Politiker fordern eine Vermögensabgabe. Die Geschichte zeigt: Nach der Pandemie könnten sie damit Erfolg haben.

Krisen sind oft eine Zeit, in der viele Leute Forderungen wiederholen, die sie sowieso schon immer gestellt haben – nur eben mit einer neuen Begründung. So wirkte es in der vergangenen Woche auch gelegentlich. Die Debatte über gemeinsame Anleihen der Eurostaaten kam zurück, und Saskia Esken, die SPD–Vorsitzende, forderte eine Vermögensabgabe. Sie war nicht die Einzige: Auch die französischen Ökonomen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman, beide in Berkeley lehrend, haben gemeinsam mit einem Kollegen schnell ein Modell überschlagen: Man könne doch zehn Jahre lang von Millionären ein Prozent des Vermögens über zwei Millionen Euro einziehen, von jedem Milliardär drei Prozent des Vermögens oberhalb der ersten Milliarde. Auch von ihnen ist das keine neue Forderung. Kann man die Vermögensabgabe darum getrost als Echo alter Diskussionen ignorieren? Nein. Denn abhängig davon, wie die Corona-Pandemie ausgeht, rückt die Abgabe tatsächlich in den Bereich des Möglichen.
So viel zeigt die Geschichte: Für große Steuererhöhungen gibt es wenig Gelegenheiten. Selbst wenn die Wähler sich in Umfragen immer wieder höhere Steuern wünschen, setzen sie ihren Wunsch selten durch. Oft fehlt das letzte Argument, das hohe Steuern für Reiche richtig fair erscheinen lässt. Schließlich haben die Milliardäre ihr Vermögen in der Regel rechtmäßig erworben. Viele haben es sich – wenn auch mit tatkräftiger Unterstützung der Gesellschaft – selbst erarbeitet; der umstrittenste Weg, wie die Milliardäre an ihr Geld gekommen sind, ist oft: Sie haben es von ihren Eltern oder Großeltern geerbt. Gegen all das lässt sich im Fairnessempfinden der Menschen schwer argumentieren.
Nach Kriegen gibt es oft Vermögensabgaben
Doch nach großen Katastrophen ist das anders. Die Politikwissenschaftler Kenneth Scheve und David Stasavage haben das vor einigen Jahren systematisch untersucht. Ihr Ergebnis: Ob die Bevölkerung sich in Umfragen für höhere Steuern aussprach, war egal – es geschah wenig. Anders war es nach Kriegen, vor allem nach beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Damals hatte die Mehrheit der Bevölkerung große Opfer hinnehmen müssen, sei es als Soldaten, weil sie vertrieben wurden oder weil ihr Besitz in den Kämpfen zerstört wurde. Wer nach dem Krieg noch Vermögen hatte, galt im besten Fall als Glückspilz, oft aber auch als Kriegsgewinner – keine gute Position, um für die Rechtmäßigkeit des eigenen Vermögens zu argumentieren. Oft wurden nach dem Krieg hohe Vermögen mit Abgaben belegt. Selbst Einkommen wurden in vielen Ländern in den 50er Jahren hoch besteuert, mit der Zeit aber verblasste die Erinnerung an den Krieg, und die Spitzensteuersätze sanken – so erzählen Scheve und Stasavage die Geschichte.
Die Geschichte der Vermögensabgaben in Deutschland passt dazu hervorragend. Anders als die Vermögensteuer wird die Vermögensabgabe nur einmal erhoben, an einem Stichtag wird ermittelt, was zu bezahlen ist – auch wenn sich die Zahlungen über Jahre erstrecken können. Exakt so funktionierten um den Ersten Weltkrieg herum zwei Abgaben namens Wehrbeitrag und Kriegsabgabe. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der westdeutsche Lastenausgleich: Die Vermögen wurden am 21. Juni 1948 bewertet, einige Freibeträge wurden abgezogen, auf den Rest fielen oft 50 Prozent Steuern an. Zu zahlen war das Geld allerdings nicht sofort, sondern in vierteljährlichen Raten über bis zu 30 Jahre. Das Geld floss an Menschen, die durch den Krieg Vermögen verloren hatten.
Seuchen und Pandemien verringern die Ungleichheit
Kriege sind allerdings nicht die einzigen Katastrophen, die große Umwälzungen der Ungleichheit auslösen. Das zeigt der österreichische Historiker Walter Scheidel, der eine große Geschichte der Ungleichheit erarbeitet hat. Er stellt fest: Ähnliche Auswirkungen wie Kriege haben Revolutionen, Staatszusammenbrüche – und Seuchen.
Große Krankheitsausbrüche sind weniger gut untersucht als Kriege, zum Glück gab es davon in den vergangenen 150 Jahren nicht so viele. Einige grundsätzliche Argumentationsmuster lassen sich aber direkt übertragen: Wer gewinnt und wer großen Schaden davonträgt, das ist oft zufällig. Vor der Corona-Krise hätte niemand damit gerechnet, dass Reiseveranstalter und Fahrradhändler bald zu den großen Verlierern gehören, Tankstellenbetreiber aber nicht so hart getroffen werden. In der Corona-Krise beginnt jetzt schon der Deutungsstreit darüber, welche Berufsgruppen ihre Löhne verdient oder noch höhere verdient haben, welche also systemrelevant sind, und welche nur als Krisengewinner durchgehen dürfen; sie sind durchaus in Gefahr, nach Abflauen der Krise auf die eine oder andere Weise die Rechnung zu bezahlen.
Kommt es auch nach der Corona-Pandemie so?
Ob es tatsächlich so kommt, ist natürlich noch längst nicht sicher. Vieles wird davon abhängen, wie groß und einprägsam die Corona-Krise noch wird: Wie schnell lässt sich die Ausbreitung des Virus eindämmen? Können die Läden bald wieder öffnen, wie schnell arbeiten die Fabriken wieder im Normalbetrieb, kaufen die Menschen bald wieder ein? Kann der Staat mit all seinen Finanzhilfen die Folgen für die wirtschaftlichen Krisenverlierer halbwegs in Grenzen halten?
All das ist entscheidend für zwei Fragen: Erstens dafür, wie groß die wirtschaftlichen Umwälzungen der Krise werden. Und zweitens dafür, wie hoch die Staatsschulden anschließend sind.
Die Finanzkrise zeigt immerhin: Manche Krisen werden auch ohne Vermögensabgabe bewältigt. Nach der Finanzkrise wurde stattdessen eine Bankenabgabe eingeführt, um die Verantwortlichen zur Kasse zu bitten. Die oft gewünschte Finanztransaktionssteuer dagegen stockt; nicht zuletzt weil sich herausgestellt hat, dass sie in vielen Varianten die Anleger härter trifft als die Banken.
Die Finanzkrise zeigt auch, dass es durchaus Spielraum für eine herkömmliche Schuldenrückführung gibt: In den vergangenen zehn Jahren hat es Deutschland geschafft, einen Schuldenstand von mehr als 80 Prozent der Wirtschaftsleistung unter 60 Prozent zu drücken – und das ohne größere Anstrengungen. Im Staatshaushalt war immer noch Platz für soziale Wohltaten wie die Rente mit 63; die Gesundheitsausgaben stiegen von 3600 Euro auf 4500 Euro je Bundesbürger, 20 Milliarden Euro für Investitionen wurden nicht abgerufen. Der Schuldenabbau war im vergangenen Jahrzehnt einfach, weil die Zinsen niedrig waren, die Wirtschaft wuchs und Deutschlands demographische Probleme immer noch nicht voll ausgebrochen sind. Trotzdem taugen die vergangenen zehn Jahre vielleicht als Vorbild: Wenn die Pandemie nicht teurer wird, geht es vielleicht auch ohne Vermögensabgabe.
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Solange es so mit der Globalisierung wie bisher weitergeht, bringen auch eine Vermögensabgabe etc. nichts; denn schließlich ist auch Corona indirekt eine Folge der Globalisierung.
Solange wir es nicht wahr haben wollen, daß ca. 80% der Menschen mehr Nach-, als Vorteile durch die Globalisierung haben, wird es auch nach Corona so weiter gehen wie bisher – “business as usal”…
Unsere merkantile Wirtschaftspolitik
zur Erreichung der Exportüberschüsse ist für Deutschland seit jeher die Basis für unseren Wohlstand. Diese gilt es, zu erhalten. Ohne diese Überschüsse wäre es speziell dem Mittelstand nie möglich gewesen, sich so zahlreich zu den Wohlhabenden zu zählen. Sollten die Überschüsse nach der Krise aufgrund veränderter Strukturen nicht mehr so stark anfallen können, reden wir über weit mehr als nur eine Vermögensabgabe von Millionären. Gleichwohl ist die Maßnahme diskussionswürdig und nicht von vorneherein auszuschließen. Das stellt kein Tabu dar. Wir werden allein schon für die Stärkung der Binnennachfrage den unvermögenden Verbrauchern nicht das Geld durch Steuererhöhung entziehen können. Das werden selbst die einsehen, die jetzt schon aufschreien. Ohne Kaufkraft keine Geschäfte. Also bleiben existierede Vermögen, egal wie sie sich zusammensetzen, zum Lastenausgleich eine legale Option. Der erste Schritte muss freilich die Bilanzierung des Defizits sein, danach alle gezahlten Gelder zurückholen, die nur versehentlich zur Auszahlung kamen, auch wenn sie nicht benötigt wurden. Diese Summe könnte den Ausschlag geben. Dann ein Blick auf die vorhandenen Sparguthaben, die sich auf rund 2 Billionen Euro belaufen, ohne Immobilienvermögen. Erst dann kann auf Basis der Faktenlage eine Entscheidung getroffen werden. Es ist einfach zu früh, jetzt schon ein “no go” zu schaffen. Wir sind auf jeden Fall reich genug in Deutschland, um keine gesellschaftliche Gruppe verschonen oder benachteiligen zu müssen.
Immer diese Panikmache, von Reichen....
@Guenter Heismann
Wir reden gerade davon das Menschen mit >mehr als< 2 Millionen Privatvermögen, davon ein ganzes Prozent abgeben sollen…..das gefährdet sicher keine Kleinbetriebe. Es ist immer das gleiche. Wenn man mal von den Menschen die ohnehin mehr als genug haben, erwartet, dass sie ihren Teil an die Gesellschaft zurück geben, dem sie ihren Reichtum überhaupt verdanken, geht das gejammer los.
Ich verstehe, wenn eine Krankenschwester die 1600 Euro im Monat für alles hat sich beschweren würde, weil sie keine Rücklagen hat, weil sie hart arbeitet um überhaupt leben zu klönnen und ggf. davon noch ein oder mehrere Kinder durch bringen muss, aber ich gehe jede Wette ein – wenn man diese Person fragen würde ob sie 1% ihres "Vermögens" für ärmere Menschen ausgeben würde – würde sie warscheinlich ja sagen und der tut das etwa 1 Million mal mehr weh, als jemand der ganz gleich wie, irgendwo noch 2 Millionen rum liegen hat.
Ich gönne wirklich jedem seinen Reichtum, ganz ehrlich. Aber es sollte vielen Menschen langsam mal bewusst werden, dass diese Schieflage unseres System, auf dem einerseits viele Menschen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, während andere so viel mehr als genug haben, dass sie es schlicht niemals werden ausgeben können und was nur Zinsen generiert, der erst einmal erwirtschaftet werden müssen.
LG Thomas
Na klar, ist gemacht
Ich bin zwar kein Millionär, habe aber trotzdem ein gutes Einkommen und wäre zu 2% mehr Steuern für 10 Jahre ganz sicher bereit.
Daneben sollten wir aber auch mal überdenken, wie Geld überhaupt verteilt ist. Man muss von einer einzigen Tätigkeit leben können, ohne dass Sozialleistungen nötig sind. Sonst belügt man sich selber, weil man die Sozialleistungen ja auch irgendwie bezahlt. Boni jenseits der 100.000 Euro und Gehälter über dem 20-30fachen der Normalverdiener kann ich mir auch nicht vorstellen. Es macht keinen Deut glücklicher, wenn man die erste Million hat, man strebt danach nicht nach Glück sondern nach der zweiten Million.
Wer jetzt jammert, dass das Investitionen kosten würde oder Gleichmacherei wäre und die berühmte Neiddebatte ins Feld führt, der hat noch nicht verstanden, dass es hier um etwas anderes geht.
Lasst uns einfach in die Hände spucken, ein wenig von dem abgeben, was wir haben und das auch nicht auf unser Land beschränken. Gemeinsam geht es besser und Corona ist Kindergeburtstag gegenüber dem, was das Klima noch machen wird, wenn wir da nicht mal gegensteuern.
Logik erschließt sich mir nicht
Eine Besteuerund des Vermögens macht nur dann Sinn, wenn damit auch eine Veränderung der Produktion einhergeht, also weniger Luxusgüter und mehr Güter des täglichen Bedarfs, also weniger Yachten für Supereiche und mehr Wohnungen. Diese Umverteilung macht also Sinn, wenn keine Produktionskapazitäten mehr vorhanden sind, man also entweder Yachten baut oder Wohnungen. Eine Vermögensumverteilung würde dann dafür sorgen, zumindest langfristig, dass die Ressourcen, die jetzt für den Bau von Yachten eingesetzt werden, in den Bau von Wohnungen gesteckt werden. Das Problem ist nur, dieser trade off existiert gar nicht. Man kann beides in Hülle und Fülle bauen, selbst Deutschland hat einen Auslastungsgrad von lediglich 85 Prozent. Die Frage ist lediglich, wie man das gesamte Produktionspotential ausschöpft, was wiederum abhängt von den Bedingungen, zu denen Kredite aufgenommen werden können. Bei einer Laufzeit von 150 Jahren und Zinsen von Null kann man das gesamte Produktionspotential sofort ausschöpfen. Langlebige Konsumgüter, insbesondere Wohnungen, erfordern kein besonderes Know How, refinanziert über die Miete, ist allerdings auch die Rendite gering, was aber egal ist. Hauptsache das Geld, das bei Kreditgewährung geschöpft wird, wird hinterher bei Kredittilgung wieder eingezogen. Die Suppereichen dürfen dann mit Yachten über die Meere schippern und sich langweiligen und der Rest der Menschheit macht das halt auf einem Kreuzfahrtschiff, was auch mehr Unterhaltung bietet. Alternativ könnten natürlich beide Gruppen auch was Sinnvolles machen, z.B. ein Buch lesen, eine Sprache lernen, ein Musikinstrument spielen lernen etc.. Argumentieren könnte man höchstens mit der Sparquote, die würde sinken bei Umverteilung und es würde weniger sinnfrei spekuliert.
Wann gibt denn Politik freiwillig ab?
Beispielsweise Reduktion der Diäten oder wenigstens ein Ausbleiben der Erhöhung. Die Reduktion der Parlamentsgröße wäre auch mal überfällig. Und wie ist es mit der Reduktion der Finanzierung linksextremer Gruppierungen, die sich “Demokratie” auf die Fahne geschrieben haben, aber dann doch ein Problem haben, sich zum Grundgesetz zu bekennen, wie es Frau Kritina Schröder damals einführte, aber von ihrer Nachfolgerin wieder kassiert wurde. Diese Nachfolgerin ist jetzt in Ministerpräsidentin eines Landes, das Grenzkontrollen wieder eingeführt hat und Leute mit Zweitwohnsitz des Landes verweist.
Die Vermögenden bluten ja gerade, durch fallende Aktienkurse, durch Unsicherheit, denn laufende Kredite müssen bedient werden. Wann aber zahlt die Politik.
Übrigens ist es die Politik, die sonst so gerne Zeichen setzt. Zugegeben, eine Diätensenkung um 10 % wäre der Tropfen Wasser auf den hießen Stein, aber es wäre ein Zeichen, um zu zeigen, dass die Menschen, die einschneidende Maßnahmen beschließen, selbst davon betroffen sind.
Das wäre dann mal ein ein wirklich wirkungsvolles Zeichen.
Unser ÖRR könnte auch mal ein Zeichen setzen, indem es auf die Gebührenerhöhung verzichtet.
Vermögensteuer gefährdet Kleinbetriebe
Die Proponenten einer Vermögensteuer übersehen, dass auch vermeintlich Reiche in diesen schweren Zeiten nicht immer genügend Geld besitzen, um die Abgabe zahlen zu können. Im Modell von Saez und Zucman greift die Vermögensteuer bereits bei einem Vermögen von zwei Millionen Euro.
In Deutschland wären mithin Zillionen kleiner Unternehmer betroffen – Handwerker, Landwirte und Hoteliers ebenso wie die Inhaber von Läden, Restaurants und Web-Agenturen. Das Vermögen all dieser Unternehmer besteht meist im Wesentlichen aus Sachvermögen, aus Immobilien, Maschinen, Computern, der Ladenrichtung und den Waren in den Regalen.
Mit Sachvermögen aber können Firmeninhaber keine Steuern zahlen. Der Fiskus will Cash und sonst gar nichts.
Am Bargeld aber mangelt es derzeit vielen Betrieben, die während des Shutdowns keine Einnahmen mehr erzielen, jedoch laufende Kosten haben. Um die Vermögensteuer zahlen zu können, müssten zahllose Kleinbetriebe entweder einen Kredit bei der Bank aufnehmen oder einen Teil ihres Sachvermögens verscherbeln. Beides gefährdet langfristig die Existenz der Betriebe.
Um finanziell bedrängten Unternehmen zu helfen, hat die Bundesregierung großzügige Liquiditätshilfen beschlossen. Die würden umgehend wieder an den Staat fließen, wenn eine Vermögensteuer à la Saez und Zucman eingeführt würde. Was ist das für eine Logik?
Erbschaftsfonds erhält nicht nur Kleinbetriebe
Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Heismann. Eine Vermögenssteuer ist zudem viel zu aufwendig. Wir sollten uns vielmehr in Deutschland (besser in ganz Euroland) auf eine einheitliche Erbschaftssteuer einigen, bei der das Gesamtvermögen ohne alle Ausnahmen herangezogen wird. Damit wird sehr gezielt der Matthäus-Effekt abgemildert.
Finanziell überforderte Erben müssen geerbte Unternehmen nicht zerlegen, da zugleich ein staatlicher Erbschaftsfonds eingerichtet werden sollte, an den die Anteile mitsprachelos übertragen werden können. Somit kann das Unternehmen ohne finanzielle Belastungen weiter geführt werden und der Erbe hat keine untragbaren finanziellen Belastungen. Die rechtliche Konstruktion sollte in Anlehnung an das Konzept der Vorzugsaktien ausgestaltet werden.
LG Michael Stöcker
Verehrter Herr Heismann ...
… die Hilfen sind für angeschlagene Unternehmen vorgesehen, denen gerade die Existenzgrundlage weggebrochen ist. Es ist kein Millionär oder Milliardär angesprochen worden, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie haben und möchten da gerne etwas missverstehen, und drehen ihr schön konstruiertes Missverständnis dann zum verkorksten Argument gegen eine sachte Besteuerung von Vermögen, durch die keineswegs irgendein Unternehmen bedroht sein müsste. Sie drohen mit dem Übelsten, um das Mögliche zu verhindern. Das wird immer wieder gern rhetorisch aufgetischt, ist aber allzu zu leicht zu durchschauen. Das Gleiche wurde auch viel zu lange leider erfolgreich beim Kampf gegen den Mindestlohn praktiziert. Was genauso durchschaubar war. Dass hierzulande Menschen diesen Reichtum verdienen konnten, ist zuerst den Grundlagen, die dieses Land bietet, dann einer guten Portion Glück und dann erst einem individuellen Genie oder Fleiß geschuldet. Ohne die beiden erst Genannten wäre das Letztere – nichts. Also – bitte etwas mehr Demut und Solidarität. Ja, auch die Vermögenden sind dazu aufgerufen, aber nicht aus individuellem Gusto. Basta!
Der große Gleichmacher
Nein, nicht der Kommunismus, nicht der Sozialismus, die nach aller Erfahrung besondere Ungleichheiten fördern. Das Virus ist es, trifft alle Menschen, überall. Die Folgen sind gigantische Arbeitslosigkeit und Mangel.
Dagegen kann man auch nicht anproduzieren, das ist die fatale Fehleinschätzung der “führenden” Ökonomen, weil keine Kunden , die kaufkräftig sind mehr da sind und die Reichen, die man schröpfen kann wie man will, schon alles haben. Das wird oder ist ein Endkampf.
Die Deutschen und das Geld
Zur Finanzierung benötigen wir selbstverständlich keine Vermögenssteuer, da diese Mittel durch einfache Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken erzeugt werden können/werden. Für den HVPI wird dies keinen Unterschied machen, da sich das Konsumverhalten der Vermögenden mit oder ohne moderater Vermögensteuer wohl kaum verändern wird. Und falls doch, dann betrifft dies sicherlich keine Güter, die im HVPI ihren Niederschlag finden.
Insofern zeigt diese Diskussion einmal mehr, dass weniger die Haushaltsdefizite ein Problem sind, als vielmehr die makroökonomischen Verständnisdefizite. Aber wie sollen es die Politiker besser wissen, wenn sogar viele Ökonomen hiermit ein Verständnisproblem haben.
Interessant ist in diesem Kontext insbesondere das aktuelle Paper von Jordà, Schularick und Taylor: „Disasters Everywhere: The Costs of Business Cycles Reconsidered“ https://t.co/a3g5Pkkaq2?amp=1
LG Michael Stöcker
Die Deutschen und die Leistungsbilanz
„In den vergangenen zehn Jahren hat es Deutschland geschafft, einen Schuldenstand von mehr als 80 Prozent der Wirtschaftsleistung unter 60 Prozent zu drücken – und das ohne größere Anstrengungen.”
Diese kleineren „Anstrengungen“ hat das Ausland übernommen, Herr Bernau. Einer muss in einem Kreditgeldsystem immer die Schulden machen. Ohne die Verschuldung des Auslands keine so hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse. Ohne hohe Leistungsbilanzüberschüsse gäbe es ein geringeres Wirtschaftswachstum und somit weniger Steuereinnahmen. Eine Reduktion der Gesamtverschuldung wäre nicht möglich gewesen; es sei denn, man hätte eine progressive Erbschaftssteuer OHNE alle Ausnahmen verabschiedet. Dazu fehlt allerdings der politische Mut.
Von dieser Form der internationalen „Arbeitsteilung“ haben der Süden Europas sowie die USA so langsam aber sicher die Nase gestrichen voll.
Nicht ganz unbegründet stufte deshalb auch der portugiesische Finanzminister die Bevorratungs-Empfehlung seines niederländischen Kollegen als „widerlich; ich wiederhole widerlich“ ein: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/corona-bonds-101.html (Video 00:00:39).
LG Michael Stöcker
Leistungsbilanzüberschüsse
Lieber Herr Stöcker,
sind die Handelsbilanzüberschüsse wirklich eine notwendige Bedingung für Deutschlands Haushaltssanierung? Soweit ich sehe, sind auch Szenarien denkbar, in denen Deutschland seinen Haushalt ohne Handelsüberschüsse saniert.
Mangel an elementarer Logik
Wenn Länder ungehemmtn Defizite erzeugen, sind daran diejenigen schuld, die Überschüsse haben. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Diese Verdrehung von Tatsachen ist eine üblichen populistischen Kampfparolen, von Trump bis Tsipras und Salviini.
Deutschland zwingt Italien keineswegs, deutsche Autors zu kaufen und dafür horrende Defizite anzuhäufen. Genausowenig zwingt China die USA, Schuldenberge zu erzeugen, um ihr riesiges Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren.
Nicht nur, dass die Südeuropäer offensichtlich die grenzenlose Finanzierung ihrer aktuellen Notlage, die nur auf bereits länger bestehende Defizite zurückgeht fordern. Nein, sie möchten den Spendern auch noch diktieren wie und in welcher Form das zu geschehen habe.
Ausgerechnet Italien als Erfinder der faschistischen Ideologie glaubt sogar, selbsterzeugte Haushalts- und Wirtschaftsprobleme mit vorgeschobenen Nazianklagen ausgleichen zu können. 4 Generationen nach dem Krieg. Die ganzseitige Anzeige in der FAZ war ein unglaubliches Ding.
Mit welchem Prädikat man das alles qualifzieren möchte, mag jeder selbst entscheiden. Ziemlich sicher ist nur eins: Wenn eine Vermögensabgabe kommt, die als Folge solcher Zumutungen eingezogen wird, könnte das erhebliche Verwerfungen zur Folge haben.
Alternative Szenarien
Lieber Herr Bernau,
selbstverständlich sind auch andere Szenarien denkbar. Eines hatte ich ja bereits genannt: Höhere Steuereinnahmen über die Erbschaftssteuer.
2. Szenario: Auch die Deutschen senken vermehrt ihre Sparquote zugunsten des Konsums oder starten mit privaten Verschuldungszuwächsen. Dann klappt es auch bei entsprechend hoher Dosierung mit den Haushaltsüberschüssen wie seinerzeit in den USA unter Clinton im Jahre 2000. Aber auch hier gilt: „Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich, auf das Ende sehe!“ Das vorläufige Ende war dann das Finanzbeben 2007/2008 ff., dessen Erschütterungen sich insbesondere in den Bilanzen der deutschen Landesbanken entluden und somit letztlich auch im Staatshaushalt.
3. Szenario: Die Unternehmen erhöhen ihre REALEN Investitionen (also keine Buybacks und ähnliches Finanzgedöns) über zusätzliche Schulden oder aber vorhandene Liquiditätspolster. Wie wir aber aktuell sehen, kaufen sie lieber eigene Aktien oder engagieren sich im Bereich des fiktiven Kapitals an den Finanzmärkten. Warum ist das so? Darauf hatte Marx die ultimative Antwort: Weil es sich für die Unternehmen bei Marktsättigung FINANZIELL nicht lohnt, weil zusätzliche REALE Kapazitäten letztlich auf die Gewinnmargen drücken. Da kaufen sie doch lieber andere Unternehmen auf und dominieren den Markt über Größe und somit Preissetzungsmacht. Und wenn das ausgereizt ist, dann kaufen sie eben ihre eigenen Aktien.
Ohne zusätzliche staatliche Verschuldung werden wir die monetäre Krise des Kapitalismus nicht lösen können, Herr Bernau. Carl Christian von Weizsäcker hatte dies bereits mehrfach in der FAZ dargelegt; das erste Mal im Jahre 2010: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/essay-das-janusgesicht-der-staatsschulden-1999357.html .
Ottmar Issing hatte vor wenigen Wochen ein hochkarätiges Seminar zu diesem Thema organisiert. Leider dominiert und überlagert aber die aktuelle Corona Debatte um Eurobonds etc. diesen viel wichtigeren Denkansatz, der einer kopernikanischen Wende gleichkommt: https://www.ifk-cfs.de/no_cache/de/events/detail/termin/event/tx_cal_phpicalendar/2020/02/27/niedrigzinsen_warum_wie_lange_konsequenzen.html
Und auch das jüngste Paper von von Jordà, Schularick und Taylor: „Disasters Everywhere: The Costs of Business Cycles Reconsidered“ gibt ausreichend Anlass, die alten Gewissheiten ganz neu zu überdenken: https://www.frbsf.org/economic-research/publications/working-papers/2020/wp2020-11.pdf
Vielleicht fällt Ihnen ja noch eine weitere 4. oder 5. Möglichkeit ein, die ich jetzt übersehen habe.
LG Michael Stöcker