Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Bücherkiste (13): Sind Finanzmärkte effizient oder ineffizient? Sie sind beides

Nobelpreisträger Gene Fama sagt: Finanzmärkte sind effizient. Nobelpreisträger Robert Shiller sagt: Finanzmärkte sind ineffizient. Der dänische Ökonom und Hedgefondsmanager Lasse Pedersen sagt: Finanzmärkte sind auf effiziente Weise ineffizient.

 

“I think this is the way Financial Economics will be taught in the future” (Markus Brunnermeier)

 

Dies ist ein außergewöhnlich interessantes Buch, weil es die Kenntnisse eines modernen, an erstklassigen Universitäten ausgebildeten und theoretisch versierten Finanzökonomen mit den Erfahrungen einer langjährigen Tätigkeit in einer bedeutenden Hedgefondsgesellschaft (AQR) verbindet. Lasse Pedersens Buch (“Efficiently inefficient”, Princeton University Press 2015) ist auf den ersten Blick ein ausführliches Werk über die sehr unterschiedlichen Strategien von Hedgefonds, unterfüttert mit Interviews erfolgreicher Fondsmanager.

Tatsächlich ist das Buch, das mehr als Anfängerkenntnisse erfordert und sich überwiegend an Theoretiker und Praktiker in Universitäten, Forschungsinstituten und in Finanzhäusern wendet, viel mehr: Es ist eine Art Manifest, wie heutzutage “Financial Economics” betrieben werden: Finanzmärkte sind weder völlig effizient noch völlig ineffizient, und die Ineffizienzen sind weniger das Ergebnis irgendwelcher animalischen Instinkte, sondern ergeben sich unter anderem aus Liquiditätsengpässen und einem Mangel an Kreditsicherheiten. Die Wirkungen solcher Marktstörungen können sich durch Rückkoppelungen erheblich verstärken und dann auch die Realwirtschaft ergreifen. Wir haben in FAZIT in den vergangenen Jahren viele aus diesem Forschungsprogramm entstandenen Arbeiten präsentiert; an dieser Stelle seien Hinweise auf Arbeiten Pedersens (hier und hier und hier) gestattet. Ein auf seinem Buch basierenden Vortrag hat Pedersen kürzlich an der Princeton University gehalten.

Was heißt nun “efficiently inefficient”? Pedersens Ausgangspunkt ist, dass auch Profis den Markt nicht leicht systematisch schlagen: “In reality, beating the market is far from easy”. Zahlreiche professionelle Marktteilnehmer sorgen dafür, dass die Finanzmärkte nicht völlig ineffizient sind. Andererseits würde es, worauf eine berühmte Arbeit von Grossman/Stiglitz hinweist, an einem völlig informationseffizienten Markt für die Marktteilnehmer keinen pekuniären Sinn machen, für Informationseffizienz zu sorgen, weil es für das dafür ausgegebene Geld keine Rendite bringt. Das ist ein wichtiger Grund, warum es in der Praxis völlig effiziente Märkte nicht gibt. Bisher ist es banal, aber nun definiert Pedersen sein Konzept konkret: “I believe that the truth lies somewhere in between thes extremes, but not just in some arbitrary middle ground. The truth is equally well-defined.”

Geben wir für die Definition wieder Pedersen das Wort: “Prices are pushed away from their fundamental values because of a variety of demand pressures and institutional frictions, and, although Prices are kept in check by intense competition among Money Managers, this process leads the market to become inefficient to an efficient extent: just inefficient enough that Money Managers can be compensated for their costs and risks  through superior Performance and just efficient enough that the rewards to Money Management after all costs do not encourage entry of new Managers or additional capital.” Das heißt: “In an efficiently inefficient market, money managers are compensated for providing a service to the market, namely providing liquidity – just like burger bars are compensated for the service of combining meat, salad and buns and delivering aburger in a convenient location.”

Pedersen bringt in seinem Buch eine einprägsame, wenn auch etwas schematische Aufstellung wichtiger Ausprägungen der herkömmlichen neoklassischen Theorie und der neuen Sichtweise, die hier in deutscher Übersetzung und etwas gekürzt wieder gegeben sei:

——————————————————————————————————-

Neoklassische Theorie                                               Effizient ineffiziente Märkte

——————————————————————————————————-

1. Modigliani/Miller-Theorem:                               1. Die Kapitalstruktur ist
Die Kapitalstruktur eines                                          relevant, weil Finanzierungs-
Unternehmens ist irrelevant                                    möglichkeiten begrenzt sind

2. Das Separations-Theorem gilt:                           2. Anleger wählen unterschiedliche
Jeder Anleger kann seine Präferenzen                  Portfolios, die von Finanzierungs-
durch eine Kombination einer risiko-                    möglichkeiten abhängen
losen Anlage mit dem Marktportfolio
darstellen

3. Capital Asset Pricing Model (CAPM)               3. Liquiditätsrisiken und begrenzte
gilt: Erwartete Renditen hängen vom                   Finanzierungsmöglichkeiten wirken
Marktrisiko ab                                                            auf erwartete Renditen ein

4. Gesetz des einheitlichen Preises und               4. Arbitrage ist möglich, da Preise
Black-Scholes gelten: Keine Arbitrage                 von Derivaten durch Nachfrage
möglich; Preise von Derivaten werden                beeinflusst werden
durch Basiswerte bestimmt

5.Makroökonomisch gelten die                             5. Kreditzyklen und Liquiditäts-
Theorie realer Konjunkturzyklen und                  spiralen beeinflussen des Zusammen-
Ricardianische Äquivalenz: Makro-                     wirken der Gesamtwirtschaft, der
ökonomische Politik und Finanzen                      Vermögenspreise und der
sind irrelevant                                                           Finanzierungsmöglichkeiten

6. Geldpolitik orientiert sich an der                     6. Zwei Instrumente: Leitzins
Setzung eines Leitzinses (Taylor-                         (Preis des Kredits) und Sicher-
Regel)                                                                          heiten (Menge von Krediten)

—————————————————————————————————————————–

 

Die bisherigen Beiträge der Reihe “Bücherkiste”:

Bücherkiste (12): Das geheime Erbe Ludwig Erhards

Bücherkiste (11): Alles Egoisten!

Bücherkiste (10): Weg mit den Schulden!

Bücherkiste (9): Die Festung der Makroökonomen

Bücherkiste (8): Dollar-Dominanz

Bücherkiste (7): Die Rückkehr der Erben

Bücherkiste (6): Die Rückkehr der Meister (Smith, Marx, Hayek)

Bücherkiste (5): Geld hilft selten aus der Armut

Bücherkiste (4): Die Bankenlobby redet Schwachsinn

Bücherkiste (3): Warum Nationen scheitern

Bücherkiste (2): Ökonomen für jedermann – Eine Reihe im F.A.Z.-Buchverlag nimmt Gestalt an

Bücherkiste (1): Wie uns Ökonomen vom Dunkel ins Licht führen – Anmerkungen zum neuen Buch von Sylvia Nasar