Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Maastricht: Wunsch und Wirklichkeit

| 17 Lesermeinungen

Ein französisches Sprichwort besagt: Je mehr sich die Dinge ändern, um so mehr bleiben sie gleich. Stimmt das? Ein kurzer Blick auf die Europäische Währungsunion.1)

Perzeptionen des Stabilitäts- und Wachstumspakts2)

Im Anfang der neunziger Jahre beschlossenen Stabilitäts- und Wachstumspakt geht es in erster Linie um Regelungen zur Finanzpolitik in der Europäischen Währungsunion. Alle Beteiligten haben sich von diesem Pakt eine Reduzierung von Unsicherheit und Risiken in der Währungsunion versprochen, aber von Vornherein war eine Ambivalenz erkennbar. Denn für Deutschland war der Stabilitäts- und Wachstumspakt in erster Linie ein STABILITÄTSPAKT, mit dem zu expansive Finanzpolitik von Mitgliedsländern verhindert werden sollte. Für Frankreich war der Stabilitäts- und Wachstumspakt in erster Linie ein WACHSTUMSPAKT, der es auch ermöglichen sollte, durch expansive Finanzpolitik das Wirtschaftswachstum zu fördern. Da sich in Maastricht wesentlich die deutsche Position durchsetzte, werfen wir einen kleinen Blick auf sie.

Die deutsche Absicht bestand darin, starke institutionelle Regeln zu verankern, um eine – aus deutscher Sicht – unseriöse Finanzpolitik von Mitgliedsländern zu verhindern. Denn eine unseriöse Finanzpolitik kann eine hohe Inflation zur Folge haben. Regeln sind aus deutscher Sicht wichtig, um aus kurzfristigem Handeln entstehende Probleme (“Moral Hazard”) zu verhindern. Wie sollte dies geschehen? Hier ist eine Auswahl der Regeln.

  • Durch eine Begrenzung der jährlichen Neuverschuldung auf maximal 3 Prozent des BIP
  • Durch eine Verpflichtung der Geldpolitik zur Preisniveaustabilität soll verhindert werden, dass die Zentralbank hohe Staatsschulden weginflationiert
  • Durch ein Verbot monetärer Staatsfinanzierung durch die Geldpolitik
  • Durch die No-Bail-out-Regel

Das bedeutet: Im Falle einer Überschuldung eines Landes steht nur die Option einer nationalen Insolvenz zur Verfügung. Eine Fiskal- oder Transferunion ist nicht vorgesehen; gemeinschaftliche Haftung und Risikoübernahme sind dem Konzept fremd.

Wunsch und Wirklichkeit

Schaut man sich die Entwicklung an, ist leicht erkennbar: Fast alles ist anders gekommen als erwartet!

Wir haben:

  • Zahlreiche Verletzungen der 3-Prozent-Regel
  • Die No-Bail-out-Regel wurde mehrfach nicht beachtet. Wir haben de facto gemeinschaftliche Haftung und Risikoübernahme und damit in gewisser Weise zumindest Elemente einer Transferunion
  • Gerichte sind dabei zu klären, ob das Anleihekaufprogramm der EZB gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstößt.

Eines ist allerdings entgegen vieler Befürchtungen gerade in Deutschland ausgeblieben: Es gibt keine bedeutende Inflation.

 

Warum ist es so gekommen?

Eine umfassende Ursachenanalyse kann hier nicht das Ziel sein. Statt dessen sollen wenige Punkte betrachtet werden, von denen mehrere in der deutschen Debatte meist nicht an vorderster Stelle stehen.

 

a) Widersprüchliche Regeln

Die internationalen Eigenkapitalregeln verpflichten Banken, Eigenkapital in Relation zu ihren risikobehafteten Assets zu bilden. Allerdings sind Staatsanleihen davon ausgenommen, weil sie der Regulierer als ein sicheres Asset betrachtet. Dies hat in der Praxis zu einer engen Verbindung von Banken und Staaten geführt, die von vielen Fachleuten als ein zentrales Problem der Eurozone betrachtet wird. Die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen als sichere Assets steht in direktem Widerspruch zu der Idee, dass der einzige Weg im Falle der Überschuldung eines Euro-Mitgliedslandes die nationale Insolvenz ist.

 

b) Ein erschütterndes Unverständnis von Finanzmärkten3)

  • Die Teilnehmer an den Finanzmärkten haben die No-Bail-out-Regel von Anfang an nicht ernstgenommen (und erst in der Euro-Krise kurz hinterfragt), wie die Angleichung der Renditeunterschiede von Staatsanleihen, die schon vor 1999 begann, dokumentiert. Darüber sollte sich niemand wundern. Eine Rolle spielte hierfür die oben erwähnte regulatorische Behandlung von Staatsanleihen als risikofreien Kapitalanlagen. Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung der No-Bail-out-Regeln an den Märkten liegt in der anglo-amerikanischen Prägung vieler ihrer Teilnehmer. Nach diesem Verständnis – das nicht dem traditionellen deutschen Verständnis entspricht – ist die Zentralbank “ein Kreditgeber der letzten Instanz”, und zwar nicht nur im Falle illiquider Banken, sondern auch im Falle einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des eigenen Staates.4) Das zeigt sich zum Beispiel in den Grundlagen der Preisbildung an Finanzmärkten (“Asset Pricing”): Theorie und Praxis berufen auf der Unterscheidung von “Debt” (risikoloser Staatschuld) und “Credit” (risikobehafteten anderen Schulden wie beispielsweise Unternehmensanleihen). Die Verbindung zwischen Stabilität des Finanzsystems und der Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung ist umso enger, je stärker die Banken Halter von Staatsanleihen sind. 5) Die Idee, der Kapitalmarkt werde unsolide Schuldner mit Risikoaufschlägen betrafen, steht gerade bei den Staatsanleihenmärkten von Industrienationen auf schwankendem Grund.
  • Eine der Lektionen der 2007 ausgebrochenen Finanzkrise besteht in der Ausbreitung von Krisen von einem Segment des Finanzmarkts auf andere Segmente. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise funktionierten von den Anleihemärkten praktisch nur noch die Märkte für amerikanische und deutsche Staatsanleihen. Diese Ansteckungseffekte sind in den Jahren vor der Finanzkrise nicht gesehen worden; sie tauchten dann auch in der Eurokrise auf. Diese Ansteckungseffekte bilden eine Herausforderung für die Idee, in einer Währungsunion ließen sich nationale Insolvenzen problemlos durchführen.

 

c) Die wirkmächtigsten Wörter in der Geschichte der Geldpolitik

Gesprochen am 26. Juli 2012: “Within our Mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro. And believe me, it will be enough.” (Mario Draghi). Nach Draghis Rede und dem der nachfolgenden Ankündigung des OMT-Programms gingen die vorher in der Eurokrise auseinandergelaufenen Renditespreads europäischer Staatsanleihen wieder zusammen. “Draghi’s announcement of the ‘outright monetary transactions program’, or OMT, was a real game-changer: Notwithstanding that government debt ratios have steadily risen since, risk spreads of the peripheral countries were considerably reduced.” (Homburg 2017)

Das OMT-Programm hat eine veränderte Wahrnehmung der EZB vorangetrieben: Galt sie in ihren ersten Jahren vielerorts als eine Art “Klon” der Deutschen Bundesbank, hat sie sich im Laufe der Jahre stärker zu einer Notenbank amerikanischen Typs entwickelt, die vorbehaltloser in Märkte eingreift. Das im Frühjahr 2015 begonnene allgemeine Anleihenkaufprogramm hat diese Entwicklung fortgesetzt.

Versuchen aus Deutschland, diese Mutation der EZB durch Anrufung des Bundesverfassungsgerichts aufzuhalten, ist bis heute keine durchschlagender Erfolg beschieden. Das OMT-Programm wurde juristisch eingehegt, aber nicht verboten. Die juristische Prüfung des allgemeinen Anleihekaufprogramms steht noch aus, aber es wäre erstaunlich, wenn dort mehr als eine Einhegung  herauskäme. Aus ökonomischer Sicht stieße eine fundamentalistische Auffassung, nach der Anleihekäufe einer Notenbank per Definition unzulässig seien, nicht nur außerhalb Deutschlands auf weit verbreitetes Unverständnis. Sie würde auch in Deutschland nicht einmal von allen EZB-kritischen Ökonomen geteilt, wie sich zum Beispiel an Äußerungen Volker Wielands zeigen lässt.

Wie andere Zentralbanken in und nach der Finanzkrise hat die EZB in den vergangenen Jahren ihr Mandat zumindest gedehnt und nach Ansicht von Kritikern überdehnt. Zeitweise schien die EZB die einzige handlungsfähige wirtschaftspolitische Institution in der Eurozone zu sein. Wie die EZB und die anderen Zentralbanken, die in den vergangenen Jahren eine sehr expansive Geldpolitik betrieben haben, aus dem Krisenmodus heraus und in einen Normalmodus hinein kommen, ist ein vieldiskutiertes Thema, über dessen Ausgang sich gegenwärtig nur spekulieren lässt.

 

d) Die Deutschen sind nicht so deutsch, wie man manchmal denkt.

  • Der Fluch des Sünders: Die ersten Länder, die gegen die 3-Prozent-Regel der Neuverschuldung verstießen, waren in den Jahren 2002 und 2003 ausgerechnet Deutschland und Frankreich! Besonders der Verstoß durch Deutschland lud zur Nachahmung ein, da Deutschland sich ursprünglich als Musterknabe geriert hatte und das Verfahren wegen der zu hohen Neuverschuldung im Jahre 2007 ohne Folgen eingestellt wurde. Danach war der Damm gebrochen. Mittlerweile hat die Mehrzahl der Unterzeichner des Maastricht-Vertrags gegen das 3-Prozent-Kriterium verstoßen (manche mehrfach), ohne dass schmerzhafte Sanktionen der Fall gewesen wären. Das ist nicht erstaunlich, da im übertragenen Sinne Sünder über Sünder richten. Man muss kein Jurist sein, um zu vermuten, dass solche Prozesse mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Freispruch enden.
  • TINA (“There is no alternative”): Die Bundesregierung hat in der Eurokrise der Schaffung von Institutionen wie dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zugestimmt, die de facto Elemente gemeinsamer Haftung und gemeinsamer Risikoübernahme besitzen.6) Sie hat auch – zumeist hinter verschlossenen Türen – zumindest im Grundsatz die Geldpolitik der EZB mittragen. Man kann mit Brunnermeier/James/Landau durchaus die These vertreten, dass Draghis “Whatever-it-takes”-Strategie ohne die stillschweigende Billigung durch Berlin zumindest einen Teil ihrer Wirksamkeit nicht erlangt hätte.

 

Immer so weiter?

Während sich in der Eurozone derzeit ein unerwartet starker und inflationsarmer Konjunkturaufschwung entwickelt, sind die politischen und wirtschaftlichen Kosten der Eurokrise und ihrer Bekämpfung noch nicht in Gänze absehbar. In Berlin und in Paris scheint es zwar einen Konsens darüber zu geben, dass ein grundlegender Austausch über die Funktionsweise der Eurozone notwendig ist. Aber es muss sich weisen, inwieweit die beiden Länder an ihren jeweiligen Positionen festhalten, mit denen sie in die Währungsunion gegangen sind. Solange keine neue Bundesregierung gebildet ist, bleibt alles Spekulation. Die deutsche Idee, eine stärkere Integration mit einer besseren Überwachung der nationalen Finanzpolitik zu verbinden, führt ebenso in die Zeit des Maastricht-Vertrags wie die Vorstellung Emmanuel Macrons, ein zu schaffender europäischer Finanzminister benötige ein ansehnliches Budget, um damit das Wirtschaftswachstum zu fördern. 7)

Der unvergessene Marcel Reich-Ranicki pflegte seine Fernsehsendung mit einem Brecht-Zitat zu beenden: “Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.”

Mehr können wir heute auch nicht tun.

 

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  1. Dieser Text beruht auf aktualisierten und erweiterten Notizen, die ich Mitte September – also vor der Bundestagswahl und vor Emmanuel Macrons Europa-Rede – für einen kleinen Vortrag im Rahmen des Transatlantic Law Forum an der George Mason University in Arlington/Virgina vorbereitet hatte.
  2. Dieser Abschnitt ist durch die Darstellung im Euro-Buch von Markus Brunnermeier, Harold James und Jean-Pierre Landau beeinflusst.
  3. So kommen im Anti-Euro-Manifest deutscher Professoren aus dem Jahre 1992 Finanzmärkte überhaupt nicht vor. Dafür findet man in dem Manifest unter anderem diese Prognose: “Die europäische Zentralbank wird – trotz weitgehender Unabhängigkeit – Preisstabilität in Europa nicht durchsetzen, weil es für sie aufgrund unterschiedlicher Interessen der nationalen Entscheidungsträger keinen genügend starken Anreiz gibt, dies zu wollen.”
  4. Die Gefahr der Inanspruchnahme der Geldpolitik durch die Finanzpolitik (“Fiskaldominanz”) ist weder eine neues noch ein speziell deutsches Thema, wie ein bekanntes Zitat von Mervyn King aus dem Jahre 1995 belegt: “Central banks are often accused of being obsessed by inflation. This is untrue. If they are obsessed by anything, it is with fiscal policy.”
  5. Die Überzeugung, dass Preisniveaustabilität, Finanzstabilität und Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung miteinander verbundene und nicht, wie die traditionelle Auffassung lehrt, getrennte Konzepte sind, wird in der modernen Fachliteratur vor allem  von Brunnermeier/Sannikov betont; eine Zusammenfassung des Gedankengangs findet sich hier.
  6. Im Gegenzug setzte die Bundesregierung  durch, dass im Falle Griechenlands im März 2012 das von Deutschland in Maastricht verfochtene Konzept einer nationalen Insolvenz mit einem Schuldenschnitt und der Beteiligung privater Gläubiger Anwendung fand. Die darauffolgende Unruhe an den Finanzmärkten führte vier Monate später zu Draghis Londoner Rede.
  7. Ein Vorschlag, aus den jeweilige nationalen Denktraditionen zumindest einen Schritt auszubrechen, stammt von 15 deutschen und französischen Ökonomen, der zeitgleich in der F.A.Z. und in Le Monde veröffentlicht worden ist.

17 Lesermeinungen

  1. MF87 sagt:

    Dazu etwas französisches - à prendre au sérieux ?- wenn sich die heutigen „Elephanten“
    « se tromperaient énormément «  :
    « Manifeste des chimpanzés du futur … »[Les chimpanzés du futur se rebiffent,Jean – Luc Porquet,Le Canard Enchainé 04-10-2017].
    Keineswegs unsinnig,nicht nur bedenklich oder undenkbar,sicherlich bedenkenswerte Ansätze einer künftige Gesellschaft,die sich bereits alltäglich manifestiert.

  2. crawley sagt:

    Target2-Saldo auf Höchststand aller Zeiten: 878,9 Mrd. EUR (Stand 30.09.17)
    Aber eigentlich wollte ich etwas anderes erwähnen. Es betrifft die von Deutschland im Jahre 2002/03 gerissene 3,0%-Defizitregel. Dies hatte nichts mit fehlender Haushaltsdiziplin zu tun, sondern ist unmittelbar auf das starre Korsett Einheitswährung Euro zurückzuführen. In den Südländern startete ein stark ausgeprägter Boom, befeuert durch die für diese Länder nunmehr niedrigeren €-Zinsen (im Vergleich zu den Zinsen ihrer früheren Währungen), während für Deutschland die Zinsen nahezu unverändert blieben. Angelockt von dieser Konjunktur der Südstaaten flossen riesige Beträge aus Deutschland in Richtung Süden ab – Geld welches nun bei uns fehlte und als mittelbare Folge zur Überschreitung der Defizitgrenze führte. Das war die erste massive negative Einwirkung der Einheitswährung auf Deutschland – der hemmungslose Abfluss von Kapital. Nur ermöglicht durch die Einheitswährung Euro! Hätten alle beteiligten Ländern noch ihre ursprünglichen Währungen (Lire, Ptas etc.) gehabt, hätte sich der Kapitalabfluss ganz schnell von alleine abgebremst. Warum? Die DM hätten dann in Lire oder Peseten konvertiert werden müssen. Hier wäre von von Anfang an ein latentes Währungsrisiko entstanden, welches sich mit jeder weiteren transferierten Mark ständig erhöht hätte, da die Währungen der Südländer entsprechend nach oben gezogen worden wären. Das impliziert natürlich, dass mit steigendem Währungsrisiko sich die deutschen Kapitalabflüsse entsprechend rückläufig entwickelt hätten, da die anfangs zu erwartende Renditen nicht mehr hätten erzielt werden können. Die Abflüsse diziplinieren sich so gleichsam selbst – vermutlich auch, ohne dass die Bundesbank hätte eingreifen müssen. Doch unter der Einheitswährung gab es keine Schranken mehr: kein Währungsrisiko, keine Möglichkeit für die Bundesbank einzugreifen.

    Erst die von Herrn Schröder initiierte, schmerzhafte, Agenda 2010 brachte die Kapitalabflüsse zum erliegen und kehrte die Dinge zum besseren. Die Agenda 2010 entsprach dem, was man in den letzten Jahren den Südländern oktroyierte, eine “Innere Abwertung” (Austeritätspolitik). Für Deutschland hatte diese “Innere Abwertung” funktioniert, da die Verwerfungen nicht allzu gross waren (ca. 3-5%). Ein paar Jahre später, war dies für GR, I, E, und PT jedoch das falsche Rezept, da deren Verwerfungen sich unvergleich grösser darstellten (25-50%). In dieser Grössenordnung bbraucht es eine “Äussere Abwertung”, also eine eigene Währung. Alles andere funktioniert nicht mehr. Versucht man trotzdem eine “Innere Abwertung” durchzudrücken, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, wird dies nicht gelingen, sondern führt zu einer Zerstörung der (meist noch funktionierenden) Binnenwirtschaften. Die extrem hohen Arbeitslosenzahlen und die weiter steigende Verschuldung von GR, I, E, PT haben bestätigt, dass dieser Politik ein zerstörerisch wirkendes Potential innewohnt. Wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Staaten, die sich nicht über Währungsveränderungen ausgleichen können, suchen sich andere Ventile: Steigende Arbeitslosigkeit und ausufernde Verschuldung!

    Eine Lösung der Probleme der Eurozone wird nur über eine Rückkehr zu den nationalen Währungen möglich sein. Oder Deutschland tritt aus, bevor es Italien tut. Nur die Partito Demokratico will im Euro bleiben – MoVimento 5 Stelle, Lega Nord, Fratelli d´Italia wollen raus – das könnte besonders teuer für uns werden. Wieso? Die Banca d´Italia ist, was viele nicht wissen, eine private AG für die der ital. Staat keinerlei Nachschußpflichten hat. Bei einem Austritt Italiens aus dem Euro und der dann erforderlichen Abwertung der neuen Lire, würde dies die Pleite der B. d´Italia bedeuten. Sie hätte Schulden in Euro (T2 u. Schulden aus dem QE, vermutlich ca. 800 Mrd. €) und Forderungen gegen den Staat Italien, die größtenteils in die stark abgewerteten Lire denominiert werden könnten. Den grössten Schaden hätte Deutschland. Das muß nicht unbedingt so kommen, ist aber ein gutes Faustpfand (Erpressungspotential wäre ein zu böses Wort) in den Verhandlungen über die Transferunion, die somit als das kleinere Übel den Wählern untergejubelt werden könnte. Das wäre dann für Deutschland ein Schrecken ohne absehbares Ende – also ein „weiter so“. Ich muss aber sagen, ein Ende mit Schrecken wäre mir lieber – die Gemeinschaftswährung Euro ist ökonomisch und politisch gescheitert, es braucht einen Neustart. Am besten in einem wiederbelebten EWS mit Wechselkursen in einer praktikablen Bandbreite – alles andere wäre das, was wir die ganze Zeit schon haben – Murks!

    • Gerald Braunberger sagt:

      “Angelockt von dieser Konjunktur der Südstaaten flossen riesige Beträge aus Deutschland in Richtung Süden ab – Geld welches nun bei uns fehlte und als mittelbare Folge zur Überschreitung der Defizitgrenze führte. Das war die erste massive negative Einwirkung der Einheitswährung auf Deutschland – der hemmungslose Abfluss von Kapital.”

      Dieser “Erklärung” fehlt der ökonomische Sinn. Die Tatsache, dass in Deutschland in dieser Zeit die staatliche Neuverschuldung stark wuchs, zeigt im Gegenteil, dass ein wachsender staatlicher Kapitalbedarf in Deutschland befriedigt werden konnte.

      Gruß
      gb

    • skatfreund sagt:

      Fast schon frech
      Es ist schon frech zu behaupten, an deutschen Überschreitung der Defizitgrenze hätten die Deutschen keine Schuld, aber die Überschreitungen der Südländer gehen voll und ganz auf deren Kappe.

      Die Südländer tun sich halt schwer, wenn der große Macker in der Währungsunion für sich das Recht in Anspruch nimmt, jeden in Grund und Boden zu exportieren. Weil der Export von Waren und Dienstleistungen steht ja hinter unserem Kapitalexport. ( Siehe auch meinen Beitrag vom 06.10. ).

      Von dieser Ideologie getrieben verhindert Deutschland konsequent eine Lösung. Aber eines steht fest : So lange unabhängig von den Leistungsbilanzungleichgewichten innerhalb der Währungsunion die gleichen fixen Regeln des Maastrichtvertrages für alle gleichermaßen angewendet werden, kann es nicht funktionieren, das wäre wider jede finanzphysikalischer Logik.

  3. xuxu490p73 sagt:

    Wunsch und Wirklichkeit ...
    … welcher war denn eigentlich der Wunsch, der zur Gründung der europäischen (Währungs-) Union geführt hat? Am Anfang mag da tatsächlich Idealismus, Frieden zwischen den Völkern, aber auch der Zwang, sich gegen mächtige Rivalen zu behaupten, gestanden haben. Die Wirklichkeit ist aber geprägt von Ungleichheit, Konkurrenz und sogar Herrschsucht zwischen den Europäern, sogar innerhalb einzelner Länder, z.B. Spanien. In einer solchen Wirklichkeit braucht man sich über Regeln eigentlich gar nicht mehr zu unterhalten, denn im Zweifel wird sich niemand daran halten. Herr Braunbergers Analyse über diese oder jene problematische Regel oder Praxis innerhalb der Währungsunion greift daher zu kurz. Das Grundproblem der “Geldpolitik”, nicht nur in Europa, sondern weltweit besteht darin, daß sich vermeintlich unabhängige Zentralbanken (wovon eigentlich unabhängig?) anmaßen, jedem von uns täglich ins Portemonnaie zu greifen.

    • skatfreund sagt:

      Anfang gut, Ende blamabel
      Den ersten Ausführungen kann man nicht widersprechen. Sicher spielt die Tatsache, dass sich regelgebundenes Verhalten und Egoismus einander oft ausschließen eine wichtie Rolle. Wenn dann noch Ideologien wie das deutsche Recht, jeden auf der Welt in Grund und Boden zu exportieren dazu kommen, ist die Kacke natürlich am Dampfen.

      Aber bitte, bitte erklären Sie mir mal , wie die EZB Ihnen persönlich Geld vom Konto abbucht. Das ist so abstrus, das es den ganzen guten Beitrag entwertet.

    • xuxu490p73 sagt:

      Lieber Eric ...
      … stellen Sie sich einmal vor, Sie kaufen ein paar Winterreifen. Der Reifenhändler sagt Ihnen: “… Moment noch, wir müssen noch schnell ein paar kleine Löcher in die Reifen bohren. Denn wenn die Reifen länger als eine Saison halten, würde das in unverantwortlicher Weise Arbeitsplätze in der Reifenindustrie gefährden.” Vermutlich würden Sie einen solchen Reifenhändler sofort anzeigen. Genau das aber kommuniziert Draghi, wenn er erklärtermaßen eine Inflation von 2% jährlich anstrebt. Die Zentralbanken sind sozusagen Monopolisten für die Schaffung von Geld … und gleichzeitig zerstören sie es sukzessive durch Inflation. Das habe ich mit “… Griff ins Portemonnaie …” gemeint.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Das bringt mich dazu, einen älteren FAZIT-Beitrag über die optimale Inflationsrate zu erwähnen:

      https://blogs.faz.net/fazit/2015/09/25/die-optimale-inflationsrate-liegt-nahe-zwei-und-nicht-bei-null-prozent-6538/

      Gruß
      gb

    • skatfreund sagt:

      Titel eingeben
      Vielen Dank Herr Braunberger für den Link zu dem älteren Beitrag. Ich glaube allerdings, dass die Gegner der 0 % Inflation ( oder zumindest nahe dran ) einen entscheidenden Fakt übersehen. ( Keine Ahnung ob sich das lohnt einen vergleichsweise alten Blog nochmals zu kommentieren ).

      @ Thomas Kühne : Nun, einen “Monopolisten” brauchen wir schon, es führt zu nichts, wenn jeder selbst als Geldschöpfer tätig wird ( wobei das Geld das den Bürgern durch Inflation “zerstört” wird nur indirekt aus der Geldschöpfung stammt ).
      Die Inflation muss nicht sein, da sind wir vermutlich einer Meinung. Nur sollte man hier direkt ansetzen und nicht wie manche eine Beibehaltung und bewusste Verfehlung des Inflationsziels fordern.

    • xuxu490p73 sagt:

      Um in dem von mir benutzten Bild zu bleiben ...
      … es werden sich ohne weiteres “Sachverständige” finden, die für Winterreifen mit klugen Argumenten eine optimale (nicht allzu lange!) Nutzungsdauer herleiten. Nur werden die wahrscheinlich von der Reifenindustrie bezahlt. Was mich generell an der Qualitätspresse, nicht nur bei Wirtschaftsthemen stört, ist die unkritische Übernahme von Stereotypen und unterstellten Wirkungszusammenhängen. Beispiel: “… die Staaten inflationiert sich aus den Schulden heraus”. Wie funktioniert das eigentlich? Und viel wichtiger: wer zahlt dabei drauf? Ich gebe zu, daß solche Zusammenhänge manchmal schwer zu verstehen sind, selbst für FAZ-Leser manchmal zu schwer. Deshalb wenden sich viele Menschen politischen Rattenfängern, sog. Populisten zu, weil die ihnen die Welt erklären. Hier hätte die Qualitätspresse ein weites und verdienstvolles Betätigungsfeld.

  4. hb121280 sagt:

    Treffend - aber akt
    Herr Braunberger beschreibt mit seinem Artikel sehr gut den aktuellen Stand der Dinge. Nur, diese Ursachen sind seit mindestens 6 Jahren bekannt – entsprechende Artikel konnte man damals bereits lesen. Erschütternd ist nicht nur der letzte Satz (“Mehr können wir heute auch nicht tun”) sondern vor allem, dass in diesen 6 Jahren nichts weiter geschehen ist: weder wurden neue/ andere Ursachen für die Euro- und Staatsschuldenkrise gefunden, noch irgendeine Lösung für insolvente Staaten geschaffen. Es scheint hier (Berlin) keinerlei Fortschritt zu geben. Nun wird auf einmal Macrons Rede gefeiert – vielleicht aus Verlegenheit, weil einem selbst nichts eingefallen ist. Und in alter Tradition will Deutschland die Probleme mit noch mehr Steuergeld und gar einem EU-Finanzminister mit Durchgriffsrecht – lösen. Erwartet jemand ernsthaft, dass das die Südstaaten zur Kurskorrektur veranlasst? Das Gegenteil ist der Fall – hat der EU-Finanzminister griechischer Herkunft direkten Zugriff auf deutsche Steuergelder geht der Spaß erst richtig los.

    *hb

  5. manzotto sagt:

    Titel eingeben
    1998 oder 1999 sagte Roman Herzog in einem Interview, der Euro müsse beweisen, dass er mehr sei als ein rein wirtschaftlicher Entwurf. Das hat er aber nie geschafft. Er war und ist ein Instrument der neoliberalen Ideologie, die grenzenlose Geschäfte wünscht, auch um den Preis einer Deintegration des europäischen Kontinents. Politker wie Merkel und Schäuble, Schulz und Draghi betreiben eine globalistische, antinationalistische Gleichmacherpolitik im Sinne der Geldeliten, begleitet und gestützt von einer unkritischen Medienwelt. Nur so ist das fanatische, staatsdoktrinäre Festhalten an der Problemwährung Euro zu erklären.

  6. knoechelmann sagt:

    stabilitäts- UND wachstumspakt
    Ist es sinnvoll zwischen Stabilitäts- und Wachstumsorientierung zu trennen? Mein Verständnis ist, das eine jeweils nationale Stabilitäts- und Verlässlichkeitsorientierung in der Wirtschaftspolitik als Basis für eine wettbewerbsfähige Gemeinschaftswährung und jeweiliges Wirtschaftswachstum angesehen wurde. Lt. dieser Grundorientierung gefährdet dann irgendwann eine “Über”verschuldung und ein Transferzwang durch die Hintertür das gemeinsame Projekt? Richtig, Inflation im engen Verständnis ist nicht da, aber was ist mit den Vermögenspreisen? Ein Zins um die Nullinie führt nach meinem VWL Studium zu einer Fehlallokation von Ressourcen und ist eher ein Krankheits- als ein Vitalitätssymptom. Der Bruch von gemeinsam vereinbarten Normen/Institutionen unterminiert die Glaubwürdigkeit der zukünftigen Normen/Institutionen?

    • skatfreund sagt:

      Vorschlag gegen Nullzins ?
      Wenn der Zins nahe der Nulllinie so ein großes Problem ist, schön, was soll man tun ?
      Einfach den Zins mal um 100 oder 200 BP anheben und dann zusehen wie wir in eine Mega-Rezession schlittern ?
      Oder bei der Ersparnis ansetzen und die Steuern massiv erhöhen ? Nur hat die Bundestagswahl vor einigen Wochen ja eindrucksvoll bewiesen, dass es für diese Variante in Deutschland zur Zeit keine Mehrheit gibt.

      So gesehen alles nur leere Worthülsen und Wunschgedanken, die denen der Väter der Währungsunion nicht unähnlich sind.

  7. Fingalo sagt:

    On Youtube
    Ein ums andere Mal surf’ ich durch YouTube, d.h. man schaut sich ein Video an, und anschließend – oder schon während dessen – klick ich auf Recommended-for-you. Dieser Tage stieß ich auf Yanis Varoufakis. Der geneigte Leser mag da mit Obi-Wan denken: “Now that’s a name I’ve not heard in a long time. A long time.” Darf ich darauf hinweisen, das Varoufakis ehedem Wirtschaftswissenschaftler war, den das Schicksal in das Amt der griechischen Finanzministers spülte, und ihn von dort wieder Weg spülte. Als solcher ist er eine Rarität, als dass er aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft in die Niederungen der Realpolitik herabstieg, und ihr anschließend wieder entstieg. Folglich kann er uns erzählen, wie es hinter verschlossenen Türen zuging, wie weit das politische Establishment bereit ist zu gehen, das Wohl der Bürger zu opfern, um die Vision vom geeinten Europa zu retten. Und das aus politischen Erwägungen heraus, seiner Meinung nach vernünftige Vorschläge nicht durchgeführt werden können.

  8. eierkram sagt:

    Utopien der Regulierer
    “Allerdings sind Staatsanleihen davon ausgenommen, weil sie der Regulierer als ein sicheres Asset betrachtet.” – Erste Anzeichen dafür, daß diese Betrachtung nicht realistisch war und ist, kann man eigentlich schon um 2000 herum feststellen. Erinnert sei hier an Hypothekenfinanzierungen über semistaatliche Einrichungen wie ‘FannyMae’ und ‘FreddyMac’. Es gab vereinzelt kritsche Stimmen z.B. in der NYT, die auf Gefahren hinwiesen – sie blieben unbeachtet.

    Noch heute träumen die Regulierer von sicheren staatlichen Assets. Eigentlich sollten sie es besser wissen; aber es kann ja nicht sein, was nicht sein darf.

  9. skatfreund sagt:

    Unerfüllbare Wünsche werden selten erfüllt.
    Bei der Bewertung des “Versagens” der Konstrukteure des Maastrichter Vertrages muss man meines Erachtens nach zwingend einiges beachten :

    1. In einer Demokratie ist es eher der natürliche Weg, dass sich das Vermögen bei den Privaten akkumuliert, während die Schulden eher beim Staat auflaufen. ( Siehe z.B. John Kenneth Galbraith’s “private affluende and pubic squalor” ).

    2. Ergibt sich aus der Ersparnis der Wirtschaftssubjekte ( private wie auch Unternehmen ) eine kontinuierliche Verschuldungsnotwendigkeit der Volkswirtschaft, die, siehe oben, tendenziell beim Staat entsteht.

    3. Außerdem führen Leistungsbilanzdefizite ebenso zu einer Verschuldungsnotwendigkeit ( reduzieren diese aber in den Ländern mit dem gegenläufigen Leistungsbilanzüberschuss ). Auch diese Verschuldung dürfte im Zeitablauf immer eher beim Staat “stranden”.

    Hieraus folgt, dass in einer Volkswirtschaft, in der die staatliche Verschuldung sowohl aus dem Hebel aus stetig steigender Ersparnis bei sinkender Investiotionsquote als auch der externen Flanke steigender Leistungsbilanzdefizite “angegriffen” wird eine statische Verschuldungsobergrenze stets ein unerfüllbarer Wunsch bleiben muss.

    Ein Wort noch zu den im Artikel erwähnten “Risikoaufschlägen”. Jedwede Bonität ist, da niemand die tatsächliche zukünftige Zahlung oder Nichtzahlung kennen kann, reine individuelle Spekulation. Somit ist jede Aussage, dass die Renditunterschiede zwischen zwei Ländern zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit oder auch aktuell “zu hoch” oder “zu niedrig” waren/sind stets nur hochspekulative “Meinung”. ( Auch erwähnenswert dass Rückschlüsse auf die Bonität aus den unterschiedlichen Renditen zweier Gläubiger immer nur innerhalb eines Währungsraumes überhaupt Sinn machen, da jeder Währungsraum seinen eigenen, natürlichen Zins hat, der von dem eines anderen Währungsraumes in der Regel – stark – abweicht ).

    Last but not least noch ein Satz zur vermeintlich “sehr expansiven Geldpolitik” bzw. “Krisenmodus” Geldpolitik. Ich erachte die Geldpolitik der EBZ seit Jahren, an ihren Zielen gemessen als “normal”, also darauf ausgerichtet, das sich selbst auferlegte Ziel zu erreichen.
    Niemand kann ein Interesse daran haben, dass sich die EZB mit Aussagen wie “wir haben unser Inflationsziel von unter aber nahe 2 % seit nun 4 Jahren in Folge weit verfehlt, haben heute aber erneut den Zinssatz für den Hauptrefinanzierungstender um 25 Basispunkte angehoben” vollkommen der Lächerlichkeit preis gibt. Anstatt eine offene Zielverfehlung durch die Zentralbank zu fordern wäre es doch seitens der Kritiker besser, eine ergebnisoffene Diskussion über das Ziel an sich zu führen.

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