Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Lissaboner Langlauf (3): Strukturreformen und Privatisierungen

Strukturreformen und Privatisierungen gelten als ein probates Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir zeigen in unserer kleinen Portugal-Reihe, was das Land im Südwesten Europas unternommen hat. Von Gerald Braunberger

Strukturreformen und Privatisierungen gelten als ein probates Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Wir zeigen in unserer kleinen Portugal-Reihe, was das Land im Südwesten Europas unternommen hat.

Von Gerald Braunberger

Die Straßenbahn in Lissabon (Foto: Reuters) Reformen und Privatisierungen sind Bestandteil des im Frühjahr 2011 vom IWF und den europäischen Partnern beantragten Hilfsprogramms. Informationen liefert eine Präsentation des portugiesischen Finanzministeriums vom Januar 2013 und der jüngste Bericht der “Troika” aus dem Herbst 2012. Die nachfolgende Aufzählung ist nicht vollständig.

 

1. Strukturreformen: 

Arbeitsmarkt:
Die Zahl der Arbeitstage steigt um bis zu sieben Tage im Jahr – es fallen drei Urlaubstage und vier Feiertage weg.
Die Hürden für Kündigungen einzelner Mitarbeiter werden verringert – das Leistungsprinzip kommt stärker zur Geltung.
Die Zeitdauer der Lohnfortzahlung nach Kündigungen wird verringert und auf den EU-Durchschnitt gebracht. *)
Die Reichweite kollektiver Lohnvereinbarungen verringert sich.

Güter- und Versorgungsmärkte:
Die Renten bisher geschützter Branchen wie Versorgung, Infrastruktur  und Telekommunikation verringern sich erheblich.
Die Energiemärkte werden liberalisiert.

Rechtswesen:
Es wurde ein Gesetz geschaffen, das Schlichtungen regelt, um die Zahl der Gerichtsverfahren zu reduzieren.
Die Regierung hat Reformen des Zivilrechts dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt.
Die Zahl der unerledigen Verfahren ist zurückgegangen.

Geschäftsverkehr von Unternehmen:
Es gibt ein neues Insolvenzrecht.
Das Wettbewerbsrecht wird den europäischen Standars angepasst.
Der Zugang zu bisher reglementierten Berufen wird erleichtert.
Mehr als zwei Drittel der EU-Dienstleistungsrichtlinie wurden umgesetzt.
Der Verwaltungsaufwand bei Entlassungen wurde reduziert.

In einer jährlich erhobenen internationalen Befragung von Unternehmen über die Attraktivität von Ländern schneidet Portugal mittlerweile sehr respektabel ab, auch wenn natürlich immer noch Verbesserungsmöglichkeiten existieren.

2. Privatisierungen:

Seit Herbst 2011 wurden bereits 6,4 Milliarden Euro erlöst – mehr als das gesamte Programm vorsieht.

Zunächst wurden 21,4 Prozent an dem Energieversorger EDP und 40 Prozent an dem Energieversorger REN an chinesische Investoren verkauft. Die beiden Unternehmen sind börsennotiert.
Kürzlich wurden 100 Prozent des Flughafenbetreibers Aeroportos de Portugal an ein Konsortium unter Führung des französischen Baukonzerns Vinci veräußert.

Aktualisierung 14. Februar 2013: Der Staat hat seinen Restanteil von 4 Prozent an EDP für 356 Millionen Euro an institutionelle Investoren verkauft.

Privatisiert werden sollen zudem:
– die Fluggesellschaft TAP
– das Postunternehmen CTT
– das Wasserunternehmen Aguas de Portugal
– das Versicherungsgeschäft der Sparkassen
– das Frachtgeschäft der Bahn CP Carga

Außerdem sollen Konzessionen vergeben werden für den Betrieb:
– des Personennahverkehrs in Lissabon und Porto
– der Seehäfen

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*) Sehr interessant ist eine aktuelle Arbeit von Faia/Lechthaler/Merkl, die aus makroökonomischer und damit geldpolitischer Sicht eine Annäherung der Entlassungsregeln in der Währungsunion für notwendig halten.

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Die ersten beiden Teile unserer kleinen Portugal-Reihe sind bereits erschienen:

Lissaboner Langlauf (1): Portugals Probleme reichen weit zurück – aber die Märkte zeigen Optimismus
Lissaboner Langlauf (2): Austerität ist notwendig – ein Vortrag von Finanzminister Vítor Gaspar

Außerdem haben wir vor nicht allzu langer Zeit einen Zweiteiler über Spanien in FAZIT gebracht:

Das spanische Paradoxon (1): Warum steigen die Exporte, obwohl die Wirtschaft (angeblich) nicht wettbewerbsfähig ist?
Das spanische Paradoxon (2): Spanien muss sich aus der Krise exportieren

 

Foto: Reuters

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