Weil Donald Trump Präsident ist, verkauft Amerika weniger Waren ins Ausland. Warum?
Donald Trump hat das Amt des amerikanischen Präsidenten als „Salesman“, als Verkäufer, errungen. Sein handelspolitischer Ehrgeiz liegt darin, mehr in den Vereinigten Staaten zu produzieren und möglichst viel ins Ausland zu verkaufen. Seine Verhandlungskunst besteht in Einschüchterung und Drohung.
Amerika zuerst. Unfairer Handel. Selbst Verbündete nutzen uns aus. Strafzölle. Trumps Schlagworte belegen, dass er das wirtschaftliche Gewicht des größten Absatzmarktes der Welt aggressiv einsetzt, um seine Vorstellung eines fairen Handels durchzusetzen. Dabei bevorzugt er nicht die großen Handelskonferenzen, sondern direkte Verhandlungen zwischen zwei Staaten. Damit vermeidet er nicht nur Komplexität, sondern erhöht auch systematisch den Druck auf seine Verhandlungspartner.
Export gut, Import schlecht
All das ist in den vergangenen zwei Jahren breit diskutiert worden, auch die Folgen für die Weltwirtschaft und für das internationale Handelssystem. Trump ist fixiert darauf, dass Export gut und Import oder Handelsbilanzdefizite schlecht seien. Kluge Ökonomen haben viel Mühe verwandt, um die Trugschlüsse dieses merkantilistischen Denkens aufzuzeigen. Solche ideologischen Unterschiede erklären zum Teil, weshalb Trump nicht nur in Amerika, sondern auch im Rest der Welt umstritten ist und vielfach schlecht ankommt. Darüber hinaus polarisiert aber auch sein Stil, seine aggressive Verhandlungs- und Verkaufstaktik.
Hilft es amerikanischen Arbeitslosen und Unternehmen im internationalen Wettbewerb, wenn Trump auf internationaler Bühne als Rabauke wahrgenommen wird? Zahlt sich im Außenhandel freundliche Überzeugungskraft oder Härte aus?
Der Ökonom Andrew Rose, der noch in Berkeley und bald in Singapur lehrt, hat auf diese Frage eine Antwort gefunden: Freundlichkeit siegt. Rose beginnt seine Studie mit der in Umfragen belegten Tatsache, dass der Präsidentenwechsel von Barack Obama zu Trump die Zustimmung im Ausland zur Führungsrolle Amerikas deutlich sinken ließ. Das führt nach seiner Analyse dazu, dass die Vereinigten Staaten für 3,3 Milliarden Dollar weniger Güter ins Ausland liefern. Es klingt ironisch, doch das knallharte Auftreten des Verkäufers Trump bringt es mit sich, dass der amerikanische Export sinkt.
Trump lässt “Soft Power” vermissen
Rose kleidet das Thema in den Gegensatz von „Soft Power“ und „Hard Power“, von Überzeugungskraft versus militärischer oder wirtschaftlicher Machtausübung. Diese Gegenpole führte vor fast 30 Jahren der Politologe und Außenpolitiker in der Regierung von Bill Clinton, Joseph Nye, in die politische Debatte ein. Weiche Macht erwächst aus der Kultur, den Idealen oder aus einer Wertegemeinschaft. Sie erlaubt Einfluss auf andere, ohne sie zu beherrschen.
Doch wie misst man weichen Einfluss? Rose greift auf eine Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup zurück. Gallup fragt seit 2006 in bis zu 157 Ländern Bürger jährlich, ob sie die Leistung des amerikanischen Präsidenten befürworten oder missbilligen. Mit dem Wechsel von George W. Bush zu Barack Obama 2009 wurden die Vereinigten Staaten in der Umfrage sprunghaft und dramatisch positiver beurteilt. Mit dem Wechsel von Obama zu Trump sank die Zustimmung ähnlich drastisch. Die ausländischen Urteile über Deutschland, China oder Russland, für deren Führung Gallup auch Wertungsnoten abfragt, sind weitaus stabiler und dauerhafter.
Rein rechnerisch verbindet Rose die politischen Werturteile über das Führungspersonal mit der Ausfuhrstatistik. Das führt zu dem in seinen Worten relativ robusten Schluss, dass mehr Applaus für den Präsidenten im Ausland die amerikanische Ausfuhr antreibt. Trump erhält weniger Applaus und schadet so Amerikas Exporteuren.
So weit, so gut. Oder auch nicht. Leider vernachlässigt Rose, auch nur den Versuch einer ökonomischen Erklärung für den statistischen Zusammenhang zu geben. Ohne das ist alles ein Spiel mit Zahlen. Welche ökonomische Argumentationskette verbindet den Unwillen gegenüber Trump und seiner Politik mit dem Einkauf amerikanischer Waren?
Fahren Obama-Fans mehr Harley-Davidson?
Soll der Leser wirklich annehmen, dass Deutsche weniger Coca-Cola oder Jack Daniel’s trinken und weniger Levi’s tragen, weil ihnen Trumps Stil unsympathisch ist? Dass sie zu Obamas Zeiten mehr Harley-Davidson oder Chrysler oder Ford fuhren, weil sie den Demokraten so verehrten? Kaufen ausländische Unternehmen weniger Produkte aus Amerika, weil ihnen die Nase oder der Stil des Präsidenten nicht passen? Dass ein Kunde zur Bäckerei nebenan geht, weil ihm der Bäckermeister sympathischer ist, mag man glauben. Der Brötchenkauf bedingt schließlich einen direkten persönlichen Kontakt. Aber leiten individuelle Präferenzen für oder gegen einen Präsidenten auch den unpersönlichen Kauf über die Grenzen hinweg?
Am ehesten könnte man vermuten, dass „Soft Power“ das staatliche, politisch bestimmte Beschaffungswesen beeinflusst. Aber gerade hier zeigt der harte Druck Trumps Wirkung. Japan etwa scheint bemüht, mehr Militärgerät aus Amerika zu kaufen, um Trumps Unmut über den Handelsbilanzüberschuss des Landes zu verkleinern. Kaufen Japan oder andere Länder nur ein paar F-35-Kampfflugzeuge mehr als ursprünglich geplant, ist der von Rose errechnete Exportschaden durch Trumps ruppige Art schon ausgeglichen. 3,3 Milliarden Dollar Exportverlust wegen Trump sind zwar nicht wenig, bei einem Exportvolumen von 1,45 Billionen Dollar aber auch nicht dramatisch viel.
Bleibt die Frage, ob die Gleichsetzung von Trump mit „Hard Power“ und Obama mit „Soft Power“ schlüssig ist. Sicher, Obama sprach eleganter und versuchte, verbal niemanden zu verletzen. In bilateralen Handelsfragen war seine Regierung aber nicht weniger hart als die von Trump. Die Nachbesserungen zugunsten Amerikas, die Trump in das Freihandelsabkommen mit Südkorea hineinverhandeln ließ, verschärfen nur ein wenig die Korrekturen, die schon Obama machtvoll erzwang. Das könnte erklären, warum nach der Gallup-Umfrage in Südkorea die Zustimmung zum amerikanischen Präsidenten mit dem Wechsel von Obama zu Trump weit weniger sank als in vielen westlichen Staaten. Vielleicht ahnten die Koreaner schon, dass sie zumindest handelspolitisch von Trump nicht anders behandelt werden als von Obama.
Der Text erschien als „Sonntagsökonom” am 27. Januar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Der Autor auf Twitter und Facebook.