Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Wie verkrustet ist der Reichtum?

Thomas Piketty war auf der Frankfurter Buchmesse, um für die deutsche Ausgabe seines Bestsellers zu werben. Zwischendurch hielt er einen Vortrag an der Goethe-Universität. Fünf Ideen aus Vortrag und Diskussion.

© Frank RöthThomas Piketty an der Universität Frankfurt

“Es kommt selten vor, dass ein Vortrag über historische Wirtschaftsstatistik so viel Beifall erhält”, sagte der Frankfurter Ökonom Bertram Schefold am Ende von Pikettys Vortrag lächelnd. Zu Ehren des Pariser Wirtschaftswissenschaftlers war sogar der Botschafter der Französischen Republik aus Berlin an den Main gereist – keine geringe Anerkennung für einen Ökonomen.

Wir haben Pikettys aufsehenerregendes Buch “Das Kapital im 21. Jahrhundert” in FAZIT mehrfach behandelt, darunter in einer Rezension sowie in einem Beitrag, der ein langes Interview mit Piketty mit vielen Verweisen auf die Diskussionen über sein Buch verband. Ich will mich in diesem Beitrag auf Aspekte beschränken, die mir während Pikettys Vortrag, der überwiegend Daten und wenig Theorie transportierte, sowie in der anschließenden Diskussion aufgefallen sind.

 

1. Vermögensteuer als Inflationsersatz

Piketty bezeichnete das aktuelle Niveau der Staatsverschuldung in vielen Industrienationen als zu hoch. Er erinnerte daran, dass in der Vergangenheit hohe Schuldenberge oft durch hohe Inflationsraten abgebaut worden seien – und sowohl Frankreich wie Deutschland hätten dies in der Dekade zwischen 1940 und 1950 getan. Heute sei hohe Inflation keine Option mehr, aber bei Inflationsraten von Null und geringem Wirtschaftswachstum werde ein Abbau von Staatsschulden schwierig. Die von ihm vorgeschlagene progressive Vermögensteuer, deren Erlöse zur Schuldentilgung verwendet würden, gleiche einer “zivilisierten Version” der Inflation.

 

2. Staaten besitzen auch Vermögen

Piketty ist der Ansicht, dass in Europa eine Tendenz besteht, sich arm zu rechnen und die Bedeutung der Last, die künftigen Generationen durch Schulden aufgebürdet wird, überschätzt werde. Der Franzose verwies auf die erheblichen Vermögen der Staaten (Land, Immobilien, Infrastruktur, Unternehmen, …). Nach Schätzungen, die allerdings präziser sein dürften, entsprächen in Deutschland und Frankreich die Vermögen der Staaten in etwa den Staatsschulden. Rechne man nun noch die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenden privaten Vermögen hinzu, werde künftigen Generationen viel Vermögen vererbt.

 

3. Verteilungsthemen sind ideologiebelastet

Diskussionen über Verteilungsfragen sind nach Pikettys Ansicht häufig ideologisch beeinflusst. So tendierten Reiche gerne dazu, eine ungleiche Einkommens- oder Vermögensverteilung als vorteilhaft für die gesamte Gesellschaft zu bezeichnen. Piketty plädierte für mehr “common sense” in Verteilungsdebatten; Ökonomen könnten hierzu am ehesten einen Beitrag leisten und das Thema demystifizieren, indem sie sich theoeretischen und empirischen Arbeiten leisteten. Wiederholt verwies Piketty auf eine schwierige Datenlage besonders bei der Berechnung von Vermögensverteilungen. Von daher seien viele Forschungsergebnisse nur als provisorisch zu betrachten.

 

4. Die Mobilität unter den Reichen bleibt umstritten

Die Frankfurter Ökonomin Nicola Fuchs-Schündeln verwies auf viele Änderungen in der regelmäßig veröffentlichten Reichen-Liste des amerikanischen Magazins “Forbes”. Dies spreche nicht für eine starre Erbengesellschaft und wenn sich in dauernd neu entstehendem Reichtum unternehmerischer Erfolg zeige, könne dies ein Zeichen wirtschaftlicher Dynamik sein. Piketty antwortete darauf, dass seine Daten – er betonte wieder deren eingeschränkte Zuverlässigkeit – keine bedeutende Mobilität zeigten. Der Forbes-Liste gesteht Piketty auch keine große Zuverlässigkeit zu. Bekannte Unternehmer und ihre Vermögen seien meist öffentlich und erkennbar und könnten leicht in einer solchen Liste erfasst werden. Über Generationen vererbte Vermögen seien dagegen oft breit diversifiziert, intransparent und damit schwer zu schätzen.

Anschließend brachte Piketty ein Beispiel, mit dem er geringe soziale Mobilität zeigen wollte: Das durchschnittliche Einkommen der Eltern von Studenten der Harvard-University entspreche dem durchschnittlichen Einkommen der reichsten 2 Prozent unter der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten. Mit anderen Worten: Das Bild, dass Eliteuniversitäten die Kinder der Superreichen ausbilden, bleibt unverändert. Das ist in Frankreich etwas, aber nicht völlig anders: Das Durchschnittseinkommen der Eltern von Studenten an der Elite-Politikhochschule “Sciences Po” entspricht dem Durchschnittseinkommen der reichsten 9 Prozent der Bevölkerung in Frankreich.

 

5. Reiche legen Geld viel besser an

Ein Blick auf die Vermögensentwicklung zwischen 1987 und 2013 zeigt, dass Reiche (verstanden als die 10 Prozent mit den höchsten Vermögen) eine durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 6,8 Prozent auf ihre Vermögen verzeichnet haben gegenüber einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 2,1 Prozent für alle in der Statistik erfassten Menschen.