Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Ruinieren die Bildungsfernen die ökonomische Wissenschaft?

Leider kein Aprilscherz. Ein deutscher Professor behauptet: Für die (kritisch zu sehende) Mathematisierung der Volkswirtschaftslehre ist unter anderem das Vordringen von Professoren und Studenten aus bildungsfernen Schichten verantwortlich. Denn diese Leute können zwar schlecht Deutsch, sind aber wenigstens in der Lage, Mathematik zu lernen.

Wir wollen uns weitgehend mit einem Zitat begnügen:

“Dass die Ökonomen die Flucht in die Logik angetreten haben, hat jedoch einen weiteren Grund. Die vertikale Mobilität zwischen den sozialen Schichten hat im 20. Jahrhundert stark zugenommen, was zweifellos zu begrüßen ist. Der Anteil der Professoren und Studenten, die aus einfachen Verhältnissen stammen, ist heute weitaus größer als im 19. Jahrhundert. Das gilt auch für die Ökonomen. Wer in einem bildungsfernen Elternhaus aufgewachsen ist, bringt geringere sprachliche Fertigkeiten mit und ist daher im Bereich der verbalen Logik benachteiligt. Die mathematische Logik wird dagegen weniger durch das Elternhaus als durch die Schule vermittelt. Die Aufsteiger präferieren daher die mathematische Logik. Wer heute Volkswirtschaftslehre studiert, tut es nicht selten nur deshalb, weil er oder sie nicht gut Deutsch kann, sich aber ein naturwissenschaftliches Studium nicht zutraut. Da die Aufsteiger eher “linke” Positionen vertreten als die Kinder aus bügerlichem Elternhaus, würde man bei den Modellökonomen eine stärkere Linksorientierung erwarten. Für die amerikanischen Pioniere der mathematischen Modellierung (Paul A. Samuelson, Robert Solow, Kenneth Arrow) trifft dies eindeutig zu. Außerdem könnte eine Rolle spielen, dass sich der Modelllogiker weniger mit der Welt als mit seinem eigenen Gedankengebäude beschäftigt. Er nimmt die Welt weniger zur Kenntnis. Bei einem deutschen Ordoliberalen wird man nur selten logische Übungen finden.”

 

(Ein Ordoliberalismus, der solche Vertreter besitzt, muss sich über seine nicht ernsthaft bestreitbare wissenschaftliche Marginalisierung nicht wundern. Und wenn sich nicht wenige junge Menschen, die aus Neigung und aus Begeisterung für dieses Fach Volkswirtschaftslehre studieren, hart an der Uni arbeiten, aber leider nicht aus einem Professoren-Elternhaus stammen, durch diese Zeilen beleidigt fühlen sollten, wäre es ebenfalls nicht verwunderlich.)

Das Zitat stammt von Professor Dr. Roland Vaubel, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim.

Quelle: Roland Vaubel: Empirie versus Logik in der Wirtschaftswissenschaft. Aus: Das Zeitalter von Herbert Giersch. Herausgegeben von Lars P. Feld, Karen Horn und Karl-Heinz Paqué. Tübingen 2013.