In vielen Ländern ist die Ungleichheit groß. Muss das immer schlecht sein?
Es sind zwei Meldungen aus zwei unterschiedlichen Welten. Die erste stammt aus der vergangenen Woche und betrifft Menschen, die von ihrer Arbeit kaum leben können: Der Mindestlohn in Deutschland steigt in den kommenden beiden Jahren um 51 Cent auf 9,35 Euro je Stunde. Die zweite Nachricht ist ein paar Tage älter und spielt auf der Sonnenseite des Lebens. Die Zahl der Deutschen, die innerhalb eines Jahres mehr als eine Million Euro verdienen, ist zuletzt auf mehr als 19000 Personen gestiegen. Im Schnitt kassieren diese Superverdiener 2,7 Millionen Euro, errechnete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Die Mindestlöhner ackern und können sich trotzdem kaum etwas leisten; die Millionäre wissen nicht, wohin mit ihrem Geld. Ungerecht, oder?
Wer es sich einfach machen will, antwortet mit “Ja”. Schließlich widersprechen die weit auseinanderklaffenden Einkommen und Vermögen einem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden. Dass die Ungleichheit in den meisten Industrieländern von Jahr zu Jahr noch größer wird (Deutschland war da zuletzt eine Ausnahme), macht die Sache noch schlimmer.
Es gibt allerdings eine zweite mögliche Antwort auf die Gerechtigkeitsfrage. Sie lautet “Ja, aber”, und sie räumt mit dem Mythos auf, dass jede Form von Ungleichheit auch ungerecht ist. Um es mit den Worten der Ökonomen Andreas Peichl, Paul Hufe (beide Ifo-Institut München) und Ravi Kanbur (Cornell University) zu sagen: “Wir erkennen an, dass Ungleichheit nicht per se schlecht ist, sondern die zugrundeliegenden Quellen berücksichtigt werden müssen.” Schließlich habe es beispielsweise positive Auswirkungen, wenn der Nachbar mehr verdient und man sich deshalb selbst mehr ins Zeug legt.
Was an der Ungleichheit ist unfair?
Um die Frage näher zu beleuchten, gehen die drei Forscher in einer neuen Untersuchung zwei Fragen nach: Wie viel der zu beobachtenden Ungleichheit ist tatsächlich unfair? Und wie können wir das messen?
Wer die erste Frage beantworten möchte, muss erst einmal definieren, wie man gute von schlechter Ungleichheit unterscheidet. Nicht gerade das Kerngeschäft von Ökonomen, weshalb sie sich auf bestehende, von Philosophen wie John Rawls erdachte Konzepte berufen. Verkürzt können diese so zusammengefasst werden: Ungleichheit ist zum einen ungerecht, falls die ärmeren (und reicheren) Personen ungleiche Startbedingungen hatten und unverschuldet in die jeweilige Position gekommen sind. Zum anderen ist sie unfair, wenn jemand so wenig Geld zur Verfügung hat, dass er im Alltag kaum über die Runden kommt, also unterhalb der Armutsgrenze liegt.
Das erste Kriterium bezeichnen Fachleute als Chancengerechtigkeit, das zweite als Armut. Über diese Definitionen und Begrifflichkeiten lässt sich zwar trefflich streiten, in der Ökonomie sind sie aber weithin akzeptiert. “In dieser Studie bringen wir die beiden prominenten Gerechtigkeitsprinzipien zum ersten Mal in ein gemeinsames Maß für ungerechte Ungleichheit”, schreiben die Forscher.
Knifflig ist die Frage, wie man das Ausmaß der Ungerechtigkeit messen kann. Schließlich ist es niemandem anzusehen, ob er seinen Porsche fährt, weil er reiche Eltern hat oder weil er sich mühsam hochgearbeitet hat. Die Forscher helfen sich mit umfangreichen Umfragedaten aus 31 europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten. Aus den Zahlenkolonnen geht nicht nur hervor, wie viel jemand verdient, sondern auch sein Geschlecht, seine Herkunft und Hautfarbe sowie der Bildungsstand und Beruf seiner Eltern. Sind Vater und Mutter gebildet, reich und keine Migranten, haben ihre Kinder (vor allem, wenn sie männlich sind) später bessere Verdienstchancen, zeigen etliche Studien. Mit komplizierten mathematischen Verfahren errechnen die Forscher, wie viel der Ungleichheit auf ungleiche Chancen zurückgeht beziehungsweise echte Armut widerspiegelt.
Nur 17 Prozent der Ungleichheit sind ungerecht
Die Antwort ist überraschend: Nur 17,6 Prozent der gesamten Einkommensungleichheit hat der Studie zufolge ihre Ursache darin, dass die Gerechtigkeitsprinzipien verletzt wurden. Oder mit anderen Worten: Menschen verdienen vor allem deshalb unterschiedlich viel, weil sie sich unterschiedlich stark reinhängen. Dass ein Teil der Menschen unter die Armutsgrenze fällt, ändert an dieser Gerechtigkeitsbilanz nichts.
In Europa beobachteten die Forscher deutliche Unterschiede. In Italien, Litauen und Rumänien ist Ungerechtigkeit demnach eine gravierendere Ursache für Ungleichheit. Knapp ein Drittel der gemessenen Ungleichheit geht auf Unfairness zurück. In den Niederlanden (7 Prozent), Finnland (9,3 Prozent) und Norwegen (12,5 Prozent) – alles Länder, in denen die Ungleichheit ohnehin eher gering ist – ist auch der Anteil der Ungerechtigkeit besonders gering, schreiben die Autoren. Auch in Deutschland, wo die Einkommensungleichheit im Jahr der Erhebung (2010) höher war als in Skandinavien, ist die Ungerechtigkeit der Studie zufolge mit einem Anteil von 11,6 Prozent eher gering. Getrieben werde sie hierzulande in erster Linie durch Armut, nicht durch Chancenungerechtigkeit. Für Wirtschaftspolitiker können solche Ergebnisse wichtige Ansatzpunkte für Reformen liefern.
Interessant ist, was die Autoren in den Vereinigten Staaten nachweisen. Dort stieg die Ungleichheit zwischen 1980 und 2015 kontinuierlich an. Bis 1995 lag das allerdings nur sehr selten daran, dass Menschen in Armut verfielen oder wegen ihrer Hautfarbe, ihres Elternhauses oder des Geschlechts benachteiligt wurden. In den zwei Jahrzehnten danach seien jedoch genau diese Dinge der Treiber für die wachsende Ungleichheit gewesen. Die ungerechte Ungleichheit in Amerika sei heute sogar größer als bei den europäischen “Spitzenreitern” Litauen und Italien. Für Ifo-Forscher Peichl liegt auf der Hand, dass die Unzufriedenheit vieler amerikanischer Wähler auch mit der wachsenden Ungerechtigkeit im Land zusammenhängt. Zumal auch frühere Studien das Ende des amerikanischen Traums beschreiben und deutlich machen, dass Ungleichheit nur dann akzeptiert wird, wenn sie unter fairen Bedingungen zustande gekommen ist.
Ihre Ergebnisse sind nicht die allerletzte Wahrheit, räumen die Forscher selbst ein. Das Thema Gerechtigkeit ist zu komplex und zu abhängig von bestimmten Annahmen, um es auf eine einzelne Kennzahl herunterzubrechen. Dennoch: Die Berechnungen ermöglichen einen frischen, differenzierten Blick auf ein viel zu pauschal diskutiertes Problem.
Keiner hat gesagt, die Welt sei gerecht.
Wichtig ist nur, das keinem Steine in den Weg gelegt werden. Dass manche von ihren Eltern erben mag ungerecht aussehen. Wenn Eltern ihren Kindern nichts auf den Weg geben dürften, wäre aber auch ungerecht.
Wer vom Schicksal nicht begünstigt wurde, der muss sich halt mehr Mühe geben. Und es geht dabei nicht um Fleiß, sondern um Beobachtungsgabe und Wagnisbereitschaft. Ein Beispiel: In den Nachrichten steht, dass es zu wenig Pflegekräfte gibt. Jetzt kann man einen Pflegedienst gründen und zahlendem Publikum Zusatzdienste gegen Aufpreis anbieten, nach dem Motto: Teurer, aber verfügbar. Den Mehrpreis teilt man sich mit den Pflegekräften, um deren Arbeitsqualität zu steigern. Das ist halt eine Gründerstrategie, und die Chancen stünden sogar ganz gut, denn die Gesellschaft wird älter und wir haben Vollbeschäftigung, also haben alle Geld. Da wird es wohl ein paar Sparer geben, die im Alter Geld haben.
Und jetzt kommt es: Sind Sie dieser Typ Gründer, oder arbeiten Sie einfach weiter vor sich hin, was immerhin bequem und sicher ist. Und wenn Sie weiter vor sich hinarbeiten, dann können Sie jetzt schon sehen, wie Sie zum Renteneintritt finanziell dastehen. Nichts zu tun ist immer eine Option, nur: keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung.
Und dann gibt es die Leute, die nichts tun und alle Möglichkeiten ungeprüft an sich vorbei ziehen lassen und sich dann aber hinstellen und behaupten, sie hätten doch auch “hart gearbeitet” und hätten “mindestens das Gleiche” verdient. Die haben das mit der Mühe nicht verstanden.
Im Kern z.T. plausibel, aber Ergebnisse fragwürdig
Dass absolute wirtschaftliche Gleichheit (m.E. die Idee des Kommunismus) mangels Leistungsanreizen nicht funktioniert, ist nachvollziehbar. Aber dass Mehrleistung immer nützlich ist [und die beste Leistung erreicht wird, wenn z.B. a) alle mit dem Porsche+Bentley in St. Tropez im Stau stehen, statt Rad oder Bus zu fahren oder b) wenn die Eltern lieber arbeiten gehen als unnötig viel mit den Kindern oder der Oma zu spielen] ist m.E. im rückständigen Deutschland, welches nützliche Verhaltensweisen (z.B. die Bahnreise und den Bahntransport) nicht stärker fördert als schädliche Verhaltensweisen (z.B. die Porsche-Reise mit 20 ltr./100km oder den unfallträchtigen LKW-Transport), nicht allgemeingültig. Auch zeigt die hohe Nachfrage nach sicheren Geldanlagen, dass z.B. auch bei Vermögensbesitzern die hohe Sicherheit oft als wichtiger angesehen wird als hohe Leistung. Diese Sicherheit ließe sich vermutlich durch eine geringere Ungleichheit erhöhen, wenn man unterstellt, dass Personen mit relativ hohen Einkommen und einer Wachstumsperspektive weniger zu Überfällen, Einbrüchen oder Betrug (oder auch Migration !) neigen als Personen am Existenzminimum.
Unabhängig von der DAMIT nicht verallgemeinerungsfähigen Beurteilung des mit Ungleichheit verbundenen Leistungsanreizes; erscheint auch die im Artikel genannte Zahl von 17% wenig glaubhaft und wird dadurch relativiert, dass der Autor mit der Prämisse “Sind Vater und Mutter gebildet, reich und keine Migranten, haben ihre Kinder (vor allem, wenn sie männlich sind) später bessere Verdienstchancen” schon die wesentlichen Bereiche der wesentlichen Ungerechtigkeiten ausklammert a) schlechtere Chancen für Migranten b) bessere Chance für die Kinder reicher Eltern und c) vielleicht der noch bedeutsamste Bereich – schlechtere Chancen für Frauen. Wer sich bis vor fast einem Jahrzehnt durch das Berufleben gekämpft hat, konnte jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass vermutlich allein die Quote betroffener Frauen höher ist. Die lächerliche vom Gesetzgeber geduldete Praxis deutscher Unternehmen, für Führungsebenen eine Frauenquote von Null anzustreben, ist ein deutlicher Hinweis auf die letztgenannte Ungerechtigkeit.
Noch abstruser wird die Verherrlichung der Ungleichheit als Wettbewerbsförderung im internationalen Vergleich: Ist die Armut des mit Hilfe westlicher Investmentbanken zugrundegewirtschafteten Griechenland nebst illusorischer Schulden (auch) durch deutsche Waffenlieferungen ein positiver Leistungsanreiz für den Staat ? Wenn der Staat aufgrund des Drucks der Schwarze-Null-Fetischisten den armen Leuten Renten und andere Bezüge kürzt, kann man diese Frage wohl nur als Altgläubiger bejahen.
Im Ergebnis bleibt damit nur die Erkenntnis, dass eine gewisse Ungleichheit als Leistungsanreiz notwendig sein dürfte (was auch manche Modelle des Grundeinkommens einschränkt), aber die positiven Wirkungen mit zahlreichen negativen Aspekten abgewogen werden müssen.
Chancengleichheit und die Mär, dass alle alles erreichen könnten,
wenn sie nur wollten. Klar.
Eine leicht mangelhafte Intelligenz ist ganz klar selbstverschuldet. An den Genen kann es ja nicht liegen. Und dass das, in einer Welt, in der nur noch “Prädikatsexamen aufwärts” zählen, werden diese Menschen “zurecht” von den großen Töpfen ausgeschlossen.
Die Tatsache, dass selbst von 10 Topkandidaten nur einer hochbezahlter CEO werden kann und die anderen eben nur die “Peanuts-Resorts” bekommen, ist ja gerecht, da jeder die gleiche, kleine Chance hat.
Von Talenten ganz zu schweigen. Wer sich im Mutterbauch aus eigenen Stücken! gegen das Fussballtalent entscheidet, soll auch gefälligst ohne Murren und Knurren damit leben, dass ein Bundesligaspieler mal schnell das doppelte eine CEO verdient – er hat sich ja entschieden, dass er das nicht wollte, er hätte ja die Chance gehabt.
Nur weil selbst ein Bauer König werden kann, wird das Königreich doch dadruch noch keine Demokratie.
Ein kleines Zahlenbeispiel
19.000 Millionäre machen ca. 2,31% der Bevölkerung aus.
Bei 17,6% ungerechter Ungleichheit liegt die Vermutung nahe, dass unsere 2,31% Millionäre fast alle Teil dieser ungerechten Ungleichheit sind.
Sei es durch Erbschaft, Ausbildung an Elite-Universitäten, etc.
Selbstverständlich bin ich bereit die wenigen “Tellerwäscher zu Millionär” Lebensläufe hier auszuschließen.
Und die nächste Frage ist,
welche Definition und welche mathematische Methoden habe ich zu wählen, damit ich die unfaire Ungleichheit auf Null bekomme.Des Weiteren sollte unbedingt daran gearbeitet werden, dass es auch eine faire Armut analog zur fairen Ungleichheit gibt.
Ungleichheit einmal ohne "Geld" erklärt
Zitat: “Die Berechnungen ermöglichen einen frischen, differenzierten Blick auf ein viel zu pauschal diskutiertes Problem.”
Wer die Themen Einkommen, Vermögen und Geld bewusst ausklammert, soweit er dazu fähig oder willens ist, wird zum Schluss kommen, dass das Thema sogar im Gegenteil viel zu eng diskutiert wird.
Niemand will Gleichheit, auch der grösste Sozialist nicht. Gerechtigkeit ist das Losungswort, aber nicht monetäre Gerechtigkeit, sondern juristische Gerechtigkeit. Die Verfassung garantiert es zwar, aber es wird nicht eingehalten.
Niemand wird einem Erfinder sein Riesenvermögen missgönnen, wenn er eine wirklich sinnvolle Wertschöpfung gemacht hat – selbst dann nicht, wenn es Milliarden sind.
Aber wer seinen VW-Diesel einklagen will, geht ein enormes finanzielles Risiko ein. Aber warum eigentlich? – Der Betrug wurde ja längst zugegeben und dass verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut wurden auch.
Jeder kann das Straf- und das Zivilrecht gratis nachlesen. Damit dürfte ja kein Kläger niemals nicht Recht bekommen. Und Geld kosten sollte es ihn auch nicht, erst recht wenn er die Klageschrift gleich selbst aufsetzt.
Warum kann er sich denn nicht sicher sein, wenn er ja den Artikel der zur Entschädigung verpflichten würde, nur nachlesen und in die Klageschrift einfügen könnte?
Weil keine Rechtssicherheit herrscht. Sie wird bewusst nicht hergestellt, dass Richter ihr freies richterliche Ermessen geniessen und ausleben können.
Und wer weiss, dass Richter ein Parteibuch tragen müssen um überhaupt gewählt zu werden, weiss auch, dass hier nicht Recht sondern Partei drin ist. Es liegt Befangenheit vor. Kein Richter darf richten, wenn er befangen ist, trotzdem wird es systematisch getan. Darum werden Richter auch nicht vom Volk gewählt, sondern von Parteispitzen.
Dort und und nur dort liegt die mangelnde Gerechtigkeit. Genau dort geht die Stärke des Rechts an das Recht des Stärkeren verloren.
Das ist juristische Ungerechtigkeit der nicht widersprochen kann. Die gesamte Rechtswissenschaft und mitsamt der Justiz-Industrie dahinter, würde dem widersprechen, tut es aber darum nicht, weil sonst die Fragen aufkämen, warum eigentlich die Dritte Gewalt des Staates nicht kontrolliert wird, oder warum eigentlich sämtliche Mitglieder daraus nur aus einem einzigen Berufsstamm kommen oder warum sie eigentlich ein Parteibuch tragen und damit parteiisch sein dürfen.
Das ist ausgesprochene Ungerechtigkeit, die ohne soziale Aspekte auskommt. Sie wird ja dermassen gerne ins Finanzielle gedrückt und mit Ungleichheit übersetzt. Damit ist der gemeine Leser abgelenkt und wird mit anderweitigen Gedanken beschäftigt.
"Sich reinhängen"?
So einfach kann man es sich machen, aber das ist dann Küchenpsychologie.
Interindividuelle Unterschiede werden von zwei Dingen verursacht: Erbanlagen und Umwelteinflüssen.
Ein Gedankenexperiment: In einer Informations- und Wissensgesellschaft sind intellektuelle Leistungen stark gefragt und gut bezahlt. Das Potenzial zu solchen Leistungen variiert zum größten Teil deswegen, weil verschiedene Menschen verschiedene genetische Ausstattungen mitbringen: Intelligenzunterschiede sind zum größten Teil genetisch bedingt. Wie kann diese Gesellschaft gerecht sein, wenn regelmäßig die Intelligenteren erfolgloser sind als Personen, die ein geringeres genetisch bedingtes Potential aufweisen? Diese Gesellschaft ist dann trotzdem gerecht, wenn es bei der Motivation ebenfalls genetisch bedingte Unterschiede gibt. Oder wenn es für alle gleichermaßen ein Glücksspiel ist, ob man auf fördernde, motivierende Umstände trifft, die richtige Vorgehensweisen und Selbstvertrauen lehren.
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Der frühere Caritas-Vorstand Georg Cremer hat in einem sehr lesenswerten SPIEGEL-Interview am 02.08.2017 darauf hingewiesen, dass es verschiedene Arten von Gerechtigkeit gibt und dass eine Diskussion über Gerechtigkeit in Deutschland nur dann zielführend ist, wenn sie differenziert geführt wird (Zitat): „Es gibt nicht eine einzige, sondern verschiedene Gerechtigkeiten: Bei Bürgerrechten wie dem Wahlrecht gilt strikt das Prinzip der Gleichheit. In einer Marktwirtschaft wollen wir Tauschgerechtigkeit, in der Bildung Chancengerechtigkeit. Bei der Entlohnung akzeptieren wir Leistungsgerechtigkeit, zu große Diskrepanzen dämmen wir mit Umverteilung ein, um Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen – hier kann es zu Konflikten kommen, die der Abwägung bedürfen. Würde stärker betont, auf welches Konzept man sich jeweils beruft, würde die Debatte konstruktiver und politischer.
Ein sehr zentrales Konzept geht in der Debatte aber häufig unter: das der Befähigungsgerechtigkeit. Während Chancengerechtigkeit letztlich akzeptiert, dass ein Kind aus gefestigten Verhältnissen der oberen Mittelschicht in seinem Elternhaus bessere Kompetenzen entwickeln konnte und dadurch auch bessere Leistungen in der Schule erbringt, als ein Kind aus prekären Verhältnissen und relativer Armut, ist die Befähigungsgerechtigkeit im Kontrast dazu weit umfassender: Staat und Zivilgesellschaft müssen sich darum sorgen, wie auch das Kind aus prekären Verhältnissen in die Lage versetzt wird, seine Potenziale zu entfalten. Was tun wir also, um den erwiesenermaßen engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu lockern? Wir sollten den Sozialstaat konsequent auf diese Befähigungsgerechtigkeit ausrichten – nicht nur für Kinder, sondern für alle.“ (Zitat Ende) Ich finde diese Ausführungen sehr klug und bedenkenswert.
Laut dem Global Wealth Data Book der Credit Suisse lag Deutschland im Jahr 2016 bei der Ungleichheit der Vermögensverteilung mit einem so genannten „Gini-Koeffizienten“ von 0,79 auf Platz 117 von 172 untersuchten Ländern (0 = totale Gleichverteilung des Geldes; 1 = ein Haushalt besitzt alles, der Rest nichts). Solange der Artikel 14, Absatz 2, des Grundgesetzes “Eigentum verpflichtet” nicht mit Füßen getreten wird, ist mir persönlich egal, wie ungleich das Vermögen verteilt ist. Das Problem scheint mir allerdings zu sein, dass Vermögenszuwächse auch in Deutschland zunehmend aus finanzwirtschaftlichen Spekulationen (z. B. Derivatehandel) resultieren, statt aus realwirtschaftlichen Investitionen mit Nutzen für die Gesellschaft.
Der Journalist Hans-Jürgen Jakobs hat in 2016 das Buch „Wem gehört die Welt“ veröffentlich. Dort wird u. a. ausgeführt, dass sich die Relation zwischen Realvermögen und Finanzvermögen zwischen 1970 und 2017 signifikant verschoben hat – und zwar zulasten des Realvermögens. Während in 1970 die weltweiten Realvermögen und Finanzvermögen noch ungefähr die gleiche Größenordnung hatten, stand in 2017 einem Realvermögen von 80 Billionen US-Dollar ein Finanzvermögen von gigantischen 300 Billionen US-Dollar gegenüber – das ist eine Relation von 1 zu 3,75. Diese Entwicklung ist insofern problematisch, da Realkapital und Finanzkapital in der Regel unterschiedliche, ab und zu sogar gegensätzliche, ökonomische Interessen verfolgen. Bei der Veranlagung von Kapital auf Gütermärkten stehen Investition, Innovation, Produktion und Handel im Fokus, während es bei der Veranlagung von Kapital auf Finanzmärkten eher um kurzfristige Spekulation geht. Dies dokumentiert sich unter anderen darin, dass das globale Handelsvolumen von Derivaten zwischen 544 Billionen und 1,2 Billiarden US-Dollar liegt. Nimmt man den Mittelwert von 872 Billionen US-Dollar ist das das 10-fache des globalen Bruttoinlandsprodukts.
Dies ist sowohl unter Risikogesichtspunkten, als auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Gesellschaften nicht wünschenswert. Deshalb sollte der Staat ungedeckte Leerverkäufe und den Derivatehandel verbieten bzw. mindestens drastisch einschränken auf absolut notwendige Absicherungsgeschäfte.
Darüber hinaus sollten Steuerschlupflöcher geschlossen werden durch eine grundlegende Vereinfachung des Steuersystems unter Streichung sämtlicher Ausnahmetatbestände bei gleichzeitiger Absenkung der Steuersätze. Im Zuge dessen sollten kurzfristige Spekulationen so hoch wie möglich besteuert werden und langfristige Investitionen mit Nutzen für die Gesellschaft so niedrig wie möglich.
Im Hinblick auf den Hochfrequenzhandel schlägt der Erfinder des computergestützten Wertpapierhandels, Doyne Farmer, folgendes vor: “Wenn die Politik den Hochfrequenzhandel wirklich abschaffen will, muss sie nur die Regeln ändern und den Handel entschleunigen.” Ein Handel in Milli- oder demnächst Mikro- oder Nanosekundentakt und das Abhandeln der Aufträge in der Reihenfolge der Eingänge, schaffe falsche Anreize. Es reicht völlig aus, einmal in der Sekunde einen Kurs zu erstellen und die innerhalb dieser Sekunde eingegangenen Aufträge alle gleich zu behandeln und die zur Verfügung stehenden Wertpapiere nach Quoten zu verteilen. “Wenn man das einführt, bricht das gesamte Geschäftsmodell des Hochfrequenzhandels zusammen.”
Auch diese Maßnahme würde dazu beitragen, Kapital wieder dorthin zu lenken, wo es am besten aufgehoben ist: In langfristigen Investitionen in der Realwirtschaft zum Nutzen der Gesellschaft.
Auf dem Smartphone...
…macht es keinen Spaß, die FAZ-Blogs zu lesen – die Seitenbreite wird nicht an den schmalen Bildschirm angepasst. Sehr schade! Das muss doch besser gehen?
Ungleichheit hat auch etwas mit Ungerechtigtkeit zu tun, aber nicht nur!
Wenn die Armen (und seien es nur 17%) so unzufrieden sind, dass es zum Bürgerkrieg kommt, ist die Prozentzahl der unfairen Ungerechtigkeit egal.
Einkommens- und Vermögensungleichheit stellt in vieler Weise eine Chancenungleichheit dar.
Wenn jemand zwar studieren kann, aber sehr viel geringere Chancen eine Erfindung oder auch eine Unternehmung umzusetzen, dann wird das unterbleiben.
Eine Gesellschaft wird sich aber nur dann dynamisch entwickeln können, wenn es für jeden einen Anreiz gibt.
Wenn es aber sehr unterschiedliche Chancen gibt, dann funktioniert das nicht und die Gesellschaft verliert als Ganzes.
Auch hier spielt es keine Rolle wie unfair die Ungleichheit ist. Wenn sie an sich zu groß ist, dann gibt es Nachteile.