt aber Länder, die für das Thema Moral und Wirtschaft kein ausgeprägtes Sensorium haben und sich nur am eigenen Vorteil orientieren. Z.B. China ist so ein Kandidat, die Nahost Staaten ebenso, überhaupt alle Diktaturen oder autoritären Staaten. China ist insofern ein starkes Beispiel, da China inzwischen auch High-Tech liefern kann, da haben Europa und USA kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Wenn es also seitens des Westens aus moralischen Erwägungen zum Lieferstopp kommt, wird China bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Bresche springen. Und “der Westen” stirbt in moralischer Schönheit. Nicht schön, aber Wirklichkeit.
Ethik und Ölverbrauch
Auch die Moralapostel verbrauchen das Saudi-arabische Öl und all seine Produkte die daraus hergestellt werden. Sie bezahlen dafür, wie jeder andere auch. Es wäre geradezu töricht, dieses Geld nicht durch den Verkauf unserer Produkte (unsere Arbeitsplätze, unsere Unternehmensgewinne und Steuern ) zurückzuholen. Eins sehr einfacher Wirtschaftskreislauf, den willkürlich, und zum eigenen Nachteil zu unterbrechen, wäre unmoralisch.
Was bewegt Menschen dazu so zu wirtschaften wie wir heute wirtschaften
Solange die Meisten ihre Psyche so scheuen wie der Teufel das Weihwasser, werden wir diese Frage leider nicht lösen könnnen. Mit schönen Worten und Konzepten an der Oberfläche kommt man nicht weiter. Werte müssen internalisiert werden, verinnerlicht sein. Wobei es gar nicht um das Verinnerlichen geht, also nicht von Außen nach Innen sondern darum die Werte in seinem Inneren (wieder) zu entdecken. Doch diese Arte der Entdeckungsreise ist mühselig, angsterfüllt und wird teilweise auch durch psychische Hemmnisse sabotiert. ” Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft” Titel eines kürzlich erschienenen Buches, das näher auf diese Themen eingeht und hierzu aufschlussreiche Erkenntnisse liefert. Wie in anderen Wissenschaftsbereichen müßte man auch in der Ökonomie bereits sein, Ursachenforschung bis in den letzten Winkel zu betreiben. Dass manche heute noch Machiavelli erwähnen, zeigt, wie rückständig wir noch sind, wie wenig sich speziell, gerade in der Ökonomie getan hat. “Gewinn um jeden Preis” hier liegt tatsächlich das Problem, dass der Preis zunehmend höher als der Gewinn ist, man zu Ende gedacht, schon nach einfacher mathematischer Logik, gar nicht mehr von einem Gewinn sprechen kann. Wenn beispielsweise der Absatz gesundheitsschädlicher Lebensmittel, der daraus resultierende Gewinn geringer ist als die damit verursachten Krankheitskosten, dann bleibt am Ende ein Verlust. Wieso aber wirtschaften wir genau so? Für solchen Nonsens oder eigentlich sogar Irrsinn gibt es bereits jede Menge guter Antworten, die wollen nur wenige hören, denn das würde u.A. weh tun. Womit wir wieder bei der menschl. Psyche wären.
Wieviele
Jahrtausende Knast sitzen da wohl zusammen?