Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Grenzen der Investitionspolitik

In der aktuellen Krise erhoffen sich viele Ökonomen wirtschaftliche Impulse von staatlichen Infrastrukturprogrammen, wie sie unter anderem der neue EU-Fonds vorsieht. Aber die kurzfristigen und die langfristigen Wirkungen einer solchen Strategie sind sehr schwer in Einklang zu bringen.

Projekte, die langfristig das Wachstumspotential der Wirtschaft steigern sollen, taugen als kurzfristige Konjunkturstimulans nicht viel. Umgekehrt leistet eine Politik, die vor allem auf eine kurzfristige Belebung der Konjunktur setzt, wenig bis nichts zur langfristigen Förderung des Wirtschaftswachstums. Zu diesen Ergebnissen gelangt eine aktuelle Untersuchung der amerikanischen Ökonomin Valerie Ramey. Sie beruhen vor allem auf Analysen für die Vereinigten Staaten; aber im Grundsatz gelten die Resultate auch für andere Industrienationen.

Ramey zeigt anhand mehrerer theoretischer Modelle, dass eine auf kurzfristige Konjunkturstimulierung in einer Krise angelegte expansive Finanzpolitik eher auf staatliche Konsumausgaben als auf staatliche Investitionen setzen sollte, weil der Staats schneller den Konsum anregen kann und weil staatlicher Konsum keine privaten Investitionen verdrängt. In einer Situation, in der es auf eine schnelle Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ankommt, wären im Zweifel sogar unproduktive Investitionen, über deren Implementierung rasch beschlossen wird, wirkungsvoller als Projekte, über deren langfristigen Nutzen die Politik erst noch lange nachdenkt. Dieser schon vor Jahrzehnten von dem Ökonomen John Maynard Keynes formulierte Gedanke gilt auch noch in unserer Zeit. „Ich ziehe den Schluss, dass Infrastrukturinvestitionen nicht der mächtigste kurzfristige Stimulus sein müssen“, schreibt Ramey.

Ganz anders sieht es aus, wenn mit staatlichen Investitionen die längerfristigen Wachstumsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft verbessert werden. Diesem Ziel sollen Investitionsprojekte im Rahmen des neuen EU-Fonds dienen, aber das Problem besteht darin, wirtschaftliche sinnvolle Projekte zu definieren, das das Wachstumspotential steigern und zur Produktivitätsentwicklung beitragen. Damit soll nicht gesagt sein, öffentliche Investitionen wären grundsätzlich sinnlos. So zeigen Studien für die Vereinigten Staaten, dass Investitionen in sauberes Wasser und die Stromversorgung sowohl die Lebenserwartung der Bevölkerung als auch die Produktivität gesteigert haben. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen Studien über die Wirkung des Baus von Fernstraßen und Eisenbahnstrecken.

Es ist aber vielleicht kein Zufall, dass es sich in diesen Fällen um Investitionen in für eine erfolgreiche Wirtschaft grundlegende Projekte wie die Strom- und die Wasserversorgung sowie um Transportwege handelt, die zum Teil schon vor 50 Jahren und mehr vorgenommen worden sind. Die Frage ist, ob es heute leicht fällt, ähnlich offensichtlich nützliche staatliche Projekte wiederum zu definieren. Denn eines ist klar: “Die langfristigen Multiplikatoren sind höher, wenn sich die Wirtschaft in einer Situation der Unterversorgung mit öffentlichem Kapital befindet.”

Das Problem ist: Ausgabefreudige Politiker und Ökonomen, die ganz grundsätzlich der Ansicht sind, es herrsche immer ein Bedarf an öffentlichen Investitionen, werden schnell Projekte für sinnvoll erklären, wenn sich ihnen ein modisches und im Publikum beliebtes Label wie “ökologisch” oder “nachhaltig” aufkleben lässt. Dabei sind produktive staatliche Investitionen vor allem auf der Ebene eine Zentralstaats nicht leicht zu finden. Auf regionaler und lokaler Ebene beschlossene Projekte böten eher die Aussicht auf langfristigen wirtschaftlichen Nutzen, schreibt Ramey. Andererseits können lokale Widerstände und sehr lange Genehmigungsverfahren mutmaßlich wirtschaftlich sinnvolle Projekte über Jahrzehnte verschleppen. Das lässt sich gerade in Deutschland beobachten.

Zum Schluss ist ein Effekt zu bedenken, der gerne in den Hintergrund gedrängt wird. Staatliche Investitionen gibt es nicht umsonst. Zwar werden in einer schweren Krise staatliche Investitionen sehr wahrscheinlich die Finanzierung privater Investitionen nicht erschweren, aber aus den Vereinigten Staaten sind andere Verdrängungseffekte beobachtet worden: Hier lässt sich zeigen, wie Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sogar in der Nähe der Nullzinsgrenze auf Jahre keine positiven Wirkungen bei der Beschäftigung hinterlassen. Ramey findet das Ergebnis “erstaunlich” und weiterer Analysen wert.