Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Britische Revolution

| 25 Lesermeinungen

Zentralbanken kaufen Anleihen, als gäbe es kein Morgen mehr. Das hat keine Zukunft. Die Bank of England denkt schon heute an eine Zeit, in der sie Anleihen verkaufen wird.

Die Bank of England könnte der geldpolitische Trendsetter unserer Zeit werden. Denn als sie – wie andere Zentralbanken – kürzlich eine Aufstockung ihres Anleihekaufprogramms beschloss, stimmte ihr Chefvolkswirt Andy Haldane gegen diese Entscheidung. Das allein war noch nicht revolutionär, auch wenn Haldane seit langem als einer der anregendsten Denker unter den Geldpolitikern gilt. Für eine regelrechte Überraschung sorgte dann aber vor ein paar Tagen der neue Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, mit seiner Ankündigung, im Rahmen einer späteren Normalisierung der Geldpolitik plane die Bank den Verkauf von Staatsanleihen, noch ehe sie den Leitzins erhöhen werde. Die Nachrichtenagentur Bloomberg sprach von einem “dramatischen Wandel”.
 
Sollte Bailey seinen Ankündigungen im Zuge einer späteren wirtschaftlichen Erholung Taten folgen lassen, wäre dies bemerkenswert.
Wertpapierkäufe von Zentralbanken sind aus der Sicht wohl der allermeisten Ökonomen aus wirtschaftlicher Sicht ein legitimes geldpolitisches Instrument – jedenfalls in mit ernsten Deflationsgefahren verbundenen Krisen, in denen Zinssenkungen entweder nicht mehr möglich sind oder als alleiniges Instrument nicht mehr ausreichend erscheinen. Auch der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, hat schon vor rund zwei Jahrzehnten öffentlich darauf verwiesen, dass im Falle des Falles auch die EZB über die Möglichkeit umfangreicher Käufe von Wertpapieren verfügen müsse.

In der Praxis werden Zentralbanken bei umfangreichen Käufen von Wertpapieren am Markt für Staatsanleihen nicht vorbeigehen können, denn die Märkte für Staatsanleihen sind liquider als die Märkte für Unternehmensanleihen. Aus geldpolitischer Sicht hat eine solche Strategie Sinn: Nach empirischen Untersuchungen wirken Anleihekäufe, wenn überhaupt, am ehesten in Krisen. Die von manchen deutschen Ökonomen bis heute vertretene Auffassung, Käufe von Staatsanleihen seien grundsätzlich Teufelszeug, ist in internationaler Betrachtung aus gutem Grund eine Verwunderung erzeugende Außenseiterposition.
 
Beim durchaus nützlichen, vorübergehend eingesetzten Kriseninstrument ist es allerdings nicht geblieben. Und daraus entstehen nicht nur juristische, sondern auch ökonomische Probleme. So fällt auf, dass selbst in wirtschaftlich besseren Zeiten eine deutliche Rückführung der Wertpapierbestände nicht gelingt, weil Zentralbanken auch nach dem Ende von Anleihekaufprogrammen fällig werdende Anleihen durch neue Papiere ersetzen.

In den Vereinigten Staaten beispielsweise hat die Fed im Herbst 2014, also rund fünf Jahre nach dem Ende der Rezession, angekündigt, ihre Anleihebestände nicht weiter aufzustocken. Erst im Herbst 2017, also acht Jahre nach der Rezession, begann sie mit einer vorsichtigen Reduzierung ihrer Anleihebestände – allerdings nicht durch Verkäufe, sondern nur durch den Verzicht auf den Ersatz fällig werdender Anleihen durch neue Papiere. Dieser Prozess dauerte drei Jahre, in denen die Bilanzsumme der Fed zwar von 4,5 auf 3,8 Billionen Dollar sank, im historischen Vergleich damit aber noch sehr hoch blieb. Im Herbst 2019 hörte die Fed damit auf, obgleich die Wirtschaft immer noch wuchs. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise und neuen Programmen ist die Bilanzsumme unterdessen auf 7,1 Billionen Dollar gestiegen.

In Europa, wo die EZB später als die Fed mit Anleihekäufen begonnen hat, ist es nicht einmal zu einem vorübergehenden Abschmelzen von Anleihebeständen gekommen. Mittlerweile wachsen sie als Folge der Krise wieder. Die Bank von Japan, die früher als andere Zentralbanken mit Anleihekäufen begonnen hat, schaffte es zwar einmal, über mehrere Jahre ihre Bestände an Staatsanleihen zu reduzieren. Aber dieser Prozess kam 2009 zu einem Halt. Seitdem sind die Bestände an Staatsanleihen von 41 auf 479 Billionen Yen gestiegen. In diesem internationalen Umfeld erstaunt es nicht, dass Andrew Bailey, der Chef der Bank of England, mit seiner Ankündigung von künftigen Verkäufen britischer Staatsanleihen für Aufregung sorgte.

Die unmittelbare geldpolitische Bedeutung sehr großer Bilanzen von Zentralbanken ist unzureichend erforscht. Aber aus einer polit-ökonomischen Sicht besteht die Gefahr, dass die Zentralbanken in eine wachsende Abhängigkeit von Regierungen und Finanzmärkten geraten. Wenn eine Zentralbank wegen steigender Inflationsgefahren ihre Zinsen erhöht, sinken die Kurse umlaufender Anleihen, was besonders jene Banken stark treffen könnte, die umfangreiche Bestände an Staatsanleihen ihres Landes halten.

Zentralbanken machen sich angreifbar, indem sie in einer Welt niedriger Zinsen und Inflationsraten mit Verweis auf eher vage Deflationsgefahren umfangreiche Anleihekaufprogramme lanciert haben. Dies gilt zum Beispiel für die EZB, die in und nach der Finanzkrise von 2009 eher Anlass für ein Anleihekaufprogramm besessen hätte als im Jahre 2015. Zumindest hätte das Programm, als keine Deflation mehr drohte, früher beendet werden müssen. Stattdessen wurde es mit der Begründung fortgesetzt, die Inflationsrate sei zwar positiv, liege aber unter der Zielmarke von knapp unter 2 Prozent. Die Erfahrung zeigt jedoch zweierlei: Erstens lässt sich die Inflationsrate von einer Zentralbank nicht punktgenau auf die Stelle hinter dem Komma steuern. Und zweitens richtet eine Inflationsrate, die 0,8 oder 1,2 Prozent beträgt und damit unter der Zielmarke von knapp unter 2 Prozent liegt, keinen schweren wirtschaftlichen Schaden an.

Mit der expansiven Geldpolitik ist es so gekommen wie mit der expansiven Finanzpolitik. Beide Instrumente sollten in schweren Krisen eine Rolle spielen, aber die Finanzpolitik ist in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern über Gebühr strapaziert worden, so dass heute nicht wenige Länder, die in der aktuellen Krise auf sie zurückgreifen müssten, keine ausreichenden Spielräume mehr haben. Ähnlich ist es mit der Geldpolitik. Expansive Geldpolitik hat in schweren Krisen ihre Berechtigung, und vor allem in einer Situation, in der Leitzinsen nicht mehr gesenkt werden können, müssen Zentralbanken in der Lage sein, Programme zum Ankauf von Wertpapieren aufzulegen. Aber auch dieses Instrument ist durch Überbeanspruchung zur falschen Zeit entwertet worden.
 
Wer es sich erhalten will, wird in einer künftigen Erholung à la Bailey vorgehen müssen: Anleihen darf man auch verkaufen. Weder die Mehrheit des Zentralbankrats der EZB noch die das Hohelied der Anleihekäufe preisenden Chorknaben an Finanzmärkten und in Studierstuben der Ökonomen scheinen das bisher bemerkt zu haben.

 


25 Lesermeinungen

  1. Duke_van_Hudde sagt:

    Hyperinflationen
    entstehen dann ,wenn die Zentralbankbilanz ausreichend schlecht ist und gleihzeitig sich niemand findet(Staat?) der die Zentralbank rekapitalisieren will und kann.
    Wenn beide Punkte gegeben sind werden sich Spekulanten finden die Zentralbank anzugreifen und die werden den Kampf am Ende auch gewinnen.
    Die Fälle Bundesbank 1973 und Tschechien ca 2002 -2014 sind alleine daher schon weg, weil jeder davon überzeugt war das irgendwer die Zentralbank rekapitalisieren würde. Dazu waren in beiden Fällen die Zentralbankbilanz nicht schlecht genug.
    Das was leider viele übersehen das die Ausweitung der Zentralbankbilanz
    nicht automatisch in die Hyperinflation führt solange die Assets die die Zentralbank für das neu geschaffene Zentralbankgeld kauft werthaltig und schnell zu verkaufen sind um das Zentrlabankgeld wieder einzusammeln. Nur sehr langfristig wird sie bei immer weiter steigender Bilanz immer schwerer werthaltige Assets kaufen.
    1923 ist der Geldmenge explodiert und es wurde immer mehr Schrott in die Bilanz genommen.(Hyperinflation)
    Nachdem die Zentralbank dann wieder rekapitalisiert und die Reichsmark/Rentenmark eingeführt wurde ist die Geldmenge weiter extrem gestiegen(Aktor 15 innerhalb eines Jahres), aber die Zentralbank hatte statt absoluten Schrott wie 1923 gute/kurzfristige Assets in der Bilanz. Es kam daher zu keinen erfolgreichen Angriff der Spekulanten ,da die Zentralbank im Notfall die Geldmenge locker hätte einsammeln können.

    Was man dazu beachten muss ist das wenn die Hyperinflation los geht und das passiert durch eine massive Abwertung der einheimischen Währung, dann geht das alles ziemlich schnell.
    Dazu sollte man eher die Zentralbankbilanz als solches und nicht nur die Zentralbankgeldmenge betrachten. Auch sollte man schauen ob die Staaten willig und fähig sind die Zentralbank im Notfall zu rekapitalisieren.

    Was die EZB angeht sollte umstrittig sein das sich die Zentralbankbilanz seit Jahren sich deutlich verschlechtert und man kein Stop sieht und diesen Stop in England fordert schlauer Weise Andy Haldane. Die andere Frage ist ob eine Zentralbank die eine riesige Menge an Staaten als Eigentümer hat fähig und in der Lage ist gut die Zentralbank zu rekapitalisieren. Hier sehe ich die USA,Japan und England klar im Vorteil.
    Bei weiten sehe ich die Qualität der EZB Bilanz nicht so schlecht an wie die der Reichsbank 1922/1923.
    Die grösste Gefahr sehe ich noch dadrin das Italien aus dem Euro austritt und die in Euro lautendene Staatsanleihen als Wertlos erklärt oder Zwangsumtauscht und in Neulira.
    Wie wahrscheinlich man das hält muss jeder selbst wissen.

    Das viele vor allen langlaufende Staatsanleihen die Gefahr verstärken das die Qualität der Zentralbankbilanz sich verschlechtert sollte jeden klar sein, aber zu Hyperinflation kommt es erst wenn beide oben genannten Bedingungen erfült sind.
    Man könnte jetzt noch über die Quanitätsgleichung schreiben, aber dann wird das ganze noch länger.

    .

    • Gerald Braunberger sagt:

      Sie schreiben:

      “Hyperinflationen entstehen dann ,wenn die Zentralbankbilanz ausreichend schlecht ist und gleichzeitig sich niemand findet(Staat?) der die Zentralbank rekapitalisieren will und kann.”

      Mit Verlaub: Diese Argumentation ist konfus. Die Werthaltigkeit einer Währung ist unabhängig von Ertragskraft einer Zentralbank. Das Beispiel Tschechiens und der Bundesbank belegt sogar das genaue Gegenteil. Eine Zentralbank, deren Währung auch international sehr stark ist, riskiert, dass ihre Auslandsanlagen auf der Aktivseite der Bilanz an Wert verlieren. Das ist in diesem Falle ein Zeichen der Stärke einer Währung, nicht der Schwäche.

      Gruß
      gb.

  2. regula2 sagt:

    Poooffff !
    Kürzer gesagt: Man kann einen Luftballon lange aufblasen, aber irgendwann macht es pooofff und er ist geplatzt. Das dürfte auch diesem Ballon nicht erspart bleiben.

  3. xuxu490p73 sagt:

    Haste keinen, schnitz Dir einen ...
    … einen Gläubiger, der nicht so genau – ach was sag ich!? – überhaupt nicht hinschaut … und auch die letzten (Italien kurz vor Ramsch-) Anleihen praktisch unbegrenzt kauft. EZB als europäische Regierungsdruckerei, Finanzmärkte? => abgeschafft! (Ist nicht der einzige Markt, der gerade abgeschafft wird.) … Aber Europa wächst zusammen, wie schön! Ich muß sagen, daß mich diese alberne pseudowissenschaftliche und juristische Diskussion über das, was die EZB soll, darf oder nicht darf … allmählich ermüdet. Ein Punkt noch: “Green Deal” … da platzt mir immer noch die Hutschnur, wie man so schön sagt. Nullzinspolitik ist die Aufforderung zur Ressourcenverschwendung = Umweltzerstörung: Konsumenten! konsumiert was ihr nicht braucht, mit Geld das ihr nicht habt! Investoren! investiert, selbst wenn die Rendite negativ ist … Alte Politikermasche … Moral predigen, aber faktisch das Gegenteil tun …

  4. Zoernheim sagt:

    Zustimmung
    Klar, Zentralbanken müssen auch Anleihen kaufen und verkaufen können. Das ergänzt einfach das traditionelle geldpolitische Instrumentarium. Erst wenn die Anleihekäufe das monetäre Gleichgewicht gefährden, wird daraus ein Problem. Das ist bei den Verschuldungsorgien derzeit sicher der Fall. Auch hier müsste eine gesetzliche Obergrenze fixiert werden. Wie im Fall der keynesianischen Verschuldung ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Staats-Schulden auch wieder abgebaut werden. So meinte es ja der viel gescholtene Keyenes mit seinem atmenden Haushalt. Das Problem von Deficit Spending und Quatitative Easing ist allein darin zu sehen, dass es kein Rückwärts gibt. Wenn sich Staaten erst einmal daran gewöhnt haben, sich über Schulden zu finanzieren, und so zum Verschuldungsstaat werden, haben wir ein Problem mit deren Glaubwürdigkeit. Und Fiatgeld wird eben nur durch Vertrauen zu einer wirklichen Währung. Die Zentralbankbilanzen sind dabei nicht das Problem. Soll und Haben sind immer ausgeglichen. Auf die Auswirkungen am Markt kommt es an. Und wie wollen die USA ihre Staatsschulden von rund 20 Billionen Dollar je abbauen ohne den Markt zu erschüttern? Und wie will die EU die Verschuldung je zurückfahren, wenn doch der Süden von den Transfers abhängt und die Steuern im Norden politisch nicht erhöht werden können? Sparen wäre die Lösung. Oder, Nachsparen, was man schon verfressen hat, wie Roland Bader sagen würde. Aber das geht politisch nicht. So dreht sich das Verschuldungskarussel immer weiter bis es keine privaten Nachschuldner mehr gibt und die Staaten sich nur noch bei sich selber verschulden können. Unter der Schuldenlast und der dabei entstandenen Zombiewirtschaft verlangsamt sich zuerst die Produktivität und damit das Wachstum und mündet in langes Siechtum. In Japan seit zwanzig Jahren zu besichtigen. Frühere Ökonomen redeten vom Geldschleier über der Realwirtschaft. Aber es ist nicht nur ein Schleier. Geld, das keinen realen Hintergrund hat, kann auch zum Strick werden, an dem sich eine Gesellschaft erhängt. Dass das lange gut geht, spricht nicht gegen das tragische Ende.

  5. AMaier1 sagt:

    Britische Revolution
    Der Ankauf von Staats-/neuerdings auch Unternehmensanleihen durch Zentralbanken scheint historisch eine “Neuheit” zu sein. Während die Auswirkungen diese Eingriffs in den Zinsmechanismus schon diskutiert wurden, sind m.E. die geldpolitischen Effekte sowie die Szenarien bei Fälligkeit dieser Verbindlichkeiten noch nicht dargestellt worden- etwa kann die Forderung der Zentralbank gegen den Staat einfach (ohne nachteilige Effekte) ‘ausgebucht’ werden (lese v. Bechtholsheim). Ich meine dies ist ein Geldschöpfungs-Thema, das anhand (früherer) einschlägiger volkswirtschaftlichen Studien untersucht werden sollte- hat dies nicht bereits Prof. Kapp, Straßburg, vor über 100 J. getan ? Die Meinung des EZB Chefvolksworts Lane dazu überzeugt mich nicht.

  6. Antesde sagt:

    Denke ich auch
    In komplexen Systemen gibt nie einen a priori Beweis. Aber es gibt steigende Plausibilität und Wahrscheinlichkeit. Was sich (je nach Gusto) natürlich auch beliebig bestreiten lässt. Zumindest, bis es soweit ist und selbst dann wird behauptet werden, dass man es vorher nicht wissen hätte können. Auch können die Zentralbanken ihre Rhetorik ändern und mit irgend einer Begründung den Inflationskorridor dynamisch erhöhen, sobald die Geldmengenexpansion sich über die Immobilienmärkte hinaus bemerkbar macht. Die dominierenden Südeuropäer stört das sowieso nicht, weil die Monetarisierung von Staatsschulden zu ihrem Brauchtum gehört.

  7. HL.Keizer sagt:

    Hartwig Baussmann - "Anleihenbesitzer hatten Kursgewinne"
    diese Kursgewinne hatte der Anleihenbesitzer aber nur, wenn er die Anleihen verkauft hat. Das Geld konnte er dann aber nicht mehr zinsbringend anlegen. Wo ist das Geschäft? Der Kurs der Anleihen bestimmt sich grob gesagt durch die zu erwartenden abgezinsten Zahlungen. Das gilt natürlich nur, wenn nicht von dritter Seite, z.B. EZB in den Markt eingegriffen wird. Die EZB betreibt Staatsfinanzierung, was aber nicht ihr Auftrag ist. Weder Vollbeschäftigung, noch soziale Sicherheit noch wirtschaftlichen Erfolg kann sie mit ihrer Politik bewirken. Wie wir feststellen müssen, kann sie nicht mal die Inflation der Verbraucherpreise bewirken.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Ich kenne eine Bank, die hat über einen längeren Zeitraum zehnjährige Staatsanleihen gekauft, sie nach einem Jahr mit Kursgewinn verkauft und dann neue zehnjährige Staatsanleihen gekauft, um das zu wiederholen. Die Gewinne waren nicht hoch, aber ordentlich. Und das ist der nur das einfachste Beispiel für einen “Ritt auf der Zinskurve”. Da gibt es noch ganz andere Verfahren…

      Man kann nicht einerseits eine Inflation von Vermögenswerten beklagen und gleichzeitig die These aufstellen, man könne damit kein Geld verdienen und der Sparer werde betrogen. Das ist ein Widerspruch in sich.

      Gruß
      gb

    • HL.Keizer sagt:

      Das ist ein Widerspruch in sich.
      das sehe ich nicht so. Unter Sparer verstehe ich in dem Zusammenhang den Kontosparer und den Altersvorsorger auf Rentenbasis, wie er in Deutschland üblich war und auch immer noch ist. Dass das möglicherweise keine sinnvolle Anlage darstellt, ist ein anderes Thema. Selbstverständlich gibt es verschiedene Möglichkeiten mit Kauf und Verkauf von Wertpapieren Geld zu vedienen. Ich hatte den Anleger (ob nun Bank oder jemand anders) im Sinn, der ein festverzinsliches Papier zur Langfristanlage gekauft hat. Wenn dieser die Anleihe verkauft um den Kursgewinn einzustecken, fallen die Zinseinnahmen für die Zukunft weg. Derzeit hat er keine risikolosen Neuanlagen. Insgesamt kann er also über die Laufzeit nicht mit höheren Einnahmen rechnen. Ob dies mit anderen Verfahren erreicht wird, sei mal dahin gestellt. Nur dabei geht es um eher spekulative Varianten. Keiner weiß wie sich der Zins entwickelt. Für den langfristig investierten Anleger also keine Alternative.

  8. HL.Keizer sagt:

    wirkt die traditionelle Geldpolitik noch?
    zu BB-Zeiten gab es die geldpolitischen Maßnahmen, z.B. Diskontsatz, Mindestreservesatz. Eine Senkung des Zinssatzes bei einem Minuszins wird nicht mehr den angestrebten Erfolg haben. Außerdem wurde die Marke von 2 % Inflation einfach ohne wirtschaftlichen Hintergrund festgelegt. Früher näherten wir uns solchen Marken von oben. Die BB versuchte die Inflation einzudämmen. Aber auch eine Inflation von 1,5 % ist eine Inflation. Warum muss die EZB dann noch weiterhin auf 2 % hinarbeiten? Mit der Offenmarktpolitik hatte die BB ein weiteres geldpolitisches Instrument. Das ist aber mit den heutigen Anleihekäufen nicht vergleichbar. Die BB agierte am Markt, um die Zinsen zu beeinflussen. Die EZB pumpt frisches Geld in den Markt, in dem sie z.B. von Staaten neu aufgelegte Anleihen den Banken umgehend abkauft. Das hat mit Geldpolitik nur noch wenig zu tun und führt letztendlich zu einer Kapitalfehlallokation und einer Inflation der Vermögenswerte. Nebenbei wird auch noch eine Vernichtung von Sparguthaben und Altersvorsorge billigend in Kauf genommen. Wie die EZB aus diesem Verhalten je wieder rauskommen will, scheint keinen zu interessieren. Selbst wenn man unterstellt, dass in bestimmten Situationen Anleihekäufe die richtige Medizin sind, die Dose aber immer weiter zu erhöhen, obwohl bereits die negative Wirkung erkennbar ist, ist aus meiner Sicht keine solide Geldpolitik. Wir hatten in den letzten Jahren nie eine Deflationsgefahr. Wir haben und hatten eine Euro- und Staatsschuldenkrise und jetzt eine Coronakrise. Wie in der Vergangenheit werden auch jetzt wieder hunderte von Mrd. € Kredite aufgenommen, letztendlich von der EZB finanziert. Auf den Gedanken vorher mal festzustellen, wieviel Geld eigentlich für was gebraucht wird, kommen die Politiker nicht. Sie stellen, wenn es nach vdL geht, eine viertel Billion € zur Verfügung. Abnehmer werden sich schon finden. Dabei ist vielen Unternehmen nicht mit immer mehr Krediten geholfen, sondern es wird Eigenkapital benötigt. “Das hat keine Zukunft” steht oben. Sehr richtig. Das führt direkt in die nächste Krise. Die EZB wäre gut beraten, wenn sie ihre geldpolitischen Instrumente überprüfen würde und die EU-Staaten, wenn sie solider haushalten würden. Es gibt nämlich ein Morgen, in dem unsere Kinder und Enkel auch noch gut leben möchten.

  9. Arbeiterklasse sagt:

    Wie kommen Sie darauf es gäbe eine Überbeanspruchung der Instrumente ?
    Ohne die Inanspruchnahme keine finanzielle Stabilität. So hätten wir das letzte Jahrzehnt noch weniger Wirtschaftswachstum gesehen. Die Frage ist ob es Sinn macht den Kuchen ein Jahrzehnt im Safe zu verschließen und nicht anzutasten oder ob man jährlich einen backt aber auch auf isst.

  10. Antesde sagt:

    Statt Überbeanspruchung nur der Start
    Deutschland hat, historisch gesehen, immerhin eine wichtige Erfahrung gemacht: Beginnt einmal die Inflationierung, kann sie vor ihrem Exzess nicht mehr angehalten werden. Ob diese Erfahrung heute noch eine Rolle spielt, ist eher fraglich. Alle skeptischen Äußerungen dürften reines Lippenbekenntnis sein. Das Gerede von Andrew Bailey und ebenso das schon länger anhaltende deutscher Ökonomen und Politiker wird in der Rückschau nur so einzuordnen sein.

    Das Agieren BOJ seit ca. 30 Jahren und seit ca. zehn Jahren auch das von FED und EZB lassen vermuten, dass der Zug längst abgefahren ist. Die Enteignung der Sparer für übergeordnete politische Ziele ist längst wieder Standard geworden. Ebenso wie zur Weimarer Zeit wird immerzu ausweglose Krise erkannt und per QE draufgehalten. Der Noch-Unterschied zu Weimar ist, dass es keine breit angelegte Güterpreis-Inflation gibt. Das deutsche Verfassungsgericht hat bei seiner Begründungsanforderung an die EZB zwecks Verhältnismäßigkeitprüfung allerdings darauf hingewiesen, dass die Folgen der Inflationierung per Preisexplosion auf Wohnungs- und Mietmärkten längst bei in der Breite angekommen sind.

    Was das BVerfG sagt, ist keine Außenseiterposition und noch weniger erzeugt sie “aus gutem Grund Verwunderung”. Ebensowenig ist erkennbar, warum QE “durch Überbeanspruchung zur falschen Zeit entwertet” sein sollte. Anleihenkäufe lassen sich unter beliebigen Gründen beliebig ausweiten. Dass Staaten in Abhängigkeiten von Zentralbanken kommen sollen, dürfte die falsche Perspektive sein. Das Gegenteil ist plausibler. Staaten bedienen sich der Zentralbanken zur Durchsetzung politischer Ziele. Griechenland wäre längst aus der EU ausgeschieden, wenn die Zentralbank nicht als Exekutivarm der EU-Politik agiert hätte. Es ist für Staaten zu komfortabel, Staatsschulden dank ihrer Preiskontrolle durch Zentralbanken preisgünstig und risikolos expandieren zu können, als auf diese Gelegenheit zu verzichten.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Sie schreiben:
      “Was das BVerfG sagt, ist keine Außenseiterposition und noch weniger erzeugt sie „aus gutem Grund Verwunderung“”

      Meine Feststellung bezieht sich offensichtlich nicht auf Bundesverfassungsgericht, das Anleihekaufprogramme ja nicht grundsätzlich ablehnt.

      Und die These, dass der Zug abgefahren und der Untergang unausweichlich ist, hört man schon seit Jahren, ohne dass der Untergang eintritt. Bis repetita non placent…

      Gruß
      gb

    • Antesde sagt:

      Es ist schon eine fortgeschrittene Entwicklungsphase
      Die Notenbankankäufe befinden sich offenbar in der Anfangsphase des exponentiellen Wachstums. Entscheidend dabei ist, dass die Akzeptanz für derartige Verfahren ungebrochen mitwächst. Was auch der Fall ist, wie sich an dem immer ungehemmteren Vorgehen der Zentralbanken erkennen lässt und daran, dass Kritiker inzwischen als Exoten gelten.
      Das interessante an exponentiellen Entwicklungen ist, dass man sie so lange ignorieren kann, bis die Selbstmultiplikation einen kritischen Punkt überschritten hat. Anschlieißende Normalisierungsversuche sind sehr schwierig, weil das System außer Kontrolle gekommen ist. Falls zutreffend, bedeutet Ihre Anmerkung in die Realität übersetzt eigentich nur, dass jedes Exponentialsystem andere Funktionsparameter hat und diese (formal) nicht oder nicht vollständig bekannt sind. Das ist richtig.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Ich behaupte, dass Sie Dinge behaupten, für die Sie keinen schlüssigen Beleg haben. Daran ändern auch Ablenkungen wie die Erörterung der Eigenschaften von Exponentialsystemen nichts.

      Gruß
      gb

    • Arbeiterklasse sagt:

      Bei diesen Inflationsraten kann man nicht von Enteignung sprechen.
      Im Gegenteil, die Anleihenbesitzer hatten Kursgewinne die denen des Durchschnitts des Aktienmarktes nicht viel nach standen. Zugegeben, für Neuanlagen gibt es kaum Zinsen und das Kursrisiko ist gestiegen. Aber die Geldentwertung wird solange nicht zu spüren sein wie die Wirtschaft in der Lage ist Produkte und Dienstleistungen zu liefern. Und das wird durch niedrige Zinsen und hohe Liquiditäsverfügbarkeit doch erleichtert. Was fehlt ist vielleicht die Nachfrage im unteren Lohnsegment, aber da haben wir ja hoffentlich jetzt einen überproportional steigenden Mindestlohn. Und sollte die Inflation durch hohe Löhne und Ölpreise getrieben, wie in den 1970ern steigen, dann muss man sich das ganz genau anschauen und wird vielleicht feststellen, die Reichen müssen etwas mehr von ihrem Reichtum abgeben, wollen sie sich eine Dienstleistung erbringen lassen. Arme machen es selbst oder lassen es ganz wenn man es nicht braucht. Auch der Hinweis auf die Inflation anfang der 1920er ist nicht hilfreich solange die Leser nicht exakt die Struktur und Umstände der damaligen Wirtschaft kennen.

    • Arbeiterklasse sagt:

      Ich zumindest wollte ja gar nicht das Griechenland aus irgend etwas ausser
      seiner Korruptionsanfälligkeit ausscheiden sollte. Warum sind Ihnen vernünftige politische Ziele, wie Vollbeschäftigung, Soziale Sicherheit, wirtscahftlicher Erfolg aller Europäer nicht so wichtig ? Ein Ausscheiden Griechenlands, nicht aus der EU , nicht einmal aus dem Euro, aber aus der Verpflichtung die griechischen Staatsanleihen zum größten Teil und in Euro zurückzahlen zu müssen wäre für uns Gläubigerstaaten und für die Wirtschaft insgesamt ein größerer Schaden als die Situation in der wir uns jetzt (aber vor Corona) befinden. Was ist es was Sie sehen was ich nicht sehen kann ? Das würde ich gerne wissen.

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