Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Wie kommt Wettbewerb ins Internet?

Facebook und Google haben viel Macht – über Nutzer und über Unternehmen. Ist die Macht zu groß geworden? Jetzt schaltet sich der Kartellamts-Präsident in die Debatte ein.

Im Google-Büro in Washington© AFPIm Google-Büro in Washington


Wer mit einem Unternehmen nicht zufrieden ist, geht zu einem anderen: So ist das normalerweise. Wer nicht gerne mit Lufthansa fliegt, fliegt eben Emirates. Aber wer mit Facebooks Datenschutz-Regeln nicht einverstanden ist – wohin soll der gehen? Eine richtige Alternative gibt es nicht.

Das Internet ist voller Monopole. Das verleiht Facebook, Google und Co. enorme Macht. Sind sie schon zu mächtig geworden? Haben sie sich so einen Vorsprung erarbeitet, dass sie gegenüber jedem Konkurrenten die Oberhand behalten werden? Ist der Wettbewerb jetzt nutzlos? Oder kann immer noch das nächste Startup kommen und sie mit einer neuen Technik in die Knie zwingen?

Ökonomik und Wettbewerbsrecht müssen ihre alten Glaubenssätze neu durchschütteln und gucken, welche noch auf das Internet passen. Seit Monaten diskutieren wir die Umstände auf FAZIT: Wir weisen darauf hin, dass auch ein kurzlebiges Monopol für seine Geschäftspartner oft unangenehm ist. Wir fragen, wie Google überhaupt zu seinem Monopol kam. Und wir gucken, welche Vorteile Google von seiner Datensammlung hat – ob Googles nächster Konkurrent wirklich immer nur einen Klick weg ist.

Jetzt hat Kartellamts-Präsident Andreas Mundt einen Einblick in die Überlegungen seiner Behörde gegeben. Auf einer Tagung der Ludwig-Erhard-Stiftung und des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit hat er einige Fragen formuliert, vor denen das Kartellamt und die Wettbewerbsrechtler seiner Ansicht nach stehen. Einige Fragen werden “FAZIT”-Lesern bekannt vorkommen, andere sind neu.

“Wir als Kartellamt konstatieren diese Marktmacht [von Google]”, sagt Mundt, “wir haben aber auch gesehen, dass marktstarke Unternehmen durch die Dynamik des Internet abgelöst werden konnten.” Das Kartellamt müsse darauf achten, dass die Macht großer Internetkonzerne bestreitbar bleibt. “Bei Google stellt sich die Frage: Ist dieser Wettbewerbsvorteil überhaupt noch einholbar?”

Wettbewerb bleibt wichtig

Nur einer Idee widerspricht Mundt deutlich: der Idee von Peter Thiel, dass Monopole besser seien als der Wettbewerb, weil sie mehr Geld hätten für ihre Mitarbeiter und für wichtige Fragen außerhalb des Kundeninteresses. “Das zeigt einmal mehr, dass gute Geschäftsleute keine guten Volkswirte oder gute Philosophen sein müssen.”
Aber Mundt gewinnt dem Gedanken auch eine Lehre ab: In der digitalen Welt ist es oft für die Verbraucher gut, wenn ein – angreifbares – Monopol entsteht, die so genannten “Netzwerkeffekte”. Die Idee dahinter: Für die Verbraucher ist es einfacher, wenn alle WhatsApp benützen, als wenn es 20 unterschiedliche Messenger gibt.

Welche Rolle spielen Daten?

Lange sagten Wettbewerbswächter: Für Datenschutz sind wir nicht zuständig. Jetzt aber räumt Mundt den Daten eine entscheidende Rolle ein. Erstens kennt kaum ein Unternehmen seine Nutzer und deren Vorlieben so gut wie Google oder Facebook. (Selbst Microsoft ist mit seiner Suchmaschine Bing nicht gegen Google angekommen. Google blieb immer die bessere Suchmaschine.) Können Internet-Unternehmen ihren Datenvorsprung nutzen, um sich die Konkurrenz vom Leib zu halten? Dann könnten sie auf Dauer zu mächtig und zu nachlässig werden. Zudem spielen die Daten aus Mundts Sicht noch eine andere Rolle: Als Bezahlung. Bisher habe das Kartellamt nur auf Märkte geachtet, auf denen Geld bewegt werde. “Zukünftig wird sich das Bundeskartellamt auch mit Märkten befassen auf denen kein Geld, sondern Daten fließen”, sagt Mundt.

Sind die Wettbewerbshüter schnell genug?

Noch vor kurzer Zeit machte sich das Kartellamt in Deutschland Gedanken darüber, ob Microsoft seine Marktmacht missbraucht hatte – dabei war Microsoft gar nicht mehr das Problem, sondern Google und Facebook. Mundt überlegt, wie die langen Verfahrensdauern im Wettbewerbsrecht mit der schnellen Realität im Internet zusammengebracht werden können.

Wie wichtig ist Regulierung?

Oft passen Regeln aus der alten Offline-Welt nicht zu denen im Internet. Das zeigt nicht nur der Mitfahr- und Taxidienst Uber. Auch E-Books werden anders behandelt als normale Bücher: Es wird mehr Mehrwertsteuer fällig, die Buchpreisbindung entfällt. Wie können die Regeln online und offline angeglichen werden? Und wie schafft man es, dass Politiker dann nicht immer die schärferen Regeln beschließen? Viele Regeln aus der Offline-Welt würden nämlich die spannenden Geschäftsmodelle im Internet von vornherein zerstören, fürchtet Mundt.

Der Kölner Ökonom Achim Wambach, Mitglied der Monopolkommission, sieht die Daten-Frage und noch zwei weitere Aspekte:

Geringe Umsätze

Oft werden im Internet Märkte schnell verteilt. Deshalb versuchen die Unternehmen, schnell einen großen Marktanteil zu erobern, und achten erst später auf den Umsatz. (Dazu kommt: Elektronische Geschäftsmodelle haben oft geringe Kosten und geringen Umsatz.) Deshalb sind die Umsätze oft noch klein, wenn Märkte verteilt werden. Als Facebook 19 Milliarden Dollar für WhatsApp ausgab, hatte WhatsApp für viele Wettbewerbsbehörden zu wenig Umsatz, um überhaupt relevant zu sein. Nur auf anderen Wegen konnten einige Behörden den Kauf doch kontrollieren.

Mehrseitige Märkte – wie in der Disco

Viele Unternehmen im Internet funktionieren wie die Disco: Sie bringen unterschiedliche Leute zusammen. Dann wird oft die schreckhaftere Gruppe bevorzugt, die eher abwandert – zu Lasten der treueren Gruppe. In der Disco haben oft die Frauen freien Eintritt, die Männer zahlen umso mehr. Im Internet werden oft die Verbraucher von den Unternehmen subventioniert; die Verbraucher zahlen weniger als die Grenzkosten ihres Produkts, manchmal gar nichts. Das sei nicht mehr unbedingt bedenklich, findet Wambach – das sei in der alten Welt oft anders gewesen. Wambach sprach von zweiseitigen Märkten zwischen Verbrauchern und Werbetreibenden, vor allem für Google scheint uns aber noch eine dritte Marktseite relevant zu sein: Die Webseiten-Betreiber.

Das sind viele Probleme für den Wettbewerb, doch es gibt auch zwei Eigenschaften im Internet, die den Wettbewerb stärken können

Das Internet ist billig

Wer in der elektronischen Welt ein Unternehmen gründen will, muss meistens nicht mehr viel Geld ausgeben. Rechenkapazität kann man mieten, und Software-Entwicklung ist meistens billiger als eine große Fabrik. Deshalb entstehen eher neue Firmen, die die alten herausfordern.

Nicht immer setzt sich einer durch

Manchmal müssen sich die Nutzer gar nicht für einen Anbieter entscheiden. Mancher Taxifahrer arbeitet gleichzeitig mit der Taxizentrale, mit Uber und mit MyTaxi zusammen. Das entlastet aber nicht jeden Markt. Ein gebrauchtes Auto zum Beispiel kann man nur einmal anbieten – entweder auf Ebay oder auf Mobile.de

Und was bedeutet das jetzt für die Praxis? Welche neuen Regeln sind nötig? Spätestens jetzt ist die Diskussion eröffnet.

____________________________________________

Das Blog finden Sie unter https://www.faz.net/fazit und auf:
Fazit-Blog auf Twitter Fazit-Blog auf Facebook

Der Autor auf: