Wir schreiben über Irrtümer des Jahres 2016: In der deutschen Finanzszene sind im zu Ende gehenden Jahr drei ökonomisch nicht haltbare Thesen kursiert. Unter anderem mit Verweis auf die Deutsche Bundesbank lassen sich alle drei Thesen zurückweisen.
1. “Beim Nullzins ist das Geld nichts mehr wert.”
Das ist von den drei Thesen die mit Abstand abwegigste. In Lehrbüchern wie in Veröffentlichungen der Deutschen Bundesbank ist zu lesen, dass sich der Wert des Geldes nach dem bemisst, was man dafür kaufen kann. Oder etwas fachmännischer, in den Worten von Bundesbankpräsident Jens Weidmann: “Das Preisniveau und so den Geldwert stabil zu halten – das ist der vorrangige Auftrag aller Zentralbanken im Eurosystem, auch der Bundesbank.” Bei einer Inflationsrate von nahe Null, also einem stabilen Güterpreisniveau, ist der Geldwert offenbar sehr stabil 1) – aber just in dieser Zeit entstand in der Finanzszene die Idee, das Geld habe bei einem Zins von Null keinen Wert mehr, und durch den Kollegen Bernd Wittkowski von der “Börsenzeitung” wurde diese Obskurität zustimmend in die Medien gebracht. Mindestens ebenso obskur ist die Tatsache, dass diese Obskurität auch von Leuten in der Finanzszene unterstützt wurde, die Sympathien für eine Goldwährung besitzen – obgleich der Zins des Goldes Null ist und nach dieser Logik dann auch das Gold nichts wert wäre. Der Chef-Volkswirt der EZB, Peter Praet, reagierte auf die These der angeblichen Wertlosigkeit des Geldes mit dem öffentlichen Aufruf, Leute mit solchen Ansichten könnten ihr angeblich wertloses Geld ihm geben. Nach meiner Kenntnis ist dies nicht geschehen.
2. “Die deutschen Anleihenrenditen sind alleine das Ergebnis der EZB-Geldpolitik”
Das wird unter anderem gerne von Vermögensverwaltern Kunden erzählt, die über die niedrigen Renditen klagen. Niemand wird bestreiten, dass die Geldpolitik der EZB die deutschen Anleiherenditen beeinflusst, sowohl über die kurzfristigen Finanzierungsbedingungen als auch über ihr Anleihekaufprogramm. Aber:
Erstens ist es seit Jahrzehnten in Theorie und Empirie bekannt, dass besonders die langfristigen Anleiherenditen nicht alleine von der Geldpolitik bestimmt werden, sondern von einer Vielzahl anderer Einflussfaktoren.2) Aber auch hier kann man die Deutsche Bundesbank zitieren, zum Beispiel mit einer Analyse des deutschen Kapitalmarktzinses in den neunziger Jahren: “Demgegenüber hängen die langfristigen Zinsen zumindest auf mittlere Sicht hauptsächlich von gesamtwirtschaftlichen Fundamentalgrößen ab, die nur mittelbar von der Geldpolitik beeinflußbar sind.” Der säkulare Fall der Renditen in den vergangenen Jahrzehnten ist denn auch nicht alleine von der Geldpolitik beeinflusst gewesen. Und zu den Fundamentaldaten in Europa zählt auch die wirtschaftliche Lage in den Vereinigten Staaten.
Damit einhergehend ist zweitens in der Finanzszene der transatlantische Zinszusammenhang in Vergessenheit geraten: Die deutschen Anleihenrenditen werden auch von den amerikanischen beeinflusst und im Extremfall, wie 1994 geschehen, können die amerikanischen Renditen die deutschen in die Höhe ziehen, selbst wenn gleichzeitig die Geldpolitik in Europa lockerer wird. Die Vergangenheit zeigt folgendes Muster: Erst ziehen die amerikanischen Anleiherenditen die europäischen und dann folgt die europäische Geldpolitik der amerikanischen. Seitdem im Herbst 2016 die europäischen Anleiherenditen mit den amerikanischen stiegen und unter anderem Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber an den transatlantischen Zinszusammenhang erinnerte, wird er auch in Veröffentlichungen aus der deutschen Finanzszene ab und zu erwähnt.
3. “Die Zinsen/Renditen können nicht steigen, weil dann alles zusammenfällt”
Nicht nur Weber hatte im Herbst davor gewarnt, dass an den Finanzmärkten die Möglichkeiten steigender Zinsen bzw. Renditen unterschätzt würden. Anlässlich der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2016 sagte die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch: Im aktuellen makroökonomischen Umfeld besteht die Gefahr, dass Marktteilnehmer Risiken unterschätzen und nicht ausreichend berücksichtigen, dass die Vermögenspreise fallen und die Zinsen steigen können.
Das steht im Widerspruch zu einem von manchen Finanzmarktteilnehmer geäußerten Mantra, nachdem ein “point of no return” überschritten sei und Zinsen nicht mehr steigen könnten, weil dann angeblich alles sofort zusammenbreche. Ökonomisch haltbar sind solche Behauptungen nicht. Zwei Hinweise:
Erstens wird immer wieder der Eindruck erweckt, als Folge eines Zinsanstiegs würden innerhalb kurzer Zeit die Zinslasten hochverschuldeter Länder wie Italiens untragbar. Diese Behauptung übersieht die simple Tatsache, dass die meisten Staatsanleihen in Europa Festzinsanleihen sind und sich höhere Marktzinsen daher fast nur über die jeweiligen Neuemissionen auf die Zinslast wirken, während sich die Zinskosten des Anleihebestands zunächst einmal fast gar nicht ändern. In einem Beitrag für den Finanzteil der F.A.Z. habe ich das kürzlich für Italien beschrieben: “Bis ein Renditeanstieg die Zinskosten eines Staates merklich erhöhte, vergingen Jahre, und auch dann träte dieser Fall nur ein, wenn der Renditeanstieg dauerhaft wäre. Hinzu kommt, dass jetzt auslaufende mittel- und langfristige Anleihen noch in einer Phase höherer Renditen begeben wurden. So trägt eine im Februar 2017 fällige zehnjährige italienische Staatsanleihe einen Kupon von 4 Prozent. Erst im Jahre 2013 fiel die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen unter 4 Prozent; zwischenzeitlich gab es Kupons bis zu 4,75 Prozent. Selbst wenn die aktuellen Renditen noch ein Stück weit stiegen, bliebe der neue Kupon lange Zeit niedriger als der Kupon der Altanleihen, die ersetzt werden – eine Beobachtung, auf die der Chefökonom von Berenberg, Holger Schmieding, hingewiesen hat.” Wie weit die Irritation in der Branche reicht, zeigt sich daran, dass mir ein hochrangiger deutscher Bankmanager in einem persönlichen Gespräch sagte, die Argumentation sei offensichtlich richtig, aber er habe nie vorher so etwas gehört.
Zweitens ist es immer leichter, ein Land für bankrott zu erklären, als eine belastbare und nachhaltige Schuldentragfähigkeitsanalyse zu erstellen. Solche Analysen sind sehr schwierig, weil vor allem bei langfristigen Analysen Änderungen einzelner Parameter wie Inflationsrate, Zinssatz, Wirtschaftswachstum oder Steuersystem eine Rolle spielen. Ich hatte vor einigen Monaten in FAZIT überwiegend theoretisch das Thema angerissen. Oft unterschätzt werden auch Staatsvermögen, die den Staatsschulden gegenüber stehen. Auch die Privatvermögen sind nicht selten erheblich – ein Punkt, den auch die Deutsche Bundesbank hervorgehoben hat: “Angesichts dessen liegt es zunächst nahe, zur Verringerung der Staatsschuld Staatsvermögen im Rahmen von Privatisierungen zu mobilisieren. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob in außergewöhnlichen nationalen Notsituationen zusätzlich zu Privatisierungen und herkömmlichen Konsolidierungsmaßnahmen, die auf die langfristige Erwirtschaftung erheblicher Primärüberschüsse zielen, auch vorhandenes privates Vermögen dazu beitragen kann, eine staatliche Insolvenz abzuwenden.”
- Wer es formal möchte: Der Geldwert entspricht dem Kehrwert des Preisniveaus. Je höher das Preisniveau, umso niedriger der Geldwert und umgekehrt.
- Das Thema haben wir in FAZIT häufig behandelt, zum Beispiel hier und hier.
Wenn man der Zins als Zahl betrachtet, rein "mathematisch", ...
… kann er eine beliebige positive Zahl, wenn er zur Menge der positiven Zahlen gehören soll. Er kann auch Null sein, wenn er zur Menge der reellen Zahlen gehören soll, die größer oder gleich Null sind. Er kann auch eine beliebige negative Zahl sein, wenn er einfach zu den reellen Zahlen gehören soll. Und wer weiß, er könnte auch eine imaginäre Zahl oder komplexe Zahl sein, so etwas wie “2.5i” oder “2.2+3.2i”. Es gibt auch beliebige anderen Mengen, zu denen die Zinsen gehören können, zum Beispiel infinitesimale Zahlen (Non Standard Analysis) oder große Kardinalen (Mengenlehre). Meiner Meinung nach soll der Zins eine positive Zahl sein, die weg von Null ist, weil die Funktion f(x)=1/x eine Singularität bei x=0 hat. Siehe zum Beispiel mein Kommentar “jenseits von Null” unter
https://blogs.faz.net/fazit/2016/04/21/das-geheimnis-des-hockeyschlaegers-7530/
All das ist aber eine Frage des Modells. Selbstverständlich kann man eine restriktive Geldpolitik auch mit niedrigen Zinsen betreiben, auch Sache des Modells. Ohne über ein Modell einig zu sein, ist eine Diskussion sehr schwer, und hier scheint Verwirrung zu herrschen.
Es stimmt zweiffellos, dass sich der Wert des Geldes an seiner Kaufkrafft misst
wer was anderes behauptet, ist dumm. Aber ist die Kaufkraft gleich geblieben? Oder ist sie gesunken? Darüber lässt sich wohl streiten. Nimmt man die offizielle Inflationsrate, und die ist heute wieder über Null, dann sinkt der Wert des Geldes – bei Minuszinsen. Oder will uns der Autor da was anderes erzählen? Und wenn wir den Wert des EUR mal gegen den US$ oder andere Hartwährungen vergleichen, dann sinkt der Wert des EUR. Das ist auch Fakt. Dass der EUR nicht schon 1:1 gebenüber dem CHF gehandelt wird, liegt einzig an den Maßnahmen der Schweizer Notenbank. Denn das würde die Schweizer Wirtschaft noch viel stärker treffen als schon der Kurs jetzt.
Dass ein höheres Zinsniveau natürlich nur auslaufende Anleihen betrifft ist auch eine Binsenweisheit. Es ist aber genau so richtig, dass die Zinsen für Italien um einige Prozent hochschnellen würden, wenn die EZB aufhören würde, Staatsfinanzierung zu betreiben. Nichts anderes ist natürlich dieses Kaufprogramm. Und die Frage wäre auch, ob sich genügend Gläubiger für italienische Anleihen finden würden, ohne die Garantie, dass zum Schluss Deutschland, Finnland, Niederlande usw. zahlen.
Der Einwand, dass den Schulden die Vermögenswerte gegengerechnet werden muss ist auch klar. Die Frage ist nur, ob die Vermögensbesitzer willens sind, ihr Vermögen dazu zu verwenden, um die italienischen Staatsschulden zu tilgen. Im Falle von Monte dei Paschi sehen wir ganz aktuell, dass die Italiener nicht dazu bereit sind. Sie haben hochverzinsliche Anleihen gekauft, wollen aber jetzt, wo sie die Risiken auch tragen sollen, natürlich nichts davon gewusst haben, dass sie solche eingegangen sind. Zahlen sollen andere, am Besten die Deutschen.
“Es ist aber genau so richtig, dass die Zinsen für Italien um einige Prozent hochschnellen würden, wenn die EZB aufhören würde, Staatsfinanzierung zu betreiben.”
Woher wollen Sie das so genau wissen? Auch das gehört zu den Behauptungen, die sich einfach aufstellen lassen, ohne dass sie jemals belegt wurden. Es gibt mehrere Schätzungen, nach denen die EZB-Käufe die Renditen langlaufender Staatsanleihen um rund 100 Basispunkte gesenkt haben – das ist nicht wenig, aber auch nicht sehr viel. Und es gibt Ökonomen, die der Auffassung sind, dass es vor allem das bisher nie aktivierte OMT-Programm ist, das die Renditen in der Peripherie unten hält, aber weniger das laufende Kaufprogramm.
Gruß
gb.
Geld ist doch noch was wert ?
Gute substanzielle Meinungen und Kommentar hier. Dennoch irgendetwas ist doch faul, wenn die Zinsen Null oder Minus werden ? Das Geld hat seinen Wert nicht verloren, das sehe ich ein und ich kann mir dafür etwas sofort kaufen, aber eine Verschuldung zu Null und Weniger sagt doch entweder, dass ich mir auf Kredit viel leisten kann oder es eventuell sogar egal ist, wann ich mir was leiste ? Hierin und in den hierauf basierenden Fehlallokationen sehe ich das Problem ?
Wie ich weiter oben schrieb: Im Prinzip klingt das Argument der Fehlallokation gut, aber wir leben in einer Situation, in der die sehr niedrigen Zinsen nicht zu einer Welle kreditfinanzierter Investitionen führen, von denen viele unrentabel sein mögen. Das Gegenteil ist der Fall: Wie die EZB gerade heute mitteilt, hat das Wachstum der Kredite an Unternehmen und Privathaushalte im November 2016 lediglich rund 2 Prozent (Jahresrate) betragen. Das ist mit der Hypothese eines Überinvestitionsbooms, wie ihn manche Theorien vorhersagen, schwer vereinbar.
Es gibt allerlei Erklärungsversuche für dieses Phänomen, zum Beispiel die auch von mir in der F.A.Z. und in FAZIT mehrfach erwänte Hypothese, nach der die sehr niedrigen Zinsen von den Menschen als ein Unsicherheitsphänomen verstanden werden und sie zum Attentismus beitragen.
Es gibt allerdings auch noch eine andere Hypothese, die für viele Kritiker der Geldpolitik fernliegend klingen mag, aber mit Blick auf die Inflationsrate von nahe Null überprüft werden muss (und wir haben in FAZIT auch darüber geschrieben): Die Zinsen sind vielleicht aus wirtschaftlicher Sicht gar nicht zu niedrig, sondern in etwa da, wo sie derzeit hingehören.
Gruß
gb
@Auswirkung steigender Zinsen auf die Banken
Schwierig für Banken und Versicherungen sind die letzten Jahre gewesen: eine flache, sehr niedrig liegende Zinskurve: Zinsertrag über alle Laufzeiten und aus Fristentransformation sehr niedrig.
Steigen die langfristigen Zinsen, werden “nur” auf die festverzinslichen Wertpapiere des Depot-A (Eigenanlagen der Bank) Abschreibungen fällig (auf den Umstand, dass sich diese c.p. zu einem späteren Zeitpunkt wieder auflösen lassen, sei nur kurz hingewiesen). Die zu niedrigeren Zinsen vergebenen Kredite werden wegen steigender Zinsen an langen Ende c.p. nicht anders bewertet. Der Ertrag aus Fristentransformation ändert sich bei steigenden langfristigen Zinsen; er steigt (eher langsam, siehe die Begründung Schmiedin zu den italienischen Anleihezinsen).
Steigt die Inflation(-serwartung) auf / über 2% und erhöht die EZB deshalb die Zinsen, dann belastet dies c.p. den Ertrag aus Fristentransformation und auf das Depot-A fallen gerade für die Festverzinslichen mit kurzer Restlaufzeit Abschreibungen an.
Typischerweise werden (falls die Abschreibungen auf das Depot-A das Eigenkapital zu sehr zu verzehren drohen) die Festverzinslichen vom Umlauf- in das Anlagevermögen umgewidmet. Dadurch lassen sich die Abschreibungen bzw. der Ausweis in GuV und im Eigenkapital vermeiden. Die Festverzinslichen werden dann quasi wie Kreditforderungen behandelt und eine Bewertung zum Marktpreis ausgesetzt. Wie hoch der Abschreibungsbedarf im Grunde wäre, kann man dann aber zumindest in den Erläuterungen zur Bilanz lesen.
M.E. lehrt die jüngste Vergangenheit, dass die Aufsicht sich an zwei Punkten ändern sollte:
1. zur Stabilisierung der mittel- bis langfristigen Ertragsfähigkeit (insbesondere der Versicherer) sollten diese mehr als bisher in der Lage sein, in u.a. Aktien statt in Festverzinsliche zu investieren.
2. gleichzeitig sollte die Aufsicht ein verbindlich anzuwendendes Risikobewertungsmodell vorgeben, um insbesondere den Banken das Spielen am eigenen Modell zu den Marktpreisen auszutreiben. Hierzu sollte m.E. auch gehören, die Umwidmung von Umlauf- in Anlagevermögen für liquide, am Markt gehandelte Wertpapiere zu unterbinden.
The Big Short
Im Grunde genommen sagt der Film vieles darüber aus, warum einige Menschen das Grausen überfällt, wenn sie die derzeitigen Eingriffe der EZB beobachten. Auch dort geht es darum: es kann nicht sein, was nicht sein darf. Was passiert denn in einem Marktumfeld in dem das zuvor sich selbst tragende Passivgeschäft zum Kostenfaktor für Banken wird? Was geschieht, wenn Akteuren die Möglichkeit der Geldwert-“Erhaltung” via Sparen (und ja das ging über mehrere Dekaden ausgesprochen gut) genommen wird? Vorsätzlich und sehenden Auges. Und dann schauen wir uns mal an, dass 2006ff nicht passiert ist, weil die Leute in USA zur Bank sind, um “auf Pump zu leben” sondern, weil die Banken ihr Geschäft im nach 2001 überfluteten Feld neu justieren mussten und dafür Drückerkolonnen losgeschickt haben …. immerhin war über Aktiva (subprimes) noch geringfügig was “rauszuholen” . . .
Simpel: das Geld ist nicht nichts mehr wert, es verliert aber an Attraktivität als “Anlageform” und ob dies so “gut” und so “steuerbar” ist, hm … da mag zumindest ich nicht in die Glaskugel schauen.
Der Prozess in den USA, der zu 2006+ führte war ja im Grunde gut 15 bis 20 Jahre am Köcheln, da sind die oben in den comments angesprochenen 10 Jahre belanglos. Es geht um eine Mentalitätsverschiebung, um Wertbegriffsänderungen und das nicht bei belesenen und zur Reflektion befähigten Zeitgenossen.
Wertbegriffsänderungen
Sie betreiben Mentalitätsverschiebung und Wertbegriffsänderung. Sie sind nicht zur Reflektion fähig. Sie sind womöglich sauer das Ihr Erspartes nichts mehr abwirft. Die früher höhere Inflation haben Sie nicht gemerkt. Oder schlimmer: Viele Leute Ihrer couleur behaupten nun die Inflations-Statistik stimme nicht , der Warenkorb entspräche nicht der Realität. Na ja, selten dass die Mehrheit exakt dem Durchschnitt entspricht….Und hat die Bank jemals nur mit Passivgeschäft Geld verdient ? Und wenn ja, wie und mit welcher Berechtigung ? Ich bekomme zwar für mein Erspartes keine Zinsen mehr, leihe ich mir was bei einer Bank ist da immer noch der geliche Spread wie eh und je. Wenn dieser Spread kleiner wird liegt das vieleicht an meiner Bonität oder eher and der Konkurrenz unter den Banken, was für einen funktionierenden Markt spricht.
Weiss nicht ...
Sie haben natürlich völlig recht mit Ihrer Argumentation in Bezug auf die Länder, aber dummerweise sieht es für die Inhaber der Anleihen spiegelbildlich aus. Das Problem sind die Banken, die bei einem Zinsanstieg reihenweise umfallen werden.
Nehmen wir an, eine Bank hat eine Leverage von 3, was regulatorisch die untere Grenze darstellt, dann heisst das, bei einem Verlust von 3% auf der Aktivseite wäre das Eigenkapital futsch.
Erschwerend kommt hinzu, dass man im Niedrigzinsumfeld die Duration der Assets verlängert hat, um mehr Rendite zu bekommen. Damit steigt allerdings auch der Hebel bei sinkenden Zinsen …. mir ist klar, dass die Aktivseite einer Bank nicht nur festverzinslich ist etc. pp., aber das ist alles so auf Kante genäht, dass ich mir schlecht vorstellen kann, wie die EZB die Zinsen massiv steigen lässt ! Und dann haben wir ratzfatz negative Realzinsen, weil die Forwardsätze schon jetzt einen substantiellen Anstieg der Inflationsraten anzeigen.
“Das Problem sind die Banken, die bei einem Zinsanstieg reihenweise umfallen werden.”
Warum? Die Banken fielen nur um, wenn ausschließlich die kurzfristigen Zinsen steigen würden. Wie plausibel ist das denn bei zunehmenden Inflationserwartungen? Steigen vor allem die langfristigen, ist es sogar gut für die Banken; die Aktienkurse haben in den vergangenen Wochen ja deutlich zugelegt, weil die Spanne zwischen lang und kurz gestiegen ist.
Ich gebe gerne zu, dass es in der Praxis komplizierter sein mag, weil es kleinere Banken/Sparkassen gibt, die viele Baufinanzierungen zu niedrigen Zinsen vergeben und sich nicht gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert haben. Aber es gibt viele, die ganz gut abgesichert sind.
Das Thema Duration ist natürlich wichtig; aber es betrifft eher die Versicherer als die Banken. Wir hatten hier in FAZIT einen Beitrag, der sich mit einer Arbeit von Hyun Song Shin zu dem Thema befasste.
Gruß
gb.
Negative Realzinsen haben wir schon seit Jahren
Wenn man, was leider häufig vergessen wird, die auf Zinsen fällige Einkommensteuer mit rechnet haben wir schon seit ca. 2003 eine negative Inflations bereinigte Nettorendite.
Sagt blos Keiner.
Fehlallokation des Kapitals
ist schwer empirisch zu belegen. Als theoretische Figur jedoch unmittelbar verständlich: Wenn die Kapitalkosten, sprich Zinsen, niedrig sind, rentiert sich auch mein altes Geschäftsmodell, und ich bin nicht gezwungen, eine risikoreichere, aber profitablere Investition zu tätigen. Die griechische, italienische (und französische?) Krankheit.
Mit freundlichen Grüßen
Ich kenne die theoretische Figur, aber ich weiß nicht, ob die aktuelle Situation mit dem in Einklang steht. Wenn es so wäre, dann müssten als Folge zu niedriger Zinsen sehr viele Investitionen in Projekte mit geringen Produktionsumwegen stattfinden, um es einmal “österreichisch” auszudrücken. Sprich: Man müsste wieder viele Bauinvestitionen sehen, begleitet von einer starken Ausweitung der Kreditvergabe. Das sieht man in der Eurozone derzeit nur in Deutschland, und da gibt es auch fundamentale Gründe für die Bautätigkeit. In vielen anderen Ländern sehen Sie aber keine nennenswerte Investitionstätigkeit und daher frage ich mich, wo die Fehlallokation derzeit sein könnte.
Gruß
gb
Anschauungsbeispiel Japan
An der japanischen Kapitalmarktgeschichte der letzten 25 Jahre kann man studieren, wie man sich im aktuellen Kapitalmarktumfeld profitabel aufstellt. Daß Geld bei einer niederen Teuerung (die natürlich fragwürdig berechnet wird) eher seiner Wertaufbewahrungsfunktion nachkommt, ist nur eines von vielen Paradoxa. In Japan waren die Geldsparer bisher auch mit die Gewinner. Wobei im Falle der Eurozone das latente Risiko besteht, daß einzelne Länder austreten können bzw. zukünftig werden (was aber – beispielsweise im Falle von Griechenland – mittelfristig eher ein Vorteil für beide wäre). Immobilienanlagen sind längerfristig nicht mehr vorteilhaft, auch wegen Veralterung und zukünftiger Renovierungsbedürftigkeit. In Japan sinken die Immobilienpreise, ausgehend von extremen Preisniveaus, inzwischen seit 27 Jahren.
Herr Braunberger,
andere Irrtümer, denen Sie zu unterliegen scheinen, halte ich für ökonomisch relevanter. Zum Beispiel den Irrtum, der Zins sei ohne Schaden für die optimale Allokation wirtschaftlicher Ressourcen dauerhaft von der Zentralbank manipulierbar.
Kaum ein Irrtum dürfte sein, dass z.B. Staaten bei steigenden Zinsen und einem Zeithorizont von etwa 10 Jahren, gemessen an der Begleitmusik zur gegenwärtigen Geldpolitik ist das eher “kurzfristig”, trotz der von Ihnen genannten verzögernden Effekte in den ersten Jahren, in gewaltige Schwierigkeiten kommen würden. Nun lerne ich aber immerhin von Ihnen, dass Staaten gar nicht so schnell für bankrott erklärt werden müssen, solange noch auf privates Vermögen zurückgegriffen werden kann. Endlich mal eine erfreuliche Perspektive angesichts der vielen Pleite-Propheten.
Es wäre schön, wenn die Propheten der “Fehlallokation durch Zinsmaniulation” dieselbe für die gegenwärtige Situation nicht nur behaupten, sondern auch einmal belegen und quantifizieren könnten. Mir ist eine solche Untersuchung noch nicht begegnet; vielleicht kennen Sie ja eine. Für Hinweise wäre ich dankbar.
Und ein Zeithorizont von 10 Jahren ist bei wirtschaftlichen Betrachtungen definitiv nicht “kurzfristig”.
Gruß
gb.
Hypothek nicht tragbar wenn Zinsen steigen
Schoen wenn man herausfindet, dass eins und eins immer noch zwei ist. Ist es kalte Enteignung wenn die Leute die Bewertungsreserven bei steigenden Zinsen zurueckzzahlen muessen? Ich lese auch oft in der FAZ, dass die Anschlussfinanzierung von Immobilienkrediten platzen wird wenn die Zinsen steigen. Normalerweise steigt der Zins mit der Inflation. Mit der Inflation entwertet meine Hypothek. Mein Gehalt steigt vermutlich mit der Inflation. Viele Gruesse.
Es hat in der Geschichte schon viele Phasen gegeben, in denen die Zinsen gestiegen sind, ohne dass alles zusammengebrochen ist.
Im Falle der Hypothek hängt es von vielem ab, ob die Anschlussfinanzierung gelingt, unter anderem davon, wieviel während der ersten Zinsbindung getilgt wird.
Gruß
gb