Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats und Professor an der Universität Würzburg, schaltet sich in die Debatte um die richtige Modellierung von Geld und Banken in makroökonomischen Modellen ein. Im FAZIT-Interview erklärt Bofinger güterwirtschaftliche und geldwirtschaftliche Modelle für unvereinbar. Die Folgen für die Debatte um die säkulare Stagnation zeigt er in einem neuen Arbeitspapier. Für die Lehre an den Universitäten ist aus seiner Sicht das ISLM-Modell immer noch geeignet.
Herr Bofinger, wie sehen Sie die Debatten zwischen Ökonomen um die Rolle des Geldes und der Banken?
Meines Erachtens ist den meisten Ökonomen dabei nicht bewusst, dass es dabei um den fundamentalen Unterschied zwischen einer realwirtschaftlichen und geldwirtschaftlichen Modellierung des Finanzsystems geht. Diese Unterscheidung war im Prinzip das zentrale Anliegen von Keynes und auch von Schumpeter.
Warum ist die Unterscheidung wichtig?
Weil geldwirtschaftliche und güterwirtschaftliche Modelle so weit auseinander liegen wie das kopernikanische und das ptolemäische Weltbild. Die Bewegungsgesetze der Ökonomie unterscheiden sich dabei diametral.

Wie begründen Sie das?
Das können wir anhand des Sparens zeigen. Im realwirtschaftlichen Modell ist das Sparen die Voraussetzung für das Investieren. In diesem Modell gibt es kein Geld, sondern ein Standardgut, das man entweder konsumieren oder investieren kann. Damit dieses Standardgut für Unternehmensinvestitionen frei wird, darf es nicht konsumiert werden, es muss gespart werden. Es ist kein Zufall, dass in den realwirtschaftlichen DSGE-Modellen der Sparer im Mittelpunkt steht. Daraus leitet sich auch die Rolle der Banken ab: Da die Banken das Standardgut nicht herstellen können, können sie nur als Intermediäre zwischen Sparern und Investoren vermitteln. Der Finanzmarkt, so beispielsweise Larry Summers, ist deshalb nicht anders zu sehen als der Markt für Weizen. Und wenn das Angebot der Sparer bei einem Zins von Null höher ist als die Nachfrage der Investoren, kann es zu einer „chronischen Sparschwemme“ kommen, die Summers mit dem Phänomen der säkularen Stagnation gleichsetzt.
Und wie sieht es in einem geldwirtschaftlichen Modell aus?
Ganz anders. Hier leistet das Sparen der Haushalte keinen positiven Beitrag zum Finanzmarkt. Das hat Keynes mit einem schönen Beispiel gezeigt: Wenn Sie heute Abend Essen gehen wollten und sich nun doch entschließen, zu Hause zu bleiben, haben sie einen höheren Geldbetrag auf ihrem Konto als geplant. Andererseits hätte der Restaurantbesitzer einen höheren Betrag auf seinem Konto, wenn Sie essen gegangen wären. Das Sparen verschiebt Geldbestände zwischen Haushalten und Unternehmen; es wird einfach Geld umverteilt, aber es werden keine Mittel freigesetzt, die für Investitionen eingesetzt werden könnten. Deswegen hat das Sparen der Haushalte im geldwirtschaftlichen Modell keinen direkten Effekt auf den Finanzmarkt.
Das sieht man im ISLM-Modell, nicht wahr?
Ja, das ISLM-Modell trennt hier sauber die güterwirtschaftliche und die finanzwirtschaftliche Sphäre. Die Sparentscheidung der Haushalte beeinflusst die Kurve für das Gütermarkt-Gleichgewicht (IS-Kurve), aber nicht die Kurve für das Geldmarkt-Gleichgewicht (LM-Kurve). In diesem Modell kann es auch keine „Sparschwemme“ geben, da es selbst bei einem Zins von Null immer ein Gleichgewicht von Sparen und Investieren auf der IS-Kurve gibt. Die Notenbank und das ganze Finanzsystem werden ausschließlich in der LM-Kurve abgebildet. Und in der LM-Kurve steckt ein Bankensystem, das nach Maßgabe des Geldschöpfungs-Multiplikators Geld schaffen kann, ohne zuvor auf einen Zufluss von Einlagen angewiesen zu sein.
Das entspricht aber dem alten, zurecht in der Kritik befindlichen Geldmultiplikator.
Das ist natürlich ein großer Schwachpunkt des Modells. Es unterstellt, dass die Notenbank die Kreditmenge und damit Geldmenge ausweiten kann, indem sie einfach die Geldbasis erhöht. Es wird also eine Kausalität in der Form unterstellt, dass eine höhere Geldbasis zu einer höheren Geldmenge führt. Wir haben aber seit der Finanzkrise gesehen, dass die Geldbasis in vielen Länder enorm gestiegen ist, ohne dass sie das in einer Ausweitung der Geldmenge niedergeschlagen hätte.
Nun steht in Ihrem Lehrbuch: So funktioniert das aber nicht.
Ja, in meinem Lehrbuch wird der Geldschöpfungsprozess preistheoretisch modelliert. Die Notenbank steuert den Geldschöpfungsprozess über den Leitzins und damit über die Zinsen am Geldmarkt. Die Kreditvergabe der Banken folgt dem Ziel der Gewinnmaximierung und dabei kommt der Differenz zwischen dem Zins für Bankkredite und dem Notenbankzins, der mit dem Geldmarktzins weitgehend identisch ist, eine zentrale Rolle zu. Für die sich dabei im Gleichgewicht einstellende Geldmenge stellt die Notenbank die erforderliche Geldbasis passiv zur Verfügung. Die Kausalität läuft hier also von der Geldmenge zur Geldbasis.
In Ihrem Lehrbuch steht auch: Banken sind nicht nur Finanzintermediäre. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass Banken für Sie auch Finanzintermediäre sind. Diese Funktion der Banken wird aber von manchen Kritikern bestritten. Was sagen Sie dazu?
Für jede einzelne Bank stellt sich das Problem, dass die von ihr durch Kredite geschaffenen Einlagen zu anderen Banken abwandern können. Sie muss sich diese dann durch Interbanken-Kredite wieder beschaffen. Dies gilt vor allem für große Banken wie die Landesbanken, die sich dann durch die Sparkassen refinanzieren. In diesem Sinne sind sie also auch Intermediäre zwischen den Inhabern von Bankguthaben, die bei Sparkassen gehalten werden, und den Kreditnehmern. Dabei ist nicht jede Bankeinlage Ausdruck von Sparen. Wenn jemand ein Grundstück oder eine bestehende Immobilie verkauft, ist das kein Sparen, sondern lediglich eine Vermögensumschichtung
Was bedeutet das jetzt für die Makroökonomik? Wie bringt man geld- und güterwirtschaftliche Modelle zusammen?
Überhaupt nicht. Wie in der Astronomie muss man sich für eines der beiden Weltbilder entscheiden. Entweder dreht sich die Erde um die Sonne, oder umgekehrt. Da gibt es keine Möglichkeit einer Synthese. Man kann das Finanzsystem güterwirtschaftlich abbilden, mit der „Loanable Funds“- Theorie, dann brauchen Banken das Standardgut von den Sparern, um Kredite zu vergeben. Oder man wählt eine geldwirtschaftliche Modellierung. Dann schaffen Banken mit der Kreditvergabe die Einlagen. Im güterwirtschaftlichen Modell stehen die Sparer im Zentrum, im geldwirtschaftlichen die Investoren.
Und wofür soll man sich entscheiden?
Realwirtschaftliche Modelle sind für die Abbildung der Prozesse in einem modernen Finanzsystem genauso überholt wie das Paradigma von Ptolemäus. Sie sind vor allem nicht in der Lage, die unglaubliche Dynamik des finanziellen Sektors abzubilden, wie sie in den Jahren vor der Finanzkrise in Ländern wie den Vereinigten Staaten, in Spanien oder Irland beobachtet werden konnte. Das erklärt ja auch, wieso die Ökonomen (und leider auch ich) nicht in der Lage gewesen sind, die Finanzkrise rechtzeitig zu erkennen. Das Denken im güterwirtschaftlichen Paradigma führt auch dazu, dass promiente Ökonomen wie Ben Bernanke und Mario Draghi die weltweit niedrigen Zinsen mit einem steigenden Sparen der privaten Haushalte zu erklären versuchen. Doch es zeigt sich empirisch, dass die Sparquoten der Haushalte weltweit deutlich gesunken sind und dass die gesamtwirtschaftlichen Sparquoten nach Abzug der Abschreibungen seit den achtziger Jahren zurückgegangen sind.
Und was bleibt dann noch?
Für den Hausgebrauch ist das ISLM-Modell gar nicht so schlecht. Es ist jedenfalls dem schlichten „Loanable Funds“-Modell weit überlegen. Es zeigt insbesondere, dass die weit verbreitete Diagnose einer weltweiten Sparschwemme nicht stimmen kann. Sie würde das Wirtschaftswachstum massiv bremsen. Aber wir haben für die vergangenen Jahre weltweit ein Wachstum, das höher liegt als in den achtziger und neunziger Jahren. Ich verwende in der Lehre eine dynamische Variante des IS/LM-AS/AD-Modells, bei der die Notenbank die Inflationsrate mit dem Realzins steuert. Mit einem einfachen Geldangebotsmodell kann man unter Berücksichtigung von Eigenkapitalanforderungen für Banken und Beschränkungen der Fristentransformation viele Phänomene, insbesondere die Finanzkrise, gut erklären.
Aber viele Ökonomen argumentieren gleichzeitig güter- und geldwirtschaftlich.
Das begann bereits mit Knut Wicksell, der für Gleichgewichtslagen güterwirtschaftlich argumentiert und für Ungleichgewichte geldwirtschaftlich. Paul Krugman und Michael Woodford versuchen sogar, das IS/LM-Modell aus dem „loanable funds-Modell abzuleiten. Manche glauben, dass das geldwirtschaftliche Modell für die kurze Frist, also bei starren Preisen gilt, das güterwirtschaftliche für die lange Frist, also bei flexiblen Preisen. Aber die Fähigkeit der Banken, Kredite aus dem Nichts zu schaffen, wird nicht davon bestimmt, ob Preise flexibel sind oder starr. Und wenn Banken dazu in der kurzen Frist in der Lage sind, sollten sich daran in der langen Frist nichts Grundsätzliches ändern. Wir haben es hier mit dem erstaunlichen Phänomen zu tun, dass die wissenschaftliche Revolution von Keynes, seine Erkenntnis, dass realwirtschaftliche Modelle völlig anderen Bewegungsgesetzen gehorchen als geldwirtschaftliche, über die Zeit völlig in den Hintergrund getreten ist. Und Keynes wurde so darauf reduziert, einfach ein Modell für die kurze Frist geschaffen zu haben.
Das Gespräch führte Gerald Braunberger
Zum Thema “Geld und Makroökonomik” sind zuletzt erschienen:
Bruchstelle und Anlehnungspunkte:Einige Ansätze zur Verständnis
“überholt”:
könnte mindestens zweierlei gedeutet werden:
A.1 analytische Deutungen unabhängig von empirische Data
A.2 synthetische Deutungen ausschließlich empirisch bedingt
B. Reduktionistische Behauptungen ,oder jeder Behauptung ist equivalent
einer logische Gedanken Konstruktion
Ähnliches wie Leibniz’s Wahrheit Räson bedingt und Wahrheit Data bedingt.
Wie auch immer “überholt ” [ihrer Artikel] ,muss ich gestehen ,ist nur
pragmatisch zu verstehen und erkennbar.
Wie vieles mehr im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich.
@ Konfusion
Lieber Herr Braunberger,
es tut mir leid, dass ich Ihre Geduld mit mir schon wieder auf die Probe stellen muss. Aber das, was von Ihnen und Herrn Heismann bislang angeführt wurde, trifft meines Erachtens nicht den wirklichen Kern in einem zweistufigen hierarchischen Kreditgeldsystem. Und um dieses Thema geht es hier; und nicht darum, ob Banken auch noch andere Dienstleistungen für ihre Kunden erbringen. Ich möchte Ihnen von daher etwas ausführlicher antworten.
Wir sind uns sicherlich einig, dass in einer funktionsfähigen Rechtsordnung an oberster Stelle in der Geldsystemhierarchie die Zentralbank steht. Aber wer steht alles an zweiter Stelle in dieser Hierarchie? Das sind ausschließlich die Banken, die unmittelbaren Refinanzierungszugang zur Zentralbank haben. Bis 1999 gab es in den USA ein striktes Trennbankensystem. Damit war klar dokumentiert, wer Zugang zur ZB hat und wer nicht und welche Kredite Geschäftsbanken an wen vergeben durften. Und genau auf diese sogenannten Investmentbanken sowie alle kleineren Geschäftsbanken ohne unmittelbarem Zugang zur ZB treffen dem Anschein nach all die Funktionen zu, die die klassische Bankbetriebslehre – und somit auch die VWL – typischerweise unter Finanzintermediation verstehen.
Ein Teil der von Ihnen angeführten Konfusion entsteht mAn nicht nur durch eine mangelnde Differenzierung zwischen einer einzelnen Bank und dem Bankensystem als Gesamtheit, sondern insbesondere durch die ungenügende Differenzierung zwischen Banken mit Zugang und solchen ohne Zugang zur ZB. Bei den Banken ohne Zugang werden vordergründig in der Tat die sogenannten Sichteinlagen in Kredit transformiert, ohne aber im juristischen Sinne selbst „verliehen“ zu werden. Dies muss immer aus einem bereits vorhandenen Bestand an „Einlagen“ geschehen, der zuvor von anderen Banken mit Zugang zur ZB eingeworben werden musste. Daraus ergibt sich dann aber ein Refinanzierungsbedarf bei den GBen mit Zugang und es kommt in diesem Kontext zu einer Ausweitung der ZB-Bilanz, sofern die bereits vorhandenen Reserven auf dem Konto bei der ZB nicht ausreichen sollten. Banken ohne Zugang zur ZB haben keinen direkten Zugriff auf die oberste Hierarchieebene, die alleine in der Lage ist, das gesetzliche Zahlungsmittel auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen, sondern sie müssen sich immer über den Interbankenmarkt oder aber über die Einwerbung von Einlagen finanzieren/refinanzieren und unterliegen insofern einem deutlich höheren Liquiditätsdruck.
L. A. Hahn hatte seinerzeit zwischen Primärbanken/Kreditschöpfungsbanken- und Sekundärbanken/Krediterscheinungsbanken differenziert. Allerdings vernebelt auch diese Unterscheidung den relevanten Sachverhalt, da auch eine Krediterscheinungsbank ohne Refinanzierungszugang über die ZB ganz gewöhnliche Kredite vergibt, wie jede andere Kreditgewährungsbank auch und somit zu einer Ausweitung der Geldmenge xyz beiträgt, die ja überwiegend durch die Kreditentwicklung (Gewährung/Tilgung) determiniert wird. Die Liquiditätslücke, die durch das Einwerben der Einlagen bei den Banken mit Zentralbankzugang entsteht, muss nun durch eine Refinanzierung am Interbankenmarkt oder aber über die ZB gelöst werden.
Die klare Trennung, die bis 1999 in den USA galt, gab es im deutschen Universalbankensystem so nie; von daher ist es wohl kein Zufall, dass mit dem Erstarken der DB 1999 unter dem Einfluss von Larry Summers diese Grenzen aufgehoben wurden. Die Folgen waren doch eher durchwachsen, um es höflich auszudrücken, da Investmentbanken selten das tun, was ihr Name eigentlich insinuiert, sondern über den nun möglichen Kredithebel via GBen mit Zugang zur ZB das ganz große Übernahmerad drehen konnten. Realwirtschaftlich passierte hier aber selten etwas Investives, sondern zahlreiche Unternehmen wurden ausgecasht und standen anschließend mit hohen Schulden als leere Hülle da (selbstverständlich gibt/gab es auch vereinzelte positive Beispiele). Insofern liegt die reale Funktion der meisten Investmentbanken eher im Bereich Rent Seeking bzw. Rent Extraction. Das Hauptproblem bei diesen Banken war aber deren kurzfristige Hebelfinanzierung, die in einem Trennbankensystem nicht möglich gewesen wäre. Nicht umsonst haben alle bedeutenden Investmentbanken im Zuge der Finanzkrise ihren Status geändert, damit sie ebenfalls Zugang zum lender of last resort bekamen.
Die Finanzkrise hat doch deutlich vor Augen geführt, worin der Unterschied besteht zwischen einer Kreditvereinbarung und einer Krediterfüllung. Vereinbarungen kann ich viele abschließen, aber für eine Erfüllung benötige ich immer Zentralbankgeld, sofern zuvor nichts anderes als Erfüllungsgegenstand vereinbart wurde. Und dieser feine Unterschied ist und bleibt nun einmal juristischer Natur. Die Ökonomie ist eine Teildisziplin der Sozialwissenschaften; genauso wie die Rechtswissenschaft. Mit singulär ökonomischen Argumenten kann man soziale Phänomene wie den Kredit nicht umfassend begreifen.
Eine echte Kreditintermediation im Sinne der LFT können übrigens nur Nichtbanken betreiben; denn dadurch ändert sich die Geldmenge xyz nicht und es gibt somit auch keinen zusätzlichen Bedarf an Zentralbankgeld.
Zu den Verwirrungen, die sich hier leider immer mal wieder selbst bis zur Bundesbank ihren Weg bahnen, siehe insbesondere diese Kritik von Renée Menéndez: https://soffisticated.wordpress.com/2014/11/14/schatten-ist-nur-dann-wenn-sonne-ist/.
Die unrühmliche Rolle, die Harvard bei dem ganzen Finanzdesaster gespielt hat, ist heute Thema bei der WiWo. Summers war von 2002 – 2006 Präsident dieser Einrichtung.
Und als Empfehlung für die Analyse weiterer Konfusionsursachen hier noch ein weiteres youtube-video: https://www.youtube.com/watch?v=evCpQQHiy0w&t=752s.
LG Michael Stöcker
Nix Konfusion, nur mal richtig hinsehen...
Hallo Herr Stöcker,
ich denke, Sie sollten in einem bestimmten Punkt die Begrifflichkeiten überprüfen, denn wenn Sie schreiben:
“Bei den Banken ohne Zugang werden vordergründig in der Tat die sogenannten Sichteinlagen in Kredit transformiert, ohne aber im juristischen Sinne selbst „verliehen“ zu werden.”
suggerieren Sie, daß es die Sichtforderungen sind (für meine Begriffe hat man – wenn überhaupt – Einlagen in den Schuhen) die “transformiert” werden. Das ist jedoch eine sprachliche Mißgeburt, weil die Banken ihr Schuldverhältnis zu ihren Kunden nicht transformieren, sondern allenfalls bedienen müssen. Gemeint ist natürlich, daß z.B. durch attraktive Zinsangebote eingeworbene Sicht- oder sogar Sparverbindlichkeiten zu einem Zugang an Zentralbankgeld führen und dieses und nur dieses dann als Grundlage für eine weitergehende Kreditgewährung dienen kann. Man sollte sich dabei daran erinnern, daß die Erhöhung des Verbindlichkeitsvolumens durch eine eingehende Überweisung dazu führt, daß der korrespondierende Geldbetrag in das Eigentum der Bank übergeht und eine Bank (oder Schattenbank) daher nur über das ihr zur Verfügung stehende Zentralbankgeldvolumen disponiert. Etwas anderes sollte sie auch nicht tun, denn das wäre schlicht und ergreifend Unterschlagung, wenn sie Aktiva verwenden würde, welche ihren Kunden gehören. Und wie gesagt, die Passiva einer Bank werden nicht “verliehen”, sondern höchstens bedient und das wie es sich gehört mit dem Geschuldeten, auch bekannt als Zentralbankgeld.
Viel interessanter an diesem Post ist jedoch, daß Bofinger auf den theoriegeschichtlichen Hintergrund verweist und damit die Frage der Intermediation zumindest was das neoklassische Theoriegebäude angeht anspricht: Neoklassik ist dann, wenn die Haushalte einen Güterhaufen nicht verbrauchen/nutzen wollen und diesen gegen ein Mehr-Quantum dieses Güterhaufens den Unternehmen zur Verfügung stellen. Ich erspare mir hier mal diese Geschichte noch weiter zu verkalauern, aber der Hinweis darauf, daß in der Neoklassik lediglich Saatgut “intermediert” wird, sollte man schon mal zur Kenntnis nehmen. Vielleicht fällt dem einen oder anderen noch ein mal den Begriff “Erstausstattungsökonomie” gehört zu haben. Dabei ist der Nichtkonsum der Erstausstattung das, was den Unternehmen (neben den Arbeitsleistungen) zur Produktion zur Verfügung gestellt wird, womit der Stellenwert der realen Gütererparnis für den Produktionsprozeß umfassend umrissen ist.
Neoklassische Intermediation besteht also aus dem Transfer der nicht konsumierten Güterhaufen zu den Unternehmen. Wenn Sie mich fragen ist ein derartiger Forschungsansatz gelinde gesagt etwas merkwürdig, was mir demgegenüber nicht einfallen würde ist zu bestreiten, daß es in der Neoklassik diese Art von Intermediation gibt. Denn der Hinweis darauf, daß Banken “Geldschöpfung” betreiben und dafür keine “Einlagen” der Haushalte benötigen geht doch an dem Objekt der Kritik völlig vorbei, denn dieses hat doch mit Geld überhaupt nichts zu tun. Es mag ja heroische Versuche verzweifelter Neoklassiker geben ihrer Realtheorie ein monetäres Mäntelchen umzuhängen um nicht ganz so albern dazustehen, aber das entspricht ja nicht der Grundanlage des neoklassischen Modells. Und wenn sogar ein Larry Summers zugibt, daß der Finanzmarkt nicht anders zu sehen ist, als der Markt für Weizen, so handelt es sich hierbei nicht um eine allegorische Verirrung, sondern um das Eingeständnis, daß in der Neoklassik Banken im Grunde genommen Weizenhändler sind – und das darf man dann auch wörtlich nehmen.
Viel interessanter wäre jetzt aber zu wissen, wie der Gegenentwurf aussieht, von dem Bofinger spricht, ohne dahingehend explizit zu werden. Immerhin gibt es einen Hinweis auf die Umkehrung der Initiativfunktion von den “Sparern” (aka Haushalte) zu den “Investoren” aka (produzierende) Unternehmen:
“Im güterwirtschaftlichen Modell stehen die Sparer im Zentrum, im geldwirtschaftlichen die Investoren.”
Bei dieser Umkehrung der ökonomischen Initiativfunktion geht es aber auch um Intermediation, denn Banken statten (idealtypisch gesehen) Unternehmen mit dem aus, was sie in Geldwirtschaften zum wirtschaften benötigen – nämlich ein vereinbartes und damit für den Kreditnehmer verfügbares Volumen über Zentralbankgeld, was sie entweder direkt als Barauszahlung oder indirekt als Transfer zu einem Zahlungsempfänger mit einem Standard begleichen müssen, den sie selbst nicht schaffen können. Und daher leiten Banken Zentralbankgeld, welches aus irgendeiner Quelle stammt an Zentralbankgeldverwender weiter, so daß auch hier eine Intermediationsleistung vorliegt. Nur: diesmal handelt es sich nicht um Weizen sondern um Zentralbankgeld. Von daher lohnt es sich überhaupt nicht die Intermediationsfunktion als solche zu bestreiten – sobald man darauf schaut, was der Gegenstand der Intermediation ist, erübrigt sich von allein jegliche Diskussion…
Statt Konfusion besser Fusion
Werter Herr Stöcker,
Ihren Ausführungen vermag ich durchaus zuzustimmen. Für wissenschaftliche Zwecke ist es m.M.n. unerläßlich, eine strikte Trennung von klassischen Banken und Finanzintermediären bezüglich Auswirkungen auf Geldmenge und Geldzins aufrecht zu erhalten. In der Praxis dürfte sich das kaum trennen lassen, zumal Banken sowohl-als auch sein können; bezüglich anderen Finanzinstituten lassen sich zwar de jure Trennlinien ziehen, jedoch ist das praktisch nicht mehr möglich.
Wichtiger erscheint mir Prof. Bofingers Ausssage von zwei ökonomischen Welten: Real und Finanziell. So kommen wir bestimmt nicht weiter! Mit parallelen Theorie-Universen quälten sich die Pysiker bei der Betrachtung des Lichts (Welle?Oder doch nicht?) Ewigkeiten herum. Aber Geld ist nicht ein doppeldeutiges Naturphänomen, es ist ein gedankliches Konstrukt. Realwirtschaft und Finanzwirtschaft sollten nicht durch den Begriff des Geldes getrennt werden, sondern sie gehören in eine Theorie zusammen.
Titel eingeben
Die Konfusion um den Begriff der “Intermediation” ist auch im englischen Sprachraum zu finden, hier zum Beispiel:
“Banks don’t “intermediate loans”, they “originate loans”, and they have every reason not to originate right now.”
https://www.forbes.com/sites/stevekeen/2016/01/06/note-to-joe-stiglitz-banks-originate-not-intermediate-and-thats-why-aggregate-demand-is-stuffed/#375677b845a3
Vielen Dank für die ausführliche Besprechung der Thematik in diesem Blog (wenn die Diskussion auch meines Erachtens ohne Ihren blasierten Unterton auskäme, Herr Braunberger).
Finanzintermediation
Ich will kurz auf eines hinweisen: Der Begriff Finanzintermediation wird in der ökonomischen Theorie nicht einheitlich verwendet; tatsächlich gibt es in mehrere Theorien der Finanzintermediation. Zumindest in der angelsächsischen Fachwelt werden auch Tätigkeiten wie die Reduzierung von Informationsasymmetrien sowie von Transaktionskosten als Tätigkeiten eines Finanzintermediärs bezeichnet – und in dieser Hinsicht sind auch Banken Finanzintermediäre.
Zu den Eigenarten dieser sehr merkwürdigen Debatte in der deutschen Blogosphäre gehört es, Banken nicht als Finanzintermediäre anzuerkennen, weil sie nicht vorhandene Einlagen ausleihen, sondern durch Kreditvergabe Einlagen produzieren. Diese Interpretation beruht auf einer außerordentlich engen Definition des Begriffs Finanzintermediation, mit dem man speziell in der führenden englischsprachigen Fachwelt bestenfalls Erheiterung ernten dürfte.
Gruß
gb
Komische Welten
Lieber Herr Braunberger,
dann will ich mir auch mal kurz einen Einwurf erlauben. Denn ich bin etwas verwundert. Wer irgendwas mit VWL und in der Vertiefung mit Geld studiert hat, sollte doch irgendwann bei der Frage “Warum gibt es Banken?” einmal darauf gestoßen sein, dass Banken als “Intermediäre” auftreten.
Was Sie als “Tätigkeiten” der Finanzintermediäre bezeichnen, sind ja alles ökonomische Gründe, warum es Banken gibt. (Wobei Informationsasymmetrien und Transaktionskosten ja irgendwo Hand in Hand gehen.)
Zumindest wurde bei mir im Studium so argumentiert. Dass die Modelle im Studium trotzdem total schräg und wirklichkeitsfremd sind, steht auf einem anderen Blatt (vollständige Konkurrenz, Banken machen keinen Gewinn, Eigenkapital gibt’s eigentlich auch nicht, sondern nur Einlagen…). ;-)
Möglicherweise resultieren die Konfusionen, von denen Sie schreiben, auch daher, dass die Geldschöpfung bei der Behandlung der Banken als “Finanzintermediär” ausgeblendet wird (und getrennt an anderer Stelle eine Behandlung erfährt, wiederum unter Ausblendung der Rolle als Finanzintermediär).
LG
ST
Sie haben Recht, dass es diese Konfusionen gibt.
Sie hängen auch damit zusammen, dass mit dem Begriff Bank häufig untrennbar die Geldschöpfung durch Kreditvergabe verbunden wird. Jetzt schauen Sie sich einmal die Bilanz einer Hypothekenbank an, da spielen die Einlagen eine deutlich geringere Rolle als die ausgegebenen Pfandbriefe. Viele Investmentbanken haben zumindest früher keine großen Bilanzsummen gehabt und gar kein traditionelles Einlagengeschäft betrieben (früher nannte man sie auch eher “Investment firm”).
Und ein Teil der Konfusion hängt damit zusammen, dass gelegentlich Betrachtungen einer Bank mit der Betrachtung eines Banksystems durcheinander gebracht werden.
Gruß
gb
Die Vielfalt der Intermediation
Lieber Herr Braunberger,
wenn ich dies noch ergänzen dürfte: Mich hat immer gewundert, dass Banken in den Blogs ausschließlich als Kreditgeber gesehen werden. Dabei tun die doch noch sehr viele andere Dinge, die ganz unzweifelhaft Intermediation sind.
Sie erwähnten bereits Investmentbanken. Eine reine Investmentbank vergibt keine Kredite, sondern vermittelt Finanzierungen am Kapitalmarkt: Sie unterstützt Firmenkunden bei der Emission von Anleihen und Aktien. Überdies beraten Investmentbanken bei Fusionen und Übernahmen. Bei allen diesen Aktivitäten „produzieren“ die Banken selbst nichts (außer mehr oder weniger guten Ratschlägen).
Auch die „normalen“ Banken leben zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von Vermittlungsgeschäften. Sparkassen und Volksbanken verkaufen ihren Kunden en masse Anlageprodukte wie Aktiensparpläne, ETF, Fonds, Lebensversicherungen etc. Alle diese Produkte haben die Banken nicht selbst erzeugt, sondern sie beziehen sie von Fondsgesellschaften und Versicherungen. Von den Kunden kassieren die Banken hierfür keine Zinsen, sondern Provisionen, also Vermittlungsgebühren.
Ganz ähnlich vermitteln Banken Firmenkunden Finanzinstrumente, die insbesondere kleinere Institute selbst gar nicht herstellen können: Factoring, Leasing, Exportbürgschaften, Instrumente zur Absicherung gegen Wechselkursrisiken etc. pp.
Schließlich haben wir in Deutschland noch eine ganz besondere Spezialität, nämlich Privatbanken wie Metzler in Frankfurt oder Warburg in Hamburg. Die betreiben allenfalls am Rande das Einlagen- oder das Kreditgeschäft; diese Bankhäuser spezialisieren sich vielmehr auf Vermögensberatung für vermögende Privatleute. Die betreuten Vermögen sind riesengroß, die Bilanzen aber klitzeklein.
Übrigens gibt es auch bei Firmenkrediten ein – typisch deutsches – Phänomen, bei dem nun wirklich niemand bestreiten kann, dass es sich hierbei um Intermediation handelt. Und dies sind die zinsgünstigen Kredite, die die öffentlichen Förderbanken wie die KfW und die Landesförderbanken vergeben. Diese Kredite werden von den Hausbanken beantragt und dann an die Kunden weitergeleitet. (Die Haftung teilen sich Hausbank und Förderbank.)
Mir hat mal ein Verantwortlicher einer sehr großen Bank in Frankfurt gesagt, dass sie ihr mittelständisches Firmenkundengeschäft zu einem sehr großen Teil mit den konkurrenzlos günstigen Globaldarlehen der KfW abdecken. Wenn das nun keine Intermediation ist!
Hier sieht man beispielsweise eine Definition von “Finanzintermediation” durch einen bekannten deutschen Bank-Prof:
“Financial Intermediation befasst sich mit dem Risiko- und Ertragsmanagement von Banken. Inhaltliche Schwerpunkte in diesem Bereich sind die Messung, Abbildung und Steuerung von Bankrisiken sowie Systeme des ertragsorientierten Bankmanagements und Bankkalkulation. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist hier die Berechnung des Value at Risk (VaR). ”
https://bank.uni-hohenheim.de/85524
Das zielt überhaupt nicht auf einen bestimmten Aspekt des Bankgeschäfts ab.
Viele Grüße
gb
Erheiterung oder doch ein juristisch-monetäres Trauerspiel?
Selbstverständlich kann man damit Erheiterung ernten. Das war schon immer so, wenn ein Paradigmenwechsel bevorstand und die alte Priesterkaste nicht mehr in der Lage war, ihre eigenen Glaubensvorstellungen zu reflektieren. Allein: Diese Glaubensvorstellungen dominieren bis heute das (deutsche) Denken. So schreibt die Bundesbank (Stand heute) in Ihrem Glossar:
„Als Finanzintermediär bezeichnet man ein Unternehmen, das Geldkapital von Anlegern entgegennimmt und an Kapitalnehmer weitergibt oder den Handel zwischen Kapitalgebern und -nehmern erleichtert. Der Begriff bezieht sich typischerweise auf Banken und Versicherungsgesellschaften.“ https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Service/Glossar/_functions/glossar.html?lv2=32030&lv3=62276#62276
Sehr ähnlich argumentiert Mike Brian, (vice president and senior economist at the Federal Reserve Bank of Atlanta), der viel Richtiges sagt, dann aber ebenfalls die Story in die falsche Richtung lenkt. Denn wo bitte schön hat der private Investor das Geld her? Es wächst ja bekanntlich nicht auf den Bäumen. Und sodann kommt die LFT-Story: https://www.youtube.com/watch?v=zOX_2HWvs1w. Es ist übrigens der offizielle Link der Fed Weiterbildungsseite aus dem Glossar zum Thema „Intermediaries“: https://www.federalreserveeducation.org/glossary/. Interessant ist wohl nicht nur für Herrn Heismann der Disclaimer.
Das Hauptproblem bei diesen ganzen fruchtlosen Diskussionen scheint mir die mangelnde Kenntnis des Trennungsprinzips zu sein. Wenn die englischsprachige Fachwelt hier weiter sein sollte (Perry Mehrling, Mike Brian sowie das Glossar der Bundesbank sind es jedenfalls bislang noch nicht), dann hilft uns dies in Deutschland herzlich wenig weiter. Geld ist ein Objekt der Rechtsordnung und nicht einer archaischen Tauschwirtschaft. Da sollte man schon in der Lage sein, zwischen einem Verpflichtungs- und einem Verfügungsgeschäft zu differenzieren. Wer dazu nicht in der Lage ist (die gesamte LFT-Fraktion), der darf gerne weiterhin erheitert von der Finanzintermediation fabulieren.
LG Michael Stöcker
Ökonomische Debatten gewinnt man mit ökonomischen Argumenten, nicht mit juristischen. Derartige Ausflüchte helfen nichts.
Von der modernen Theorie der Finanzintermediation kann jeder halten, was er will. Aber wenn man sich über sie äußert, sollte man sie zumindest grob kennen. Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass Sie bis eben nicht einmal von ihrer Existenz wussten.
Da hilft kein Buchungssatz und kein Link zu youtube-Videos.
Gruß
gb
Gesellschaft für Finanzintermediation
Es gibt sogar ein eigenes Netzwerk, das sich dem Thema widmet:
“The Financial Intermediation Research Society”
https://www.firsociety.org/firs2017.html
Gruß
gb
Vieles ist überholt// Nicht das Prinzip Verantwortung :
Immer wieder ,tagtäglich ,Versuch einer Ethik für die demokratische Zivilisation. [ Wissenschaftler wie Naomi Klein,Piketty oder Elizabeth
Kolbert / wie wichtig und verantwortungsvoll Journalismus sein könnte und ist !]
Dazu gehört die Berichterstattung der NYT,und insbesondere “DealBook”,July 20 -2017,”Deutsche Bank Ties to Trump under Scrutiny “.
Fazit:
Staatliche,politische Herausforderungen .
Refinanzierung ex post und ex ante
Heismann: „Das Autoren-Team stellt also glasklar fest, dass eine Bank sich refinanzieren muss, um die Kreditvergabe auszuweiten. Sonst macht sie Bankrott. Anders formuliert: Für die „loans“ werden „funds“ benötigt.“
So ist es, Herr Heismann, es geht um die Refinanzierung. Refinanzierung ist aber weder Gegenstand der LFT noch der Intermediationsthese. Jede Kreditvergabe durch einen Geschäftsbank führt in einem zweistufigen Geldsystem immer zu einer Erhöhung der Geldmenge xyz und jede Kredittilgung reduziert diese wieder.
Ergänzend möchte ich nochmals ausführen: Je größer eine Bank ist, desto geringer wird der relative Refinanzierungsbedarf und umso eher können sich Geschäftsbanken auch erst ex post um eine Refinanzierung am Interbankenmarkt Gedanken machen; und zur Sicherheit gibt es ja noch die Spitzenrefinanzierungsfazilität.
Der Refinanzierungsbedarf bei Großkrediten tendiert gegen Null, da hier – wie Sie an anderer Stelle richtig erwähnt haben – keine einzelne Bank den Kredit vergibt, sondern ein Bankenkonsortium.
Was vordergründig so aussieht wie LFT und/oder Intermediation, das ist die Situation einer kleinen Bank. Die muss sich bereits vor der Kreditvergabe Gedanken über den sehr wahrscheinlichen Mittelabfluss machen, da für sie gerade nicht das Gesetz der großen Zahl gilt. Aber es geht um ex ante Refinanzierung und um ex ante Fristentransformation und nicht um das Intermediationsmärchen der LFT.
Für das Bankensystem in Summe gilt also – von wenigen Ausnahmen wie Erstausstattung nach Währungsreformen u. ä. abgesehen – immer der Grundsatz: loans make funds/deposits, während für eine einzelne – insbesondere kleinere Bank – alte funds/deposits aus vorhergehenden Kreditvereinbarungen anderer Banken von diesen und/oder anderen Banken eingeworben werden müssen, damit sie nicht unmittelbar nach der Kreditvergabe illiquide wird.
LG Michael Stöcker
Bank of England
Immer wieder wird in Blogs behauptet, dass die Bank of England 2015 offiziell bestimmte Geldtheorien – namentlich die loanable funds theory – offiziell für ungültig bzw. widerlegt erklärt hätte.
Dies ist vollkommener Unsinn. Die Autoren beziehen sich regelmäßig auf eine Veröffentlichung von Zoltan Jakab und Michael Kumhof aus dem Mai 2015. Dies ist jedoch ein so genanntes Working Paper, also ein Diskussionspapier und ausdrücklich KEINE offizielle Stellungnahme der Bank of England.
Dies wird auf dem Titelblatt ausdrücklich in einem Disclaimer festgestellt:
„Working papers describe research in progress by the author(s) and are published to elicit comments and to further debate. Any views expressed are SOLELY those of the author(s) and so cannot be taken to represent those of the Bank of England or to state Bank of England policy. This paper should therefore NOT TO BE REPORTED AS REPRESENTING THE VIEWS OF THE BANK OF ENGLAND or members of the Monetary Policy Committee or Financial Policy Committee.“ (Hervorhebungen von mir).
https://www.bankofengland.co.uk/research/Documents/workingpapers/2015/wp529.pdf
Es darf also keineswegs behauptet werden, die Thesen von Jakab und Kumhof würden die Ansichten der Bank von England repräsentieren.
Der Disclaimer ist doch wohl deutlich genug.
Ein Working Paper hat in der Regle noch nicht einmal eine Peer Review durchlaufen, also eine kritische Würdigung durch Fachkollegen.
Im Übrigen halte ich die Thesen von Jakab und Kumhof für reichlich überzogen.
Quarterly Bulletin
Die Verweise auf die Bank of England beziehen sich meistens auf einen Aufsatz im Quarterly Bulletin 2014:
https://www.bankofengland.co.uk/publications/Pages/quarterlybulletin/2014/qb14q1.aspx
Man könnte ergänzen, dass ein ähnlicher Aufsatz Jahre zuvor von der Bank für Internatiionalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht wurde.
Zu Jacab/Kumhof: Interessant ist, dass sich die Autoren eines DSGE-Modells bedienen, also jener Analysetechnik, die nach Ansicht mancher Kritiker völlig untauglich ist. Die Arbeit wurde auf mehreren Konferenzen vorgestellt, aber hat es, zumindest nach meiner Kenntnis, bisher noch nicht in ein Fachjournal gebracht.
Gruß
gb
Loans and Funds
Lieber Herr Braunberger,
vielen Dank für den Hinweis auf das Quarterly Bulletin der Bank of England von 2014. Tenor und Thesen dieses Papiers sind aber m. E. ziemlich andere als in der Arbeit von Jakab und Kumhof. In einer Schlüsselpassage heißt es in dem Artikel „Money Creation in the Modern Economy“ auf Seite 18:
„Banks therefore try to attract or retain additional liabilities to accompany their new loans. In practice other banks would also be making new loans and creating new deposits, so one way they can do this is to try and attract some of those newly created deposits. In a competitive banking sector, that may involve increasing the rate they offer to households on their savings accounts. By attracting new deposits, the bank can increase its lending without running down its reserves, as shown in the third row of Figure 2. Alternatively, a bank can borrow from other banks or attract other forms of liabilities, at least temporarily. But whether through deposits or other liabilities, the bank would need to make sure it was attracting and retaining some kind of funds in order to keep expanding lending. And the cost of that needs to be measured against the interest the bank expects to earn on the loans it is making, which in turn depends on the level of Bank Rate set by the Bank of England.
„THE BANK WOULD NEED TO MAKE SURE IT WAS ATTRACTING AND RETAINING SOME KIND OF FUNDS IN ORDER TO KEEP EXPANDING LENDING.“
Das Autoren-Team stellt also glasklar fest, dass eine Bank sich refinanzieren muss, um die Kreditvergabe auszuweiten. Sonst macht sie Bankrott. Anders formuliert: Für die „loans“ werden „funds“ benötigt.
Ja, ich habe nie verstanden, wie manche Leute in der Blogosphäre diesen Beitrag der Bank of England oder den Aufsatz der Bundesbank im Monatsbericht 4/2017 als etwas Revolutionäres darstellen können. Man muss entweder sehr selektiv lesen oder nicht wissen, was jahrzehntelang gelehrt worden ist. Oder beides.
Gruß
gb
Sehr geehrter Herr Heisinger
Ihr Weltbild stimmt leider nicht mehr. Nachdem Die BoE in 2014 und im April 2017 sogar die Bundesbank eingeräumt haben, dass das Bild der Banken als Intermediäre falsch ist und die Geldschöpfung durch Kredit bestätigt haben, hat sich Ihr schön erzähltes Bild erledigt.
Die größte Überraschung an dem Beitrag ist allerdings die Bekehrung von Herrn Bofinger. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Schöne Grüße
Das ist schlichtweg falsch. Die Bundesbank weiß wie so ziemlich jedermann seit Jahrzehnten, dass Geldschöpfung durch Kredit stattfindet. Es gibt keine Revolution in 2017, das ist alles altes Zeug. In einem früheren Beitrag hier in FAZIT finden sich Belege. Außerdem ist es Unsinn zu behaupten, die Bundesbank habe eingeräumt, Banken wären keine Intermediäre. Sie hat geschrieben, dass Banken auch Intermediäre sind und das schreibt auch Peter Bofinger. Versuchen Sie doch mal, Ihre Imaginationen mit der Realität in Einklang zu bringen.
Gruß
gb
Sparen und Investieren
Peter Bofinger sieht eine klare Dichotomie zwischen einer güterwirtschaftlichen und einer geldwirtschaftlichen Modellierung des Finanzsystems. Er illustriert das mit einem Beispiel von Keynes: Ein Ehepaar verzichtet auf einen eigentlich geplanten Restaurant-Besuch. Dann sind, so Bofinger, die Einsparungen des Ehepaars absolut identisch mit den entgangenen Einnahmen des Restaurantbesitzers.
Dies trifft aber m. E. nur kurzfristig zu. Nehmen wir an, das Ehepaar verzichtet nicht nur dieses Mal, sondern generell für die absehbare Zukunft auf den wöchentlichen Restaurant-Besuch, der seit mehreren Jahren eine feste Gewohnheit ist.
Die Eheleute haben nämlich beschlossen, ein Haus zu bauen. Und die Baukosten sollen zu 40 Prozent aus eigenen Mitteln bestritten werden. Da muss also ein hübsches Sümmchen angespart werden, bevor die Bagger anrücken können.
Jetzt passiert mit den gesamten Ersparnissen etwas ganz Entscheidendes. Der Restaurantbesitzer zahlt seine Einnahmen stets am nächsten Tag auf ein Girokonto ein. Aus dem Guthaben werden die laufenden Ausgaben für das Personal, den Weinhändler und, Gott sei es geklagt, auch das Finanzamt bestritten.
Das Ehepaar legt seine Ersparnisse für das Eigenheim jedoch langfristig an. Damit ändert sich die Portfolio-Struktur der Kundengelder: Der kurzfristige Teil nimmt ab, der langfristige nimmt zu.
Damit hat die Bank nun mehr Spielraum, um langfristige Kredite zu vergeben, zum Beispiel für Investitionen. Das gut geführte Institut achtet auf Fristenkongruenz: langfristige Ausleihungen sollen nach Möglichkeit auch langfristig refinanziert werden.
Die kurzfristig angelegten Einnahmen unseres Gastwirts kann die Bank allenfalls eingeschränkt zur Finanzierung von Investitionskrediten verwenden. Das verbietet die kaufmännische Vorsicht. Und es ist auch nicht gestattet laut den Baseler Regeln zur soliden Refinanzierung (Stable Funding Ratio).
Erst mit Sparen wird aus Geld Kapital. Und für Investitionen wird Kapital benötigt, nicht Geld. Das unterschlägt Bofinger in dem Interview.
Die Geschichte geht jedoch noch weiter: Dem Restaurantbesitzer fehlen plötzlich all die Gäste, die angefangen haben, auf die eigenen vier Wände zu sparen. Was kann er machen? Nun, der Gastwirt kann sein bereits etwas ramponiertes Lokal auf Vordermann bringen: renovieren, neue Tische und Stühle kaufen, eine neue Bar einbauen.
Dazu braucht er aber einen Kredit von seiner Bank. Und die hat, oh Wunder, dank der sparsamen Eheleute genügend Mittel für die Refinanzierung.
Jetzt ließe sich sagen. Ja, der Gastwirt hätte sein Restaurant auch ohne die fortbleibenden Gäste runderneuern können. Nur kam er, solange die Gäste in seine heruntergekommene Kneipe strömten, nie auf die Idee.
Allgemein gesprochen, gehen Häuslebauer erheblich disziplinierter mit Geld um als Menschen, die nicht gezwungen sind zu sparen. Sie lassen sich im Kaufhaus keinen Ramsch andrehen, sondern achten darauf, dass Preis und Qualität stimmen.
Wer mit der sparsamen Kundschaft im Geschäft bleiben will, muss billigere und/oder bessere Ware anbieten. Dies erfordert wiederum Investitionen.
Auch auf diese indirekte Weise fördert Sparen Investitionen. Dies gilt, wenn ich Gottvater Keynes widersprechen darf, auch bei einer geldwirtschaftlichen Modellierung des Finanzsystems.
Nun also der „linke Sektierer“ Bofinger
Mal schauen, wie lange Herr Bofinger bei diesem Thema eine Sonderstellung einnehmen muss, bevor sich auch andere seiner Minderheitenmeinung im SVR anschließen und zur neuen Mehrheit mutieren. Vor zwei Jahren hatte ja bereits die BoE die LFT ad acta gelegt: https://zinsfehler.com/2015/06/02/zombinomics-oder-die-pfahlung-der-loanable-funds-theorie/. Unter Berücksichtigung eines stoischen Beharrungsfaktors wird es aber wohl noch einige Zeit dauern, bis die einstigen Sektierer zum neuen Mainstream zählen.
LG Michael Stöcker