Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Von Tee bis Bankenregulierung

Sechs Papiere vom weltgrößten Ökonomentreffen, das an diesem Wochenende läuft.

Tee wird in eine Tasse gegossen
Foto: dpa

Wieso die Einführung von Tee den Wohlstand steigerte

Schon 1689 wurde der erste Tee nach England importiert, doch es sollte noch rund 100 Jahre dauern, bis breite Bevölkerungsschichten auf den Geschmack kamen. Erst zur Zeit der industriellen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts konnten sich viele Engländer das exklusive Getränk leisten. Später tat die Importmaschinerie von Englands Ostindien-Kompanie ein Übriges, sie machte aus einem Luxusprodukt ein relativ erschwingliches Alltagsgetränk. Dennoch mussten viele Engländer ihre Teeblätter mehrmals verwenden – am Ende war der Tee manchmal nicht viel mehr als abgekochtes Wasser. Doch genau darin lag der Hauptvorteil von Englands Nationalgetränk, argumentiert die Ökonomin Francisca Antman auf dem amerikanischen Ökonomen-Jahrestreffen in San Diego, das auch viele Ökonomen aus anderen Ländern besuchen. Antman kann nachweisen, dass die Einführung von Tee Krankheit und Sterblichkeit in England zurückdrängte, und zwar vor allem in den Regionen, in denen das Wasser verseucht war und in denen besonders viele Teeblätter importiert wurden. Auf diese Weise ermöglichte das neue Getränk auch, mehr zu arbeiten und mehr Wohlstand zu erwerben. Eine Lektion, die heute auch in so manchem Entwicklungsland noch hilfreich sein könnte. Dass sauberes Wasser wichtig ist, weiß jeder. Wie viel es aber ausmacht, das gerät in der Praxis immer mal wieder in Vergessenheit. Nach Angaben der WHO fehlt rund 600 Millionen Menschen ein Zugang zu sauberem Wasser. Tee könnte ein Beitrag zu ihrer Gesundheit sein.

Weshalb eine neue Krise drohen kann

Kenneth Rogoff ist ein bekannter Krisenforscher, inzwischen auch ein umstrittener. Gemeinsam mit Carmen Reinhart hat er die Finanzkrisen der vergangenen 800 Jahre systematisiert. Später warnte er davor, dass zu hohe Staatsschulden eine Finanzkrise auslösen könnten. Weil er in seinen Rechnungen eine fehlerhafte Excel-Formel verwendet hatte, kam diese Studie in Verruf – dabei ist umstritten, ob sie nach der Korrektur des Fehlers wirklich ein großartig anderes Ergebnis bringt. Am Freitag warnte er nun vor einer neuen Krise. Normal sei, dass man aus einer Finanzkrise lerne und dann lange keine mehr vorkomme. Das sei dieses Mal anders. Die Schulden seien noch gewachsen, die Politik außerhalb der Notenbanken gelähmt. Nur wo die nächste Krise herkomme, könne keiner sagen. Nobelpreisträger Robert Shiller, der Amerikas Immobilienkrise vorhergesehen hatte, wundert sich immerhin nicht über die niedrigen Wachstumsraten: Das sei in langen Aufschwüngen häufig so. Er hat analysiert, welche Narrative den aktuellen Aufschwung getragen haben – nicht zuletzt Donald Trump, dessen Lebensstil und Rhetorik das Geldausgeben befeuern und das Vertrauen gegenüber anderen schwächen. Die Angst vor Schulden dagegen ist demnach deutlich zurückgegangen.

Warum Feinstaub das Denken behindert – sogar im Schach

Während halb Deutschland über die vergleichsweise harmlosen Stickoxide im Diesel diskutierte, geriet die tatsächlich gefährliche Luftverschmutzung fast vollkommen aus dem Blick: der Feinstaub. Der kann viele Menschen krank machen – und zuvor behindert er sie schon bei der Arbeit, zumindest wenn sie bei der Arbeit denken müssen. Das betrifft sogar Schachspieler, wie Steffen Künn, Juan Palacios und Nico Pestel ermittelt haben. Sie maßen die Luftqualität bei Schachturnieren und ließen die Züge der Schachspieler von einem Computer überprüfen. Weder die Temperatur noch der Kohlendioxidgehalt im Raum hatten einen Einfluss auf die Qualität der Partien, wohl aber der Feinstaub: Je mehr davon in der Luft schwirrte, umso mehr Fehler machten die Schachspieler und umso schwerer waren ihre Schnitzer. Das galt vor allem, wenn die Schachspieler in Zeitdruck waren und sich schnell entscheiden mussten. Richtig diskutiert wird Feinstaub bis heute nur beim Silvesterfeuerwerk, dabei ist er da bei normalem Wetter innerhalb weniger Stunden wieder verweht. Wichtigere Feinstaubquellen sind Reifen- und Bremsenabrieb, auch von Zügen, Holzöfen, Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen, aber auch die Landwirtschaft.

Welche Folgen das Beten fürs Spenden hat

Religion fördert die Nächstenliebe – so sollte es zumindest sein. In welcher Form die Nächstenliebe allerdings gewährt wird, das mag so manchen überraschen, zumindest wie das in den Vereinigten Staaten läuft. Dort machte die Ökonomin Linda Thunström einen Versuch: Nach dem Hurrikan Harvey lud sie Probanden zu einem Versuch ein, informierte sie über die Lage der Opfer und bat sie um Spenden. Einige Probanden wurden vor der Spendenbitte noch zusätzlich gebeten, einen Moment an die Opfer des Hurrikans zu denken. Eine andere Gruppe wurde stattdessen zu einem Gebet aufgefordert. Die reinen Gedanken änderten nichts daran, wie viel Geld die Probanden spendeten. In der Gruppe der Betenden fielen allerdings durchschnittlich rund 40 Prozent weniger Spenden ab. Liegt das nur daran, dass die potentiellen Spender mit dem Gebet schon ihr Gewissen beruhigt haben? Nicht unbedingt. Mehr als zwei Drittel der religiösen Versuchsteilnehmer gaben sich immerhin überzeugt, dass ein Gebet das Leid der Opfer verringern kann. Die Ökonomin weist zudem darauf hin, dass auch die Hurrikan-Opfer für Gebete möglicherweise dankbar sind – dass ihnen die Spende lieber wäre, ist jedenfalls nicht bewiesen.

Wer die Zinsen in die Höhe treibt

Dass die Zinsen seit vielen Jahren niedrig sind, dafür gibt es einige Erklärungen, die über die reine Zinspolitik der Notenbanken hinausgehen: Es hat wohl damit zu tun, dass die Bürger in den Industrieländern altern. Junge Leute brauchen eher Kredit, zum Beispiel für einen Hauskauf oder um ein Unternehmen zu gründen. Mit zunehmendem Alter aber legt man mehr Geld für den Ruhestand an. Das Kapitalangebot wächst, der Zins sinkt. Ein anderer Grund ist wohl, dass sich die Wirtschaft von der Industrie hin zu Dienstleistungen wandelt, zum Beispiel in Sachen IT: Für neue Geschäfte brauchen Unternehmen weniger teure Maschinen, also nehmen sie weniger Kredit in Anspruch – der Zins sinkt. Wo aber geht das Geld hin? In den Industrieländern geht es nicht zuletzt zu den Staaten, die oft immer mehr Schulden machen und zusätzliche Sozialprogramme auflegen. So haben es Lukasz Rachel von der englischen Notenbank und der ehemalige amerikanische Finanzminister Larry Summers ausgerechnet. Während Krisenexperte Kenneth Rogoff die Gefahren der zusätzlichen Schulden betont, haben Rachel und Summers ausgerechnet, was Sparer davon haben: Hätten die Staaten ihre Ausgaben nicht ausgeweitet, lägen die Zinsen noch weiter im negativen Bereich, als sie es in den vergangenen Monaten schon taten. Ihre Schätzung: Ohne die öffentlichen Ausgabenprogramme lägen die Zinsen noch einmal drei Prozentpunkte niedriger, also etwas unter minus drei Prozent.

Wann Regulierer die Zügel schleifen lassen

Sie gehört zu den großen Lehren aus der Finanzkrise: die so genannte „makroprudenzielle Regulierung“. Die Idee ist bestechend einfach, wenn man sie grob zusammenfasst: Je mehr Kredite sich Menschen und Unternehmen holen, desto krisenanfälliger wird die Wirtschaft. Also hängt die Regulierung einzelner Banken nicht mehr so sehr davon ab, wie es der Bank und ihrem Kreditnehmer selbst geht. Sondern wenn in der ganzen Wirtschaft zu viele Kredite aufgenommen werden, dann verschärfen Aufsichtsbehörden und Notenbanken die Regeln für die Kredite. So soll die Wirtschaft krisenfester werden. Karsten Müller, der an der Princeton-Universität in New York forscht, hat festgestellt: Diese Regulierung funktioniert nicht perfekt, weil auch die Politik nicht unfehlbar ist. Wenn Wahlen anstehen, werden Kredite nicht so stark eingeschränkt wie sonst. Das betrifft im Wesentlichen Hypotheken und Verbraucherkredite – gerade die Darlehen, die die Wähler betreffen, werden also nicht eingeschränkt. Der Effekt ist umso stärker, wenn die Wahlentscheidung knapp ist. Der Einfluss von Wahlen ist sogar spürbar, wenn die Regulierung den eigentlich unabhängigen Zentralbanken überlassen wird. In der Geldpolitik sind sie unabhängig, in der Regulierung können sie sich politischem Druck offenbar weniger widersetzen. Das erinnert an den Ursprung der Finanzkrise: Auch damals war die amerikanische Politik beteiligt, die armen Amerikanern die Chance auf ein kreditfinanziertes eigenes Häuschen einräumen wollte.