Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Weiße Elefanten aus China

Afrikas Despoten lenken chinesische Entwicklungshilfe in ihre Heimatregion. Ist das schädlich?

Widerwillig gab vor 15 Jahren die tansanische Regierung auf Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds den Plan auf, von einem französischen Unternehmen ein neues hochmodernes nationales Fußballstadion in der Küstenstadt Daressalam bauen zu lassen. Tansania hatte in den Jahren zuvor wie auch andere arme Länder einen großen Schuldenerlass erhalten.

Der Bau eines teuren nationalen Stadions, wie es damals der Präsident Benjamin Mkapa wünschte, schien deshalb unangemessen. Doch wenige Monate später unterzeichneten Tansania und China einen Vertrag über den Bau der Benjamin-Mkapa-Sportarena mit 60000 Sitzen, die 53 Millionen Dollar kosten sollte. Grob die Hälfte davon kam nach Medienberichten als Zuschuss aus China. Für die andere Hälfte bezahlte die tansanische Regierung, die heute auch der Eigentümer des Stadions ist.

Das Beispiel zeigt, wie die Regierung in Peking ihre Entwicklungshilfe flexibel an den Interessen der Nehmer ausrichtet. Dabei bedient China auch Prestigeprojekte von Präsidenten, unabhängig vom wirtschaftlichen Nutzen. „Weiße Elefanten“ werden solche kostspieligen Bauten, die teuer im Unterhalt sind und nur begrenzten Nutzen bringen, auch genannt.

Im Frühjahr 2007 war das Stadion noch im Bau. Zur selben Zeit wurde in Daressalam mit japanischem Geld die Kilwa Road ausgebaut, die am Stadion vorbei in die Innenstadt führt und die zu Stoßzeiten immer ein Nadelöhr mit Staus gewesen war. Der konkrete Nutzen des Straßenausbaus war – im Gegensatz zur Arena – unmittelbar ersichtlich.

Was haben Despoten und demokratische Abgeordnete gemein?

Andere Beispiele für die besondere Art chinesischer Entwicklungshilfe in Afrika gibt es zur Genüge. Im Dorf Yoni im Bezirk Bombali in Sierra Leone wurde vor einigen Jahren eine wunderschöne Schule errichtet, mitten im Busch, finanziert mit chinesischem Geld. Yoni ist der Heimatort des damaligen Staatspräsidenten von Sierra Leone, Ernest Bai Koroma. Ist das ein Zufall?

Dieses Beispiel stammt aus einer Studie, die eine Forschergruppe um den Heidelberger Ökonomen Axel Dreher verfasst hat. Die Autoren gehen der Frage nach, ob afrikanische Despoten und Präsidenten ausländische Entwicklungshilfe dazu nutzen, ihre Heimatregionen zu begünstigen. Unwahrscheinlich ist das nicht, mühen sich doch auch in westlichen demokratischen Staaten Abgeordnete darum, staatliches Fördergeld in ihre Wahlkreise zu lenken.

Chinesische Entwicklungshilfe, so vermuten die Ökonomen, ist für eine solche politische Einflussnahme besonders anfällig. Denn China ist bekannt dafür und stolz darauf, dass es seine Entwicklungshilfe nicht an politische Bedingungen knüpft, nicht in die inneren Angelegenheiten des Empfängerlandes hineinregiert und die Souveränität der Empfänger respektiert. So zumindest verkündet es die chinesische Propaganda. Weil die Geldvergabe durch China mit weniger Bedingungen und Auflagen verbunden ist, ist das Geld aus dem Reich der Mitte bei vielen afrikanischen Regierungen jedenfalls beliebter als westliche Entwicklungshilfe.

Begünstigt das die Umverteilung von Geld hin zur politischen Heimatbasis? Die Ökonomengruppe findet in ihrer ökonometrischen Analyse von Daten aus 47 afrikanischen Ländern in den Jahren 2000 bis 2011 hinreichend Indizien, um ihre These zu stützen. Man muss davon ausgehen, das afrikanische Führer chinesisches Entwicklungsgeld nutzen, um ihre Klientel zu Hause vor Ort zu bevorzugen.

Ist die westliche der chinesischen Hilfe moralisch überlegen? 

Bei dieser Aussage bleiben die Forscher zum Glück nicht stehen. Denn das Einschlagen auf China bringt nicht viel, wenn der Vergleich mit der Entwicklungshilfe westlicher Prägung fehlt. Ein direkter Vergleich mit der bilateralen Entwicklungshilfe zum Beispiel von Deutschland nach Afrika wäre hilfreich, doch mangels Daten greifen die Autoren für ihre Analyse auf multilateral finanzierte Projekte der Weltbank zurück. Dieser Vergleich zeigt einen interessanten Gegensatz.

Im Unterschied zur chinesischen Entwicklungshilfe sind die Weltbank-Projekte weit weniger anfällig dafür, von den Herrschenden der Empfängerländer für die lokale Umverteilung in die Heimat missbraucht zu werden. Das strenge und bürokratische Regelwerk der Weltbank scheint der politischen Korruption einen gewissen Riegel vorzuschieben, wenn es wohl auch Verschwendung innerhalb der Weltbank begünstigt.

Die scheinbare Überlegenheit der Weltbankprojekte ist kein Grund für die westlichen Geber, sich moralisch besser als die chinesischen Entwicklungshelfer zu fühlen. Westliche Entwicklungshilfe gleicht mit all ihren Konditionen und Bedingungen der Geldspende an den Alkoholiker auf der Straße, die nur gezahlt wird, wenn der Mann davon Brot statt Schnaps kauft. Chinesische Entwicklungshilfe verzichtet zumindest nach der Propaganda auf solche Auflagen, lässt dem Mann aber die Würde, selbst über sein Schicksal zu entscheiden. Aus freiheitlicher Sicht ist eindeutig, was die moralisch überzeugendere Lösung ist. Man darf wohl auch vermuten, dass Korruption in Entwicklungsländern ebenso wie die Alkoholsucht wohl nur von innen heraus oder durch den eigenen Willen, nicht aber durch Auflagen von außen zu heilen ist.

Chinesische Hilfe fördert das Wachstum

Die korrupte Lenkung ausländischer Entwicklungsgelder in die Heimatregion der Herrschenden muss nicht bedeuten, dass das Geld verschwendet ist. Die Autoren finden in ihrer Datenanalyse starke Hinweise, dass die untersuchten chinesischen Entwicklungshilfeprojekte die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb und außerhalb der Heimatregion der politischen Führer fördern. Das lässt sich daran ablesen, dass die nächtliche Beleuchtung sich in diesen Regionen als Zeichen wachsenden Wohlstands ausbreitet. Satellitenfotos helfen Ökonomen so, die regionalen Effekte der Entwicklungshilfe besser zu verstehen. Das ist ein origineller Ansatz, der zeigt, dass Ökonomen weit lebensnaher forschen, als es die oft wohlfeile Kritik an der theoretischen Kunst wahrnehmen will.

Lässt sich mit dieser Methode auch für Entwicklungshilfeprojekte der Weltbank aufzeigen, dass sie dem wirtschaftlichen Wachstum in der jeweiligen Region helfen? Leider nein. In einer anderen Studie konnte Dreher zusammen mit dem Ökonomen Steffen Lohmann diesen Zusammenhang jedenfalls nicht nachweisen. Vielleicht hat der chinesische Ansatz, den Empfängerländern bei den Entwicklungshilfeprojekten mehr Mitsprache einzuräumen, doch seine Vorteile.

 

Axel Dreher u. a. (2016): Aid on Demand: African Leaders and the Geography of China’s Foreign Assistance, AidData, Working Paper 3, Oktober 2016.

Axel Dreher und Steffen Lohmann (2015): Aid and Growth at the Regional Level. Oxford Review of Economic Policy, Bd. 31, S. 420–446.

 

Dieser „Sonntagsökonom” erschien am 28. Juli in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.