Eine naheliegende Erklärung für den Geschlechterunterschied sind biologische Gründe. Schwangerschaft und Geburt des Kindes könnten bei Müttern hormonell etwas in Bewegung setzen, das den Wunsch, beim Kind zu sein, verstärkt und die Prioritäten im Leben verschiebt. Eine Art Mutter-Gen also, das persönlich womöglich ein Gewinn ist, unter dem Strich aber zu einer finanziell teuren Verhaltensänderung führt.
Man mag solche Theorien als chauvinistisch abtun. Aus der Luft gegriffen sind sie nicht. In der Neurobiologie gibt es tatsächlich eine riesige Literatur, die argumentiert, dass Schwangerschaft und Geburt anhaltende hormonelle Veränderungen bewirken. So beschrieb vor knapp fünf Jahren beispielsweise
ein Team von Gehirnforschern in der Fachzeitschrift Nature Neuroscience, dass eine Schwangerschaft “zu erheblichen Veränderungen der Gehirnstruktur führt, vor allem zu einer Verringerung des Volumens der grauen Substanz in Regionen, die der sozialen Kognition dienen”. Das jeweilige Ausmaß der Veränderungen, die mindestens zwei Jahre angedauert hätten, habe in einem engen Zusammenhang mit Messungen der mütterlichen Bindung nach der Geburt gestanden, “was auf einen Anpassungsprozess hinweist, der dem Übergang zur Mutterschaft dient”.
Die Ergebnisse sind bemerkenswert – sie widersprechen der “Mutter-Natur-These” diametral. Zwar entwickelten sich die Einkommen von Adoptivmüttern kurzfristig etwas besser als die von leiblichen Müttern, doch die langfristigen Auswirkungen sind den Forschern zufolge praktisch identisch. Die Einkommenseinbuße dänischer Adoptivmütter habe 18,1 Prozent betragen, was sich statistisch nicht von den 17 Prozent bei den leiblichen Müttern unterscheiden lasse. Während Kinder die Einkommen von Vätern nicht oder sogar leicht positiv beeinflussen, verlieren Frauen fast ein Fünftel. “Unsere Ergebnisse sprechen gegen die Bedeutung der biologischen Verbindung zwischen Mutter und Kind zur Erklärung der Einkommensverluste”, schlussfolgern die drei Wissenschaftler. Dieses weitreichende Fazit setzt allerdings voraus, dass Adoptivmütter keine hormonelle Veränderungen erleben, sobald sie ihre Tochter oder ihren Sohn in den Arm schließen. Davon gehen die Forscher offenbar aus, ohne die Frage weiter zu thematisieren.
Eine interessante Nebenerkenntnis der Studie besteht darin, dass die Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau mit Kindern auch nichts mit einer ökonomisch rationalen Spezialisierung innerhalb der Familie zu tun hatte. Oder anders gesagt: Frauen mit höheren Einkommen und besseren Berufsaussichten reduzierten Arbeitszeit und Einkommen genauso wie Frauen, die ohnehin schlechtere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt hatten.
Was ist es also dann, das die Mütter ins Hintertreffen und nach einer Trennung vom Vater des Kindes häufig in finanzielle Probleme geraten lässt? Klevens Studie funktioniert nach dem Ausschlusskriterium: Bei der Ursachenforschung müsse man sich stärker darauf konzentrieren, wie die Wünsche von Müttern nach weniger Karriere entstehen, welche sozialen Normen vorherrschen und welche kulturellen Hintergründe es gibt, schreibt der Ökonom am Ende. In Deutschland scheinen diese weichen, aber dennoch nicht zu unterschätzenden Faktoren besonders ausgeprägt. Denn nach den Berechnungen des Forschers ist der Lohnrückstand von Müttern hierzulande etwa doppelt so groß wie in den Vereinigten Staaten und bis zu dreimal so groß wie in skandinavischen Ländern.