Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Wenn Frauen Chef werden

Frauen werden überall gefördert. Doch die Praxis zeigt: Quoten sind nicht immer gut. Vielleicht muss Gleichberechtigung erst in der Gesellschaft erreicht werden.

Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde will Frauen in der Finanzwelt fördern. (Foto: dpa)

Bis ins Jahr 2019 hat es gedauert, dass die erste Frau Vorstandschef in einem Dax-Konzern geworden ist. Das gilt vielen Leuten als skandalös. Wie lässt sich das ändern– und was ist sinnvoll? Für die Aufsichtsräte gilt schon seit Jahren eine Frauenquote von 30 Prozent, für Vorstände haben sich solche Vorschläge bisher nicht durchgesetzt – auch aus der Überlegung heraus, dass in männlich dominierten Branchen nicht zwanghaft Frauen in den Vorstand befördert werden sollten.

Stattdessen müssen die Unternehmen nur ein Ziel für den Mindestanteil im Vorstand aufstellen. Damit sie das erst gar nicht verfehlen können, haben sich Dutzende deutscher börsennotierter Unternehmen geben sich ganz offiziell ein Mindestziel von null Frauen im Vorstand gegeben. Der Ärger wächst.

Wäre also eine verbindliche Quote besser? So einfach ist es nicht. Die Wissenschaft gibt ganz unterschiedliche Antworten – und am Ende sieht es so aus, als müsse die Gleichberechtigung zuerst in den Köpfen erreicht werden, bevor sie in den Unternehmen funktionieren kann.

In der schwedischen Kommunalpolitik waren Frauenquoten gut

Tatsächlich gibt es eine raffinierte Studie, die Frauenquoten einigen Erfolg bescheinigt. Sie dreht sich allerdings nicht um die Unternehmenswelt, sondern um die Kommunalpolitik, und zwar in Schweden – und sie zeigte: Wo die Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt wurden, wuchs die Qualität der Politiker deutlich.

Nun ist es gar nicht so leicht, die Qualität von Politikern zu messen. Was einen guten Politiker ausmacht, lässt sich schwer in Zahlen fassen: Es geht um eine gewisse Auffassungsgabe, aber auch um Führungsstärke und die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen. Solche Fähigkeiten sind allerdings oft auch im Berufsleben gefragt. Deshalb guckten die Forscher für jeden einzelnen Kandidaten, ob er mehr verdiente als andere Menschen mit gleichem Beruf, Alter und gleicher Bildung – in Schweden sind solche Daten öffentlich. Wer sich auf diese Weise gegenüber seinen Kollegen hervortut, der hat wahrscheinlich auch die nötigen Fähigkeiten für die Politik. Tatsächlich werden solche Kandidaten eher wiedergewählt als andere.

So gemessen, stellte sich heraus: Wo Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt wurden, kamen mehr kompetente Frauen auf die Listen – auf eine Kandidatur verzichten mussten dann die mittelmäßigen Männer. Mehr noch: Weil die schwedischen Sozialdemokraten dieses Verfahren zum Standard machten, verloren die mittelmäßigen Männer in der Partei an Einfluss – und selbst lokale Parteichefs hatten es hinterher in der Partei schwerer, wenn sie nur mittelmäßige Politiker waren.

In der EZB ist Frauenförderung schon schwieriger

All das ist noch einfach, wenn es in jedem Ort und in jeder Partei nur eine Liste gibt. Schwieriger wird es schon, wenn es in einem Betrieb mehrere unterschiedliche Führungspositionen gibt, die besetzt werden müssen. Das zeigt das Beispiel der Europäischen Zentralbank, die in diesem Frühjahr die Frauenförderung bei ihren Mitarbeitern ausgewertet hat – und auf viele Ungerechtigkeiten stieß.

Die Ausgangslage war bei der EZB wie in vielen Betrieben: Männer kamen eher auf die nächste Führungsebene als Frauen. Zwar wurden kinderlose Frauen ebenso oft befördert wie kinderlose Männer, Mütter aber deutlich seltener als Väter. Hatten die Mütter weniger Interesse, weil sie sich lieber um ihre Kinder kümmern wollten? Oder wurden sie diskriminiert? Das lässt sich heute schwer nachvollziehen. Jedenfalls war das eine Situation, die Frauen ungerecht finden konnten. 2010 aber führte die EZB ein neues Programm zur Frauenförderung ein, das nicht mal eine Quote umfasste, aber Frauen ins Zentrum rückte.

Dabei wird deutlich: Frauen bewerben sich selbst nach Einführung des Programms seltener um Führungspositionen. Trotzdem ist ein Drittel der neuen Chefs Frauen – das entspricht ungefähr dem Frauenanteil in der EZB. Das bedeutet: Wenn eine Frau sich bewirbt, hat sie mehr als doppelt so große Chancen wie ein Mann. Von allen Bewerbern werden 5,8 Prozent der Männer befördert, aber 12,1 Prozent der Frauen. Das können Männer ungerecht finden.

Sind die Chefinnen also nur Quotenfrauen? Nein, sagen die Autoren der Studie. Die Gehälter von Chefinnen steigen schneller als die von Chefs. Zudem hat Leistung auch heute offenbar einen deutlichen Einfluss auf die Beförderungen: Wer vor seiner Bewerbung einen hohen Bonus bekam oder zu den Topgehaltsbeziehern seiner Stufe gehörte, selbst die Teilnahme an Mentorenprogrammen – alles wirkt sich positiv auf die Beförderungschancen aus. Zumindest für die Frauen. Ob das auch für die Männer gilt, ist fraglich. Solange Frauen sich seltener bewerben, bleibt für die Männer ein großes Zufallselement: Auch ein schlechter Mann mag befördert werden, wenn sich keine Frau findet. Ein guter Mann dagegen mag erleben, dass seine Chance von einer Frau zunichte gemacht wird. Dann hinge die Beförderung von Männern nicht nur von ihrer Leistung ab, sondern auch davon, ob zufällig eine Frau im Rennen ist. Das wäre eine neue Ungerechtigkeit. Die Daten der EZB könnten das klären, die Studienautoren allerdings halten die Zahlen unter Verschluss.

Frauen auf Führungspositionen haben es schwerer

So ergibt sich der Eindruck, dass viele Fragen der Gleichberechtigung am einfachsten beantwortet wären, wenn Männer und Frauen gesellschaftlich im gleichen Maß als Chefs anerkannt wären– das beginnt damit, dass Frauen und Männer sich gleich oft bewerben müssten.

Doch solange das nicht so ist, haben es Frauen auf Führungspositionen schwerer als Männer, sogar mit ihren Mitarbeitern, wie eine neue Studie des Ökonomen Martin Abel zeigt. Er vergab auf einer Internetplattform Arbeitsaufträge an 2700 Menschen und schickte ihnen hinterher Feedback per E-Mail – mal mit weiblichem Vornamen, mal mit männlichem, der Text der E-Mail war immer gleich. Nun mag niemand kritisches Feedback. Kam das aber von einem Mann, hielten sich die Auswirkungen in Grenzen – bei Frauen waren sie doppelt so hart.

Zum Beispiel sank die Bereitschaft, für das Unternehmen weiterzuarbeiten, um fünf Prozentpunkte, wenn die Kritik von einem Mann kam – und um zehn Prozentpunkte, wenn sie von einer Frau stammte. Das galt unabhängig vom Geschlecht der Mitarbeiter. Dabei geht es nicht um einen reinen Gewöhnungseffekt. Selbst die Leute, die angaben, dass sie in ihrem Berufsleben lange unter einer Frau gearbeitet haben, waren gegenüber weiblicher Kritik nicht empfänglicher.

Studienautor Abel folgert daraus, dass es für Unternehmen sogar rational sein könnte, Männer zu befördern: Das könnte dazu beitragen, Mitarbeiter zu halten. Seinen Ergebnissen zufolge blieben dann sogar mehr Frauen im Unternehmen. Vielleicht ändert sich alles, wenn die nächste Generation vorrückt: Die jungen Menschen nämlich wollten von gar niemandem kritisiert werden, auch nicht von Männern – insofern haben sie zwischen den Geschlechtern überhaupt nicht unterschieden. Es wird sich zeigen, ob sich diese Einstellung verändert, wenn sie Eltern werden.


Eine ganze Studiensammlung speziell über Frauen in der Wissenschaft, zusammengestellt von Anna Göddeke und Louisa Söllner, findet sich unter www.womeninacademia.de


 

Das Blog:

 

 

Der Autor:


 

Patrick Bernau