Es ist ein Wunder, dass in diesem Land überhaupt noch etwas läuft. Denn unsere Wirtschaftsstudenten werden an den Universitäten zu weltfremden Modell-Fetischisten abgerichtet. Stupide lernen sie mathematische Modelle, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Eigennutz steht dabei über allem. Überlegungen zu Ethik und Ideengeschichte? Sind ihnen völlig fremd.
So lautet, etwas überspitzt, die Kritik, die seit der Finanzkrise mit voller Wucht auf die Wirtschaftswissenschaft einprasselt. Vorgebracht wird sie von Studenten, kritischen Ökonomen und Vertretern anderer Sozialwissenschaften. Ihr Wunsch: mehr Vielfalt an den Wirtschaftsfakultäten. Gesprochen wird dabei mehr über- als miteinander. Vertreter des sogenannten Mainstreams, wie der Münsteraner Finanzwissenschaftler Johannes Becker, fühlen sich angegriffen. Der Ton der “Pluralen” reiche von “spöttisch bis offen aggressiv”, schreibt er im Ökonomenblog “Makronom”. Das bedauert Becker, denn “Fundamentalopposition” gefährde den Erfolg der Bewegung – die man doch eigentlich sympathisch finden müsse: Nichts sei falsch daran, wenn junge Menschen aktuelle ökonomische Probleme diskutieren und mehr Ideengeschichte und Wissenschaftstheorie im Curriculum fordern. Die spitze Replik der Pluralen, die bald erscheint: “Wie kann man sie nicht mögen: etablierte VWL-Professor*innen, die die Erfolge der Pluralen Ökonomik loben und sich Sorgen um unsere Zukunftsperspektiven machen.”
Das ist, grob zusammengefasst, der Stand der Diskussion. Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ist das ernüchternd. Was die Frage aufwirft, ob der viel gescholtene Mainstream wirklich so starr ist wie behauptet – oder die Pluralen die Augen vor dem verschließen, was sich in dem Fach tatsächlich tut.
Eine erste Beobachtung auf der Suche nach Antworten: Es gibt wohl kaum eine andere Wissenschaft, in der so viel reflektiert und an Althergebrachtem gezweifelt wird. Das gilt zwar leider nicht für die Vorlesungen für Bachelor-Studenten, in denen ein verkürztes Standardprogramm durchgeackert wird, aber sehr wohl für die Spitzenforschung. Aktuelle Veröffentlichungen erfolgreicher “Mainstreamforscher” untermauern das. Bruno Frey (Universität Basel) und David Iselin (ETH Zürich) haben in ihrem Buch Dutzende einst etablierte ökonomische Ideen zusammengetragen, “die man vergessen sollte”. Auf der Abschussliste: “Märkte sind effizient”, “Volatilität bedeutet Risiko”, “Mehr Auswahl ist immer besser”, “Das Coase-Theorem”, “Ökonomie hat nichts mit Religion zu tun”. Annahmen zu bezweifeln sei der Kern der Ökonomie, schreiben die Autoren. Viele Ökonomen würden heute Ideen vertreten, die mit der Orthodoxie und Teilen des Lehrbuchwissens kollidierten.
Plurale Kritiker mögen einwenden, dass es sich bei vielen Beispielen eher um Korrekturen innerhalb des bestehenden Systems handelt als um einen echten Paradigmenwechsel. Was zu der Gegenfrage führt, welche Alternative es zu diesem Entdeckungsverfahren innerhalb des Systems gibt, wenn man sich nicht in einer beliebigen Vielfalt mehr oder minder begründbarer Ansätze verlieren möchte.
Eine klare Position hierzu vertritt der angesehene Harvard-Ökonom Dani Rodrik. Er geht auf die Kritiker ein, macht Zugeständnisse, verteidigt aber im Kern seine Disziplin: Auch wenn manch einer die Modellwelt der Ökonomen als zu enges Korsett ansehe, so habe sich diese doch als sehr nützlich dafür erwiesen, sozialen Phänomenen auf den Grund zu gehen. “Die Regeln haben meine Forschung diszipliniert und sichergestellt, dass ich weiß, worüber ich spreche”, schreibt Rodrik. Sie seien keineswegs so einengend, “dass sie mich davon abgehalten hätten, Interessen und Pfaden nachzugehen, die unorthodoxe Schlussfolgerungen produzieren”. Der von den Pluralen vorgebrachte Vorwurf, die Etablierten bildeten einen Club, der Außenstehenden verschlossen sei, laufe ins Leere. Es komme ständig vor, dass von den bestehenden Annahmen abgewichen wird. Aber nicht alle Annahmen seien gleich akzeptabel. Je größer die Abweichung, desto besser müsse man sie begründen.
Was der unkonventionelle Entwicklungsökonom Rodrik an der eigenen Zunft kritisiert, ist die Überhöhung einzelner Modelle zu allmächtigen Erklärmaschinen. Modelle seien immer dann gut, wenn sie richtig eingesetzt werden. Genau das hätten Ökonomen verlernt, zum Beispiel vor der Finanzkrise. Ökonomen hätten zahlreiche Ansätze in den Schubladen gehabt, die gefährliche Fehlentwicklungen als solche enttarnen konnten. Der dominante Glaube an die Effizienz der Märkte habe sie dafür blind gemacht.
Unter dem Strich sieht Rodrik genügend Spielraum für Wandel. Die Forschung sei heute eine völlig andere als vor drei Dekaden: Empirie und Feldforschung sind der Goldstandard; psychologische, institutionelle und historische Faktoren bestimmen die Agenda.
Es ist also möglich, vom Rand ins Zentrum zu rücken – vorausgesetzt, man bringt genügend theoretische und praktische Substanz mit. Ob das bei jedem Alternativansatz der Fall ist, müssen sich die Pluralen kritisch fragen. Unbestritten sollte jeder Ökonom lernen, was es mit dem Marxismus auf sich hat. Doch nicht zwangsläufig erwächst aus einer ideengeschichtlichen Bedeutung ein Anspruch auf Lehrstühle und Forschungsgelder.
Auch die etablierte Forschung hat Nachholbedarf. Frey und Iselin kritisieren eine “Machtstruktur” in der hierarchisch organisierten Disziplin. Konformismus wird belohnt, Doktoranden denken aus Karrieregründen mehr über Veröffentlichungen in bestimmten Fachzeitschriften nach als über eigene Forschungsinteressen. Wirtschaftsethiker weisen zu Recht darauf hin, dass der Geist des längst begrabenen “Homo Oeconomicus” im eng gefassten Rationalitätsbegriff weiterlebt. Und sowohl Rodrik als auch Frey und Iselin bemängeln eine “fehlende Narrationskultur”: Ökonomen schaffen es zu selten, ihre Erkenntnisse und deren Vielfalt als gute Story zu verpacken, was zu Missverständnissen führt.
Es ist sinnvoll, über all das zu streiten. So wie in Siegen, wo es seit einem Jahr einen Studiengang “Plurale Ökonomik” gibt, oder an der alternativen Cusanus Hochschule an der Mosel. Finanzwissenschaftler Becker fordert in seinem Blogeintrag zum konstruktiven Dialog auf. Die Pluralen schlagen in ihrer Replik eine gemeinsame Tagung im kommenden Jahr vor. Nur zu.
"...einen lesbaren Text zu einer „fundamentaleren“ Keynes-Interpretation..."
Fortsetzung:
6. Noch ein Aspekt der Keynes‘ Theorie sind seine Überlegungen zur unfreiwilligen Arbeitslosigkeit. Angenommen, die Preise steigen. Die Unternehmen machen bei gleicher Höhe der verkauften Produktion und bei gleichem Lohnsatz einen höheren Gewinn. Anders formuliert: der Erlös pro Beschäftigten steigt. Entsprechend der neoklassischen Theorie wird die Beschäftigung solange ausgeweitet, bis der Grenzerlös der Arbeit gleich dem Lohnsatz ist. Das heißt: die Beschäftigung könnte bei gleichem Lohnsatz ausgedehnt werden, denn nun ist der Grenzerlös der Arbeit grösser als der Lohnsatz. Steigt also bei einer Preiserhöhung die Nachfrage nach Arbeit und kann diese Nachfrage auch bei konstantem Lohn befriedigt werden, dann liegt unfreiwillige Arbeitslosigkeit vor. Denn das Angebot von Arbeit bei diesem Lohn war grösser als die Nachfrage. Implizites Ergebnis dieser Überlegung ist, dass Nominal-Lohn und Real-Lohn (also der um die Inflation bereinigte Nominal-Lohn) sich nicht, wie in der Neoklassik, in die gleiche Richtung bewegen.
Wenn es ein „lesbarer Beitrag“ geworden sein sollte, dann ist es so.
Danke und Gruss
B. Behrendt
"...einen lesbaren Text zu einer „fundamentaleren“ Keynes-Interpretation..."
„Lesbarer Beitrag“ zum IS-LM-Modell
Folgende Nacherzählung einzelner Komponenten der Keynes‘ Theorie basiert auf dem Text der Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Geldes und des Zinses.
1. Das IS-LM-Modell wird fälschlicherweise immer noch als die korrekte Wiedergabe Keynes‘ Überlegungen aus der Allgemeinen Theorie (AT) beschrieben. Die Darstellung einiger Komponenten der AT zeigt weshalb.
Die neoklassische Makroökonomie (die es nicht geben kann, dazu später bei Kapitalkontroverse) geht von einer automatischen Abstimmung zwischen Sparen und Investieren aus. Der durch Ersparnisse entstehende Nachfrageausfall sollte stets durch Investitionen in gleicher Höhe ausgefüllt werden. Keynes kritisiert diese Vorstellung, da die Nachfrage nach Verbrauchsgütern von anderen Faktoren abhängt als die Nachfrage nach Investitionsgütern. Die Nachfrage nach Verbrauchsgütern hängt von der Höhe des Einkommens und damit der Beschäftigung ab. Mit steigendem Einkommen nimmt sie relativ ab (marginale Konsumquote). Die Nachfrage nach Investitionsgütern hängt bei Keynes von technischen Faktoren (Kombination der Produktionsfaktoren), unternehmerischen Erwartungen (Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, besser Grenzleistungsfähigkeit der Investition) und dem Zinssatz ab. Das IS-LM-Modell unterstellt dagegen die neoklassische Gleichheit von Investition und Ersparnis, herbeigeführt durch den Zins. Das steht nirgends bei Keynes – im Gegenteil.
2. Zins ist in der Neoklassik biegsam und volatil definiert. Der Verzicht auf Ressourcen (=Ersparnisse) und der Einsatz der Ressourcen (=Investition) sind die beiden Größen, welche die Zinshöhe determinieren. Implizite Probleme beispielsweise, dass Konsumgüter plötzlich als Investitionsgüter fungieren sollen, schert die neoklassische Zunft wenig.
Für Keynes werden jedoch zwei Sachen durcheinander gebracht. Der Zins ist bei Keynes der Preis für das Leihen von Geld. Die Preise von Kapitalgütern sind etwas anderes und setzen bei Keynes bei der Ertragsberechnung bereits den Zins voraus. Diese Differenz ist im IS-LM-Modell nicht vorhanden. Die Aussage „Mit seiner Hilfe kann man keynesianische Gedanken verstehen“ (Ein Crashkurs: Keynes für Anfänger, Lisa Nienhaus und Christian Siedenbiedel
F.A.Z. 08.01.2009) ist also falsch. Auch wenn es weiterhin in den text books so beharrlich behauptet wird.
3. Der Kapitalismus war und ist für die Neoklassik eine Güterwirtschaft, eine Tauschwirtschaft, eben eine „Realökonomie“. Geld stört nicht, kann aber nützlich sein, um Tauschakte zu erleichtern, aber nur als numéraire. Das war für Keynes einmal praktisch unbegreiflich, denn als Börsenspekulant war er über die akademisch behauptete Nutzlosigkeit des Geldes erstaunt. Zum anderen prallte er auf die Unfähigkeit der Orthodoxie, gesamtwirtschaftliche Fragestellungen angesichts der damaligen dramatischen Entwicklungen zu begreifen und zu erforschen.
4. Für Keynes ist eine einzelwirtschaftliche Investition erst einmal eine Anlage von Geld. Diese kann als Real-Investition in Form von Gebäuden, Anlagen und Maschinen erfolgen. Ihr Ertrag wird durch die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals (GRK) bestimmt. Es ist der Abzinsungsfaktor, bei dessen Verwendung die diskontierten künftigen Zahlungen den heutigen Anschaffungskosten der Realinvestition entsprechen. Die Alternative ist die Finanz-Investition. Keynes bezeichnet sie als Anlage in Form von Aktien und Wertpapieren. Sie ist vom Marktzinssatz abhängig.
Die GRK ist für Keynes unmissverständlich der Wertzuwachs als Folge des Einsatzes einer weiteren Einheit eines Kapitalwertes. Die Grenzleistungsfähigkeit lässt sich somit nur in der Dimension eines wie auch immer definierten Wertverständnisses begreifen und formulieren. Das ist in das IS-LM-Modell nicht integrierbar noch mit diesem Modell darstellbar. Das erfordert eine analytische Verknüpfung von Geld und Wert und Zins, welche das Kapitel 17 der AT mit seinen „Eigenzinssätzen“ zu leisten versucht.
Diese einzelwirtschaftliche Definition der Investition ist auf die Gesamtwirtschaft jedoch nicht übertragbar. Keynes: „Wenn die Kapitalentwicklung eines Landes das Nebenprodukt eines Spielcasinos wird, wird sie entsprechend schlecht durchgeführt werden“ (AT 134). Eine darauf fokussiert weitergehende gesamtwirtschaftliche Analyse unterbleibt jedoch bei Keynes. Milton Friedman warnt vor diesen Bemühungen, eine mikroökonomische Fundierung der Makroökonomie zu erheischen: “The most interesting and important thing about economics as a science is precisely that almost everything that is true for the individual is wrong for the society and almost everything that is true for the society as a whole is wrong for the individual.” (Inflation: Causes and Consequences. Bombay, 1963, S.7).
5. Die Kapitalkontroverse (Re-switching Debatte, Cambridge-Cambridge-Kontroverse) der 1960er und 1970er hat Keynes in der AT von 1936 antizipiert. Es ist das Problem der Aggregation einer Vielzahl von einzelnen qualitativ verschiedenen Größen (beispielsweise die einzelwirtschaftlichen Produktionsfunktionen): „Gegen eine solch Definition spricht das schwerwiegende Argument, dass die Produktion der Gesellschaft einen inhomogenen Komplex von Gütern und Dienstleistungen darstellt, der genaugenommen überhaupt nicht messbar ist, außer in Sonderfällen, wie z.B. wenn sämtliche Bestandteile eines Produktionskomplexes in der gleichen Proportion in einem anderen Produktionskomplex enthalten sind“(GT 34). Dann heißt es unmissverständlich: „Das Problem, ein Realprodukt mit einem anderen zu vergleichen und dann das Nettoprodukt durch die Gegenüberstellung von neuen Bestandteilen der Ausrüstung gegen die Abnutzung von alten Bestandteilen zu berechnen, gibt uns Rätsel auf, die, man kann es mit Überzeugung sagen, keine Lösung zulassen.“ Pigou, so Keynes, tut es aber, aber nur, da „er verstohlen (die) Änderu
Nur DSGE?
Zur Klarstellung, und damit da keine falschen Geruechte in die Welt gesetzt werden: Herr Braunberger hat Recht. Ich habe mein Amt zur Verfuegung gestellt (zur voelligen Ueberraschung der beim VfS Verantwortung Tragenden).
Ich habe gerade mal nachgezaehlt: von meinen 11 einschlaegigen Publikationen sind 4 rein empirisch-statistische Papiere, zwei davon hauptsaechlich der Datengeneration gewidmet. Ein fuenftes ist ebenfalls in der Hauptsache ein empirisches Papier mit einem kleinen Modellteil. Die restlichen Papiere haben ein quantitatives Modell, das man im weiteren Sinne als DSGE bezeichnen koennte, kein einziges hat ein DSGE Modell im engeren Smets-Wouters Sinne. Wenn man sich meine Arbeitspapiere anschaut, wird der Anteil der rein empirischen, datengenerierenden Papiere noch groesser. Also nixht nur DSGE; nicht dass ich mich des DSGE schaemen wuerde. Aber diese Art von Fake News hinter einem Pseudonym, die BB hier betreibt, ist jaemmerlich und schaendlich.
"Alternative zum Mainstream" ...
… ist in der “allgemeinen theorie” zu orten (immerhin: “Keynes für jedermann. Die Renaissance des Krisenökonomen”). auf seite 34 der ALLGEMEINEN THEORIE ist die verwunderte frage nach der notwendigkeit einer werttheorie gestellt – also eine ganz konkrete alternative.
ein BLOG ist wahrlich ein dialog, keine abladestation fuer eine “schmonzette” oder verhinderung von kritischen fragen.
der klare verweis auf TiVA wurde beispielsweise souveraen ignoriert.
guten gruss
b. behrendt
p.s. die abloesung von herrn bachmann (ist mir entgangen), eine wohltat!
Nach meiner Kenntnis ist Herr Bachmann nicht abgelöst worden, sondern er hat seine Position zur Verfügung gestellt.
Mit der Frage, was in der “General Theory” steht, ließe sich viel unschuldige Tinte vergießen. Nach meiner bescheidenen und völlig unmaßgeblichen Ansicht hat der Mainstream-Keynesianismus nach dem Zweiten Weltkrieg Keynes’ großes Thema Unsicherheit zu Unrecht mehr oder weniger völlig ausgeblendet und statt dessen das Thema Friktionen überbetont. Paul Samuelson hat irgendwo geschrieben, das sei auch aus forschungspragmatischen Gründen geschehen, weil man Friktionen damals modellieren konnte, Unsicherheit aber nicht. Mir scheint auch, dass die moderne “neokeynesianische Makro” mit Keynes kaum etwas zu tun hat.
Die Ansicht, man könnte Keynes in Fundamentalopposition zur Neoklassik bringen, ist ein anderes Thema und, ehrlich gesagt, hat mich diese These auch nach der Lektüre von Autoren wie Robinson, Kaldor und Kahn nicht wirklich überzeugt. Keynes Vorstellung vom Arbeitsmarkt in der “General Theory” ist in Teilen neoklassisch beeinflusst. Wenn ich Kahns Mattioli-Volesungen richtig in Erinnerung habe, hat er dort auch auf Verbindungen von Marshall zu Keynes verwiesen. Mein Urteil ist aber nicht relevant. (Erwähnenswert ist noch, dass Hicks in seiner Aufforderung, die Geldtheorie nach den Prinzipien der neoklassischen Werttheorie zu betreiben, auf Keynes als Vorläufer verweist – aber auf den Keynes des Geldbuches. Und der war von Marshall und Lavington beeinflusst. Volker Caspari, der hier mitliest, weiß das alles viel besser als ich.)
Ich bin aber jederzeit bereit, einen lesbaren Text zu einer “fundamentaleren” Keynes-Interpretation in FAZIT als Gastbeitrag abzudrucken. Man müsste halt mal was zustande bringen
Gruß
gb
Kein Haltestelle für Schmonzette
könnte bedeuten das es wiederholt zum Bemerkungen kommen kann :
” So was gibt es nicht ,als eine Giraffe sich sehen lässt “.
[eine leichte skurrile Übersetzung einer Satz Yoram Kaniuks].
Nicht ganz ja unwahrscheinlich in dieser überhitzter Anlauf zur Wahl…und
die Inflationsrate [EZB ] – Prognose : monetäre Instrumente stehen zur Verfügung ,wie Parteiprogramme.
"spoettisch bis offen aggressiv"...
… schreibt johannes becker. solche rueden umgangsformen sind bekanntermassen bei Rüdiger Bachmann (Nachwuchsbeauftragter des Vereins für Socialpolitik) standesgemaess und die regel. und der liefert ausser DSGE nun wirklich nichts ab.
also lasst doch die leute auch mal dampf pusten. das ist salz in der suppe und eben kein totalitaerer mainstream.
gruss
b. behrendt
Rüdiger Bachmann ist nach meiner Kenntnis nicht mehr Nachwuchsbeauftragter des Vereins für Socialpolitik.
Wenn der Mainstream-Wissenschaftsbetrieb so sehr darnieder liegt, wäre es hilfreich, wenn eine Alternative zum Mainstream geboten würde, die über dumpfe Verachtung der Neoklassik hinausginge, oder? Dampf ablassen mag für die eigene Gesundheit gelegentlich hilfreich sein, aber dazu bedarf es keiner Leserbriefe in einem Blog, und es bringt auch keine Diskussion weiter.
Gruß
gb
einprasseln?
Das scheint doch etwas übertrieben. Die Diskussion findet ganz am Rande statt und in Deutschland jedenfalls macht die Orthodoxie völlig unbeeindruckt weiter wie gehabt. Ein gutes Beispiel dafür ist die empörte Replik der vier sog. Wirtschaftsweisen auf einen häretischen Artikel von Bofinger in der FASZ, allesamt praktizierende Ökonomieprofessoren. Zweifel an der Effizienz der Märkte? Ach wo. Im Gegenteil: Da wird die “Liebe zum Markt” (Originalzitat) gefeiert. Die Liebe aber ist der Feind allen Zweifels und umgekehrt. Auch in internationalen Institutionen hat man sich nach einem kurzen Schreck und Selbstzweifeln, denn immerhin hatte man sich man sich auch dort völlig verschätzt, wieder ganz gut erholt. Bei der OECD gab es mal kurz “New Approaches on Economic Challenges”, und man hat sogar mit dem INET zusammengearbeitet. Aber das tröpfelt jetzt aus und ihre wichtigsten Publikationen sind von heterodoxem Denken vollkommen unbeeinträchtigt.
Was die Ökonom(etr)ie einfach nicht verstehen oder wahrhaben will ist, dass sie genausowenig eine “echte” Wissenschaft ist, wie die Geschichte, Politikwissenschaft oder Soziologie, da helfen auch alle feinziselierten Modelle nicht, denn sie sind, um mit den Worten des Mathematikers C.P. Ortlieb zu sprechen, nur “mathematisierte Scharlatenerie”.
Für C.G. Hempel, den neopositivistischen Wissenschaftstheoretiker, war das wichtigste Kriterium einer wissenschaftlichen Erklärung ihre Prognosefähigkeit, es galt die strukturelle Identität von Prognose und Erklärung. Wer das zugrundelegt, kann die Wirtschaftswissenschaft nach den Ereignissen von 2008/9 einfach nicht mehr als Wissenschaft betrachten. Ins Nichts mit ihr!
Auch echte Wissenschaften haben ein Problem
Mag sein, dass die Ökonomie keine echte Wissenschaft ist ( wobei ich so bei bestimmten Grundfesten sagen würde, sie ist es doch ), aber die echten Wissenschaften sind doch nicht besser, oder geht es in der Medizin oder ähnlichem ohne “Twist” ab ?
Ich erinnere mich immer mit Freuden an das “Schlichtungsverfahren” zu unserem neuen Bahnhof, Stuttgart 21. Zwei Wissenschaftler, beides sicher absolute Koryphäen der Geologie, vertreten diametral entgegengesetze Auffassungen. Ist Geologie auch keine “echte” Wissenschaft , ode wie kann so etwas passieren ?
Ich denke das Problem liegt, echte oder unechte Wissenschaft sei dahingestellt, in der “ideologischen” Gefangenschaft. Jeder ist mental in seiner Sache so sehr gefangen, dass er sich borniert in seinem eigenen Thesenturm verschanzt.
Vlt. sollte man Wissenschaftler, bevor man sie auf andere Wissenschaftler “loslässt”, zwingen, sich Werke von Karl Popper und anderen zu Gemüte zu führen, um sich ein Restniveau an Skepsis und Selbstzweifel zu erhalten.
Dani Rodrik liegt m.E. völlig richtig
Niemand wird es den Erstsemestern abnehmen können, die etablierten Modelle nach- und durchzurechnen um zu verstehen, wie Ökonomie tickt. Dass Modelltheorie und die Welt nicht identisch sind, sollte selbstverständlich sein. Mit etwas Abstand und einem kurzen Blick auf die beiden Hauptwerke von Adam Smith erkennt man leicht, dass “die dritte Tochter der praktischen Philosophie” ein universelles und nicht einmal besonders anspruchsvolles Erkenntnismittel ist für die Art, wie Menschen im Alltag handeln. Der größte Fehler, der m.E. in dem Fach je begangen wurde, ist der sog. ökonomistische Fehlschluss, nämlich aus dem Sein ein wirtschaftliches Sollen abzuleiten. Diese “präskriptive Anmaßung” ist es, die das Fundament der Hauptkritik an dem Fach bildet. Wenn eine Theorie in eine erfolgreiche, weil wohlstandssichernde Praxis mündet, muss ein gerne modelltheoretisch fundierter Hinweis an die Praktiker genügen, doch bitteschön (c.p. natürlich) daran festzuhalten.
Titel eingeben
Solange man rational denkenden VWL-Kundigen den Vorwurf macht, sie seien autitistisch oder oder irgendwie oder anderswie irre, solange kann ich ich mich lächelnd zurücklehnen. Die Irren sind auf der anderen Seite.
Gerade die Realität
macht Wirtschaftswissenschaftler mesjugge!
Oder verrückt?
Als kleine Schmonzette sei ergänzt, dass auch schon früher Ökonomen in einem merkwürdigen Ruf standen. So warf in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts John Maynard Keynes in einem Brief an seine Frau die Frage auf: “Warum sind alle Ökonomen verrückt?”
Gruß
gb