Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Was, wenn Roboter uns das Denken abnehmen?

Müssen wir bald nicht mal mehr selber Geige spielen?© AFPMüssen wir bald nicht mal mehr selber Geige spielen?

Wird das Denken bald wertlos? Können Menschen sich bald nicht mehr für die Leistung ihres Gehirns bezahlen lassen? Ein Roboterkenner hält das für eine realistische Entwicklung, und zwar bald.

Früher habe Technik die menschliche Muskelkraft ersetzt und deren wirtschaftlichen Wert verringert. Doch demnächst könnte das auch mit dem Denkvermögen so kommen. “Wenn es mit den Gehirnen so weitergeht wie mit den Körpern, welcher Wert wird den Menschen dann bleiben?”, fragt der Roboter-Entwickler Gill A. Pratt in einem Beitrag für das “Journal of Economic Perspectives”.

Diesmal könnte es anders sein

Pratt ist nicht irgendjemand. Kaum jemand auf der Erde kennt den Stand der Roboter-Entwicklung besser als er. Seit fünf Jahren leitet Pratt das Roboter-Programm im amerikanischen Militärforschungszentrum “Darpa”, in dem einst der Vorläufer des Internets entstand. Pratt hat einen der wichtigsten Roboter-Wettbewerbe der vergangenen Jahre organisiert. Demnächst gibt er seinen Posten auf, doch vorher betont er: Die Entwicklung der Roboter geht deutlich schneller als gedacht. Niemand könne genau sagen, wann Roboter den kritischen Punkt überschreiten. Aber: “Die Fortschritte gehen sehr schnell und haben sogar Experten überrascht.”

Das kann auf dem Arbeitsmarkt noch große Probleme bringen, warnt Pratt. Auch er glaubt nicht an dauerhafte Massenarbeitslosigkeit. Pratt verweist darauf, dass die Wünsche der Menschen schon in früheren technischen Revolutionen nicht gestillt werden konnten – die Menschen hätten schon immer unterschätzt, wie unersättlich sie sind. Wenn neue Technik Produkte billiger und Menschen arbeitslos macht, fänden sich bald neue Wünsche, für die gearbeitet werden müsse. “Doch dieses Mal könnte es anders sein”, schreibt er in einer Anleihe an den alten Spruch, der schon die eine oder andere Spekulationsblase ausgelöst hat.

Der Informatiker sieht zwei Unterschiede zu früheren Entwicklungen:

Erstens könnten die Roboter schneller eingeführt werden, als sich die Menschen umstellen können. Die Folge wäre Massenarbeitslosigkeit in der Zwischenzeit – und eine polarisierte Verteilung des Arbeitseinkommens: In Pratts Überlegungen verdient eine Minderheit sehr viel, während die Mehrheit kaum noch Verdienstchancen hat.

Zweitens könnte es dieses Mal passieren, dass Roboter anschließend für fast alle Aufgaben besser sind als Menschen.

Warum sich Roboter so schnell entwickeln

Acht Techniken sind laut Pratt gleichzeitig zusammengekommen und haben die Roboter bis heute schon überraschend schnell verbessert. Dazu gehören nicht nur schnellere Computerchips, sondern auch Fortschritte in der Elektromechanik und in der Batterie-Entwicklung. Auch das Internet hilft: Roboter sind inzwischen fast überall mit der ganzen Welt verbunden. Wenn ihr Speicherplatz oder ihre Rechenleistung nicht reicht, bekommen sie Hilfe im Netz.

Bisher haben Roboter laut Pratt noch Schwierigkeiten damit, Dinge zu lernen, die ihnen ihre Erbauer nicht auf einem strukturierten Weg beigebracht haben. Doch das ändert sich gerade. Tatsächlich gibt es schon Roboter, die sich selbständig Computerspiele beibringen, indem sie ausprobieren, wie sie am meisten Punkte bekommen. In nächster Zeit werden die Roboter noch viel lernfähiger, glaubt Pratt. Dabei könnten sich die Roboter zunutze machen, dass sie über das Internet miteinander verbunden sind und von den Erfahrungen der anderen lernen können – nicht nur von den anderen Robotern, sondern auch von den Menschen, die täglich Millionen Minuten an Videos ins Internet stellen.

Was wird dann aus dem Menschen?

Pratt ist kein Ökonom. Doch auch er denkt darüber nach, wie sich der Arbeitsmarkt wieder stärken lässt. Er hofft auf zwei Wege, auf denen Menschen auch in der Konkurrenz zu Robotern Geld verdienen können. Auf dem ersten dient die Musik als Vorbild. Das einzelne Lied ist wegen der Digitalisierung schon ziemlich billig geworden, aber für Konzerte geben die Menschen nach wie vor Geld aus. Das nimmt er als Beispiel dafür, dass Dienstleistungen von Menschen auch in Zukunft beliebt bleiben können.

Zweitens, sagt Pratt, würden die Vorlieben der Menschen immer mehr wert. Wenn ihre Muskelkraft und ihre Denkleistung an Wert verliere, könnten sie vielleicht Geld bekommen, indem sie ihre Vorlieben den Werbekunden offenbaren.

Unabhängig davon, ob man das überhaupt will: Die Unternehmen werden überhaupt nur dann für die Information zahlen, wenn die betroffenen Leute Leute auch Geld zum Ausgeben haben. Und wo soll das herkommen? Pratt macht die Verteilungsfrage auf. Wenn jeder Mensch einen Roboter hätte, der für ihn zur Arbeit geht, müsse kein Mensch mehr arbeiten – und alle Probleme wären kleiner. Wie er das allerdings mit sinnvollen Mitteln erreichen will – diese Überlegung bleibt Pratt schuldig.

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