Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Tötet der Markt die Moral – und Mäuse?

Auf Märkten müssen Mäuse sterben - das war die spektakuläre Folgerung eines Experiments im vergangenen Jahr. Dagegen gibt es jetzt heftigen Widerstand.

© George Shuklin, CC BY-SA 1.0Hausmaus

Der Markt tötet Mäuse: Es war ziemlich spektakulär, als die Verhaltensökonomen Armin Falk und Nora Szech im vergangenen Jahr ein Experiment in “Science” veröffentlichten, aus dem sie folgerten: Märkte schaden der Moral – und senken bei Menschen die Schwelle, Mäuse zu töten. Gegen diese Interpretation regt sich allerdings Protest unter prominenten Ökonomen.

Das Experiment funktionierte so: Labormäuse, die sowieso sterben sollten, bekamen die Chance zu überleben, wenn die Versuchsteilnehmer in einem ökonomischen Experiment auf Geld verzichteten. Das geschah in drei Varianten: In der ersten wurden die Leute direkt gefragt, ob sie zehn Euro bekommen wollen oder lieber die Maus retten. In der zweiten mussten jeweils zwei Leute verhandeln, wie sie insgesamt 20 Euro aufteilen wollten. Wenn sie sich einigten, bekamen sie das Geld, und die Maus starb. In der dritten Variante gab es einen Markt ähnlich einer Börse, auf dem sich Paare zur Aufteilung der 20 Euro bilden konnten (eine “double auction”). Fand sich ein Paar, bekamen es das Geld, und eine Maus verlor ihr Leben.

Schon kurz nach dem Artikel hat Experimentalökonomik-Doyen Joachim Weimann die Folgerungen kritisiert. Jetzt hat er gemeinsam mit Friedrich Breyer eine sechsseitige Kritik an der Ausgangsstudie aufgeschrieben. Und Monopolkommissions-Mitglied Justus Haucap lobt die Kritik auf Twitter als “sehr guten Kommentar”. Falk und Szech verteidigen ihre Folgerungen.

In der Auseinandersetzung geht es darum, ob man Menschen oder Mäuse zählen sollte, ob es in dem Versuch überhaupt um Märkte geht – und was ein Markt ist. Hier sind die Streitpunkte vereinfacht zusammengefasst:

Was ist ein Markt?

Die Kritiker argumentieren: In einem normalen Markt (zum Beispiel in einem Supermarkt) kann gar niemand über den Preis verhandeln, stattdessen muss jeder den Preis hinnehmen, den er bekommt. Wer also im Labor einen Markt abbilden will, muss einzelne Leute fragen, ob die Maus sterben soll. In dieser Variante des Versuchs haben weniger Menschen die Mäuse in den Tod geschickt.

Falk und Szech antworten: Gerade an Börsen und auf Handelsplattformen im Internet wird über Preise verhandelt. Und zwar genau so, wie es in der dritten Variante des Versuchs geschah. Darin haben sich besonders viele Menschen für den Tod der Mäuse entschieden.

Menschen oder Mäuse zählen?

Die Kritiker argumentieren: Es kommt nicht so sehr darauf an, wie sich die Menschen entscheiden. Wichtiger ist, wie viele Mäuse überleben. Tatsächlich überleben in anderen Fällen ähnlich viele Mäuse.

Falk und Szech antworten: In den Markt-Varianten des Versuches müssen sich zwei Leute einig sein, bevor eine Maus stirbt. Deshalb müssten bei gleicher Moral auf den Märkten mehr Mäuse überleben. Aber das ist nicht der Fall. In der “Double Auction” werden sogar deutlich mehr Mäuse getötet als in der Einzelentscheidung. Also ist die Moral auf den Märkten schlechter.

Geht es in dem Experiment überhaupt um Märkte?

Die Kritiker argumentieren: Die unterschiedlichen Versuchsvarianten unterscheiden sich erheblich, nicht nur in der Entscheidungsweise. Sondern auch darin, ob einzelne Leute entscheiden oder mehrere gemeinsam. Es ist gar nicht klar, dass es wirklich am Markt liegt – vielleicht auch nur daran, dass mehrere Leute zusammenkommen.

Falk und Szech antworten: Es kommt nicht darauf an, was den Unterschied ausmacht. Auf Märkten ist die Moral schlechter – woran das liegt, war nicht Gegenstand des Experiments.

Und was kommt jetzt raus?

Die größten Gemeinsamkeiten haben Studienautoren und Kritiker wahrscheinlich in der Frage, wie genau die Moral verlorengeht. Schon in ihrer Ursprungsstudie weisen Falk und Szech darauf hin, dass die Leute auf Märkten ihre Schuldgefühle auf andere schieben können und dass sie beobachten können, wie andere über den Mäusetod denken – zwei wichtige Faktoren, die die Moral verschlechtern. Diese Faktoren wirken aber nicht nur auf Märkten, sondern in vielen Gruppen. Möglicherweise schwächt der Markt die Moral, aber möglicherweise tun das auch Abstimmungen und Diskussionsrunden – alles, wo mehrere Menschen zusammenkommen.

Korrektur: In der “double auction” sterben viel mehr Mäuse als in den Einzelentscheidungen. Diese Information ist jetzt ergänzt.

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