Wir fassen einen aktuellen, von namhaften Autoren verfassten Überblicksartikel kurz zusammen, den jeder Leser mit Interesse an Verteilungsfragen mit Gewinn lesen dürfte und der neben verbalen Erläuterungen viele lehrreiche Grafiken enthält. Er befasst sich mit einem historischen Vergleich des Anteils des obersten Prozent der Einkommensbezieher am Bruttoinlandsprodukt in den Industrienationen.
Der wichtigste Befund lautet: Nachdem in praktisch allen Industrienationen in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg der Anteil des obersten Prozent der Einkommensbezieher am Bruttoinlandsprodukt (BIP) deutlich zurückgegangen war, ist dieser Anteil in den vergangenen drei Jahrzehnten in englischsprachigen Ländern deutlich, in Kontinentaleuropa aber weniger stark gestiegen. Aus dem Grafikteil der Arbeit nur zwei Zahlen als Beleg: Während in den Vereinigten Staaten das oberste Prozent der Einkommensbezieher rund 20 Prozent des BIP auf sich vereint, sind es in Deutschland zwischen 10 und 15 Prozent.
Diese Unterschiede sind nach Ansicht der Autoren nicht durch unterschiedliche Produktivitätsentwicklungen in den einzelnen Ländern erklärbar. Sie nennen statt dessen drei wichtige Einflussfaktoren:
1. Die Steuerpolitik, die in den einzelnen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten sehr verschieden gewesen ist – nicht zuletzt bei der Besteuerung großer Einkommen
2. Vor allem in der angelsächsischen Welt und etwas weniger (aber durchaus auch) in Kontinentaleuropa haben in den vergangenen Jahrzehnten Topmanager auf dem Verhandlungswege von Aufsichts- oder Verwaltungsräten sich oft sehr hohe Bezüge (einschließlich Aktienoptionen und Altersvorsorgeleistungen) sichern können, wobei die Leistung dieser Manager keineswegs immer im Einklang mit ihrer Vergütung stand.
3. Die Bedeutung von Kapitaleinkommen im Vergleich zu Arbeitseinkommen hat je nach Land in einem unterschiedlichen Maße zugenommen.
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In der Reihe “Aktuelles zur Verteilungsökonomik” sind bisher erschienen:
1. Die Reichen werden wirklich immer reicher. Der Beitrag enthält unter anderem Angaben zur Datenbasis und zur Methodik auch der vorliegenden Studie.
2. Verursacht Ungleichheit Finanzkrisen?
3. Ökonomen verstehen zu wenig von Politik (und unterschätzen Verteilungsthemen)