An einem Tag überall die Temposünder blitzen? Das bringt nicht viel. Eine andere Strategie wirkt besser.
Jedes Jahr kommt er wieder, der Blitzmarathon: In den meisten Ländern Europas stellen sich einen Tag lang die Polizisten an die Straße und fotografieren jeden, der zu schnell unterwegs ist – an Tausenden von Orten. Doch die Aktion ist umstritten. Immer wieder ziehen sich einzelne Bundesländer aus der Aktion heraus, weil sie sagen: Das bringt nichts, am nächsten Tag fahren die Autofahrer doch wieder so schnell wie vorher.
Eine neue Studie gibt ihnen Recht. An der Universität Passau haben Ramona Rekers und Stefan Bauernschuster Zahlen zur Sicherheitslage auf den Straßen ausgewertet und in den vergangenen Tagen veröffentlicht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Blitz-Marathons bringen die Autofahrer zwar am entscheidenden Tag dazu, etwas langsamer zu fahren, auch in den drei Tagen vorher. Doch das liegt offenbar nur daran, dass sich die Autofahrer über den genauen Termin nicht so sicher sind, und nicht an einer grundlegenden Verhaltensänderung: Schon am Tag nach dem Blitzermarathon fahren sie wieder wie zuvor.
Auch der Nutzen für die Gesundheit hält sich in Grenzen: Zwar gibt es an den Blitzermarathon-Tagen weniger Unfälle und weniger Leichtverletzte, doch ein Rückgang von schweren Verletzungen und Todesfällen ist nicht nachweisbar. Rekers und Bauernschuster schließen, dass reines Nudging – wie auch in anderen Fällen – praktisch keinen Effekt hat.
Strafen helfen
Das heißt nicht, dass man niemanden von der Geschwindigkeitsüberschreitung abhalten könnte. Ebenfalls in den vergangenen Tagen ist eine Studie von Libor Dušek (Prag) und Christian Traxler (Hertie School of Governance und Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter) erschienen, in der die Behörden mehr Erfolg hatten. Dabei ging es nicht darum, dass die Autofahrer aus Furcht vor Kontrollen langsamer fahren. Sondern darum, dass sie tatsächlich eine Strafe bekommen: Wer einmal einen Strafzettel hat, fährt meist dauerhaft langsamer, auch noch nach zwei Jahren – so war es zumindest in einem Vorort von Prag, für den die Ökonomen hervorragende Daten hatten.
Sie zeigt: Die bestraften Fahrer bringen auch andere Fahrer dazu, vom Gas zu gehen, schon allein weil sie die Straße blockieren. Höhere Strafen allerdings helfen nur wenig.
Welchen Effekt haben Tempolimits?
All das bezieht sich wohlgemerkt nur auf die Übertretungen vorhandener Geschwindigkeitsbeschränkungen. Welchen Effekt aber haben unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten in der Praxis? Speziell über die deutschen Autobahnen wird gerade häufig diskutiert: Brauchen die eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder nicht?
Auf der einen Seite steht die Hoffnung darauf, dass es weniger Unfälle gibt und zumindest etwas CO2-Ausstoß eingespart wird (Agora Energiewende schätzt die Einsparung bei einem Limit von 130 km/h auf 1 bis 2 Millionen Tonnen CO2, das ist rund 1 Prozent aller CO2-Emissionen aus dem Verkehr). Auf der anderen Seite steht die – oft kleine – Verlängerung an Fahrzeit und die Befürchtung, dass Fahrer bei solchen Geschwindigkeiten auf eintönigen Strecken abgelenkt werden und ihre Gedanken abschweifen, was die Unfallzahlen wieder erhöhen könnte.
Die Datenlage ist unübersichtlich. Systematische wissenschaftliche Studien sind rar, die wenigen beziehen sich meist auf Erhöhungen des Tempolimits in den Vereinigten Staaten in den Jahren 1987 und 1996. Damals wurde in vielen Bundesstaaten das Tempolimit erhöht, anschließend starben mehr Menschen auf Autobahnen. In den rund 30 Jahren danach allerdings haben Sicherheit und Schadstoffausstoß große Fortschritte gemacht.
Aktuell wird immer wieder die Lage in Brandenburg zitiert, wo an Unfallschwerpunkten eine Geschwindigkeitsbeschränkung eingeführt wurde und die Zahl der Unfälle zurückging. Dem steht ein Versuch in Österreich entgegen, wo auf zwei Pilotstrecken das Tempolimit auf 140 erhöht wurde. Die Emissionen wuchsen nur geringfügig, die Unfallzahlen gingen sogar zurück: Der Versuch wurde verlängert.
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