Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Warum Frauen so wenig Gehalt erwarten

Frauen erwarten weniger Gehalt als Männer. Der “Gender Pay Gap” beginnt schon bei den Wünschen. Was ist da los?

Bei der Präsentation (Foto: Getty)

Frauen verdienen in Deutschland weniger Geld als Männer. Diesem Satz stimmt wohl jeder zu. Doch gleich danach geht schon der Streit los: Wie viel weniger verdienen sie? Und woran liegt das? Eine neue Studie macht deutlich: Es liegt auch daran, dass viele Frauen andere Prioritäten haben – und zwar nicht nur die Frauen älterer Generationen, sondern auch junge Frauen, die noch nicht einmal angefangen haben zu studieren.

Frau bei der Arbeit

In den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt: Die Gehälter von Frauen und Männern unterscheiden sich am Anfang des Berufslebens gar nicht so sehr – bis die Kinder kommen. In kaum einem anderen Land verlieren Mütter so viel von ihrem früheren Verdienst wie in Deutschland. Fast jede zweite erwerbstätige Frau in Deutschland arbeitet Teilzeit. Männer dagegen steigern ihren Verdienst eher noch etwas, wenn sie Kinder haben.

Entsprechend ist der Verdienstunterschied (“Gender Pay Gap”) zwischen Männern und Frauen recht klein, solange sie noch keine 30 sind. Danach wird er aber deutlich größer.

Der ganz bereinigte Gender Pay Gap beträgt zwei Prozent

Insgesamt verdienen Frauen je Stunde 20 Prozent weniger als Männer, so gibt es das Statistische Bundesamt als “unbereinigten Gender Pay Gap” an. Vergleicht das Amt Männer und Frauen in ähnlichem Alter und mit ähnlicher Arbeit, dann verdienen die Frauen 7 Prozent weniger. Doch auch das ist nur ein Teil der Erklärung, denn die Statistik berücksichtigt nicht die Elternzeiten. Sie vergleicht Männer mit zehn Jahren Berufserfahrung mit Frauen, die vier Jahre Berufserfahrung und sechs Jahre Elternzeit haben. Wenn Ökonomen dieses Manko der Statistik beheben, kommen sie auf eine Gehaltslücke von 2 Prozent.

Unter ganz gleichen Bedingungen verdienen Frauen und Männer also recht ähnlich. Doch das ist nicht die ganze Debatte. Immer mehr richtet sich der Fokus darauf, dass Frauen nicht auf die Chefposten kommen. Unter 190 Vorständen der Dax-Unternehmen sind nur 27 Frauen. Viele Headhunter und selbst Frauen in Führungspositionen berichten, dass junge Frauen sich nach der Geburt ihres ersten Kindes oft mehr für die Familie interessieren als für ihr berufliches Fortkommen.

Die Europäische Zentralbank hat das im vergangenen Jahr für ihr Personal systematisch ausgewertet und festgestellt: Dass sie jahrelang so wenige Frauen beförderte, lag nicht so sehr an Diskriminierungen im Auswahlverfahren. Es lag vielmehr daran, dass sich so wenige Frauen um Beförderungen bewarben. Erst als Frauen im Auswahlverfahren doppelt so hohe Erfolgschancen hatten wie Männer, glichen sich die Beförderungszahlen an.

Warum bewerben sich Frauen seltener um Führungspositionen?

Über die Gründe für all das wird viel diskutiert: Liegt es daran, dass Jungen schon als Kinder mehr Lust auf Wettbewerbe haben als Mädchen? Und ist das eher angeboren oder eher anerzogen? Oder liegt es daran, dass die Frauen zu Hause mehr Verantwortung übernehmen? Führt das dazu, dass Männer und Frauen weibliche Chefs für weniger kompetent halten? Für all diese Erklärungsansätze gibt es zumindest Indizien. Jetzt kommt noch ein neuer Grund dazu: Frauen erwarten von vornherein geringere Verdienste – und zwar auch deshalb, weil ihnen anderes wichtiger ist als Geld.

Im Frühling erst zeigte eine Studie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dass Frauen mit geringeren Gehaltssteigerungen rechnen als Männer. Im „sozioökonomischen Panel“ wurden 710 beschäftigte Personen gefragt, wie hoch sie ihr Gehalt in einem, in zwei und in zehn Jahren schätzen. Dabei wurde deutlich: Männer erwarten höhere Gehaltssteigerungen als Frauen. Das gilt vor allem für junge Leute unter 35 und im besonderen für Akademiker: Die Männer rechnen damit, dass ihr Gehalt in zehn Jahren um mehr als 80 Prozent steigt, Frauen rechnen nicht mal mit 40 Prozent Zuwachs.

Solche Erwartungen können durchaus selbsterfüllend wirken – wenn sie nämlich dazu führen, dass Frauen sich eher aus dem Karriere-Rennen zurückziehen als Männer. Wer sowieso nicht an den großen Erfolg glaubt, der verzichtet auch eher auf die Anstrengungen, die im Rennen um die nächste Beförderung immer wieder nötig sind. Das stimmt einerseits. Andererseits zeigt eine neue Untersuchung, dass die Wirkung auch umgekehrt läuft: Wer von vornherein die Karriere nicht als höchstes Ziel im Leben hat, der erwartet entsprechend geringere Lohnsteigerungen.

Warum erwarten Frauen weniger Lohn?

Frisch veröffentlicht ist eine Untersuchung eines Teams der Universität Stuttgart-Hohenheim, das die Gehaltserwartungen von Studienbewerbern analysiert hat. An der Universität des Saarlandes wurden mehr als 2000 künftige Studenten nach ihren Gehaltserwartungen befragt. Während die Männer nach ihrem Studium durchschnittlich mit einem Monatsgehalt von fast 3600 Euro rechnen, schätzten die Frauen ihr Gehalt eher auf 3000 Euro – rund 20 Prozent weniger. Aus anderen Angaben im Fragebogen bekamen die Forscher Hinweise darauf, woran das lag. Am wichtigsten war die Wahl des Studienfaches: Frauen bewarben sich besonders oft um Studienplätze in den Geisteswissenschaften und in der Pädagogik, wo die Gehälter traditionell niedrig ausfallen. Männer bewarben sich oft in Mathematik, Informatik und Wirtschaftswissenschaften – das ist nichts Neues. Allein das sorgt aber für rund ein Drittel der erwarteten Gehaltsunterschiede.

Ebenfalls eine Rolle spielte, dass Männer sich ihrer Gehälter sicherer sind. Die Forscher verglichen die Gehaltserwartungen mit der Abiturnote und stellten fest, dass auch Männer mit schlechten Noten gerne mal mit hohen Gehältern rechnen. Nun mögen Männer von ihren eigenen Fähigkeiten traditionell überzeugter sein als Frauen. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Abiturienten die Diskussion über Gehaltsunterschiede mitbekommen haben. Jedenfalls macht es nicht viel aus: Das Selbstbewusstsein erklärt nicht mal ein Zehntel der erwarteten Gehaltsunterschiede.

Frauen berücksichtigen eher andere Faktoren als das Geld

Mindestens ebenso wichtig war ein anderer Faktor: Die Studienbewerber wurden auch gefragt, ob sie auf einen überdurchschnittlichen Verdienst Wert legen und ob die Gehaltsperspektiven für die Wahl ihres Studienfachs wichtig waren. Auch bei den Antworten auf diese Fragen gab es messbare Unterschiede zwischen Frauen und Männern. „Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen eher als Männer bei der Stellensuche andere Aspekte berücksichtigen als Geld“, schreiben die Autoren.

Denkbar ist vieles: flexible Arbeitszeiten, gutes Betriebsklima, Spaß an der Arbeit, vielleicht auch das gute Gefühl, Menschen zu helfen – und so weiter. Nicht auszuschließen, dass das schon bei der Berufswahl eine Rolle spielt.

Und da wird es grundsätzlich: Ist es in Ordnung, dass Frauen andere Vorlieben haben als Männer? Wenn es in Ordnung ist: Muss dann überhaupt noch etwas geschehen? Wenn sich die Vorlieben dagegen angleichen müssen: Wer muss sich dann ändern, die Männer oder die Frauen? Können Unternehmen besser auf die unterschiedlichen Vorlieben eingehen – oder schwächen sie sich dadurch selbst? Solche Fragen kann keine Statistik beantworten.

Sicher ist nur: Wenn junge Frauen jetzt so denken, ist die Wahrscheinlichkeit klein, dass sich die Gehaltslücke in den kommenden Jahren schnell schließt.

 

Social Media

Das Blog auf …

Der Autor auf …