Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die Reichen und das Virus

Politiker fordern eine Vermögensabgabe. Die Geschichte zeigt: Nach der Pandemie könnten sie damit Erfolg haben.

Foto: dpa

Kri­sen sind oft eine Zeit, in der viele Leute For­de­run­gen wie­der­ho­len, die sie so­wie­so schon immer ge­stellt haben – nur eben mit einer neuen Be­grün­dung. So wirk­te es in der ver­gan­ge­nen Woche auch ge­le­gent­lich. Die De­bat­te über ge­mein­sa­me An­lei­hen der Eu­ro­staa­ten kam zu­rück, und Sas­kia Esken, die SPD–Vor­sit­zen­de, for­der­te eine Ver­mö­gens­ab­ga­be. Sie war nicht die Ein­zi­ge: Auch die fran­zö­si­schen Öko­no­men Em­ma­nu­el Saez und Ga­bri­el Zu­c­man, beide in Ber­ke­ley leh­rend, haben ge­mein­sam mit einem Kol­le­gen schnell ein Mo­dell über­schla­gen: Man könne doch zehn Jahre lang von Millio­nä­ren ein Pro­zent des Ver­mö­gens über zwei Mil­lio­nen Euro ein­ziehen, von jedem Mil­li­ar­där drei Pro­zent des Ver­mö­gens ober­halb der ers­ten Mil­li­ar­de. Auch von ihnen ist das keine neue For­de­rung. Kann man die Ver­mö­gens­ab­ga­be darum ge­trost als Echo alter Dis­kus­sio­nen igno­rie­ren? Nein. Denn ab­hän­gig davon, wie die Co­ro­na-Pan­de­mie aus­geht, rückt die Ab­ga­be tat­säch­lich in den Be­reich des Mög­li­chen.

So viel zeigt die Ge­schich­te: Für große Steu­er­erhö­hun­gen gibt es wenig Ge­le­gen­hei­ten. Selbst wenn die Wäh­ler sich in Um­fra­gen immer wie­der hö­he­re Steu­ern wün­schen, set­zen sie ihren Wunsch sel­ten durch. Oft fehlt das letz­te Ar­gu­ment, das hohe Steu­ern für Rei­che rich­tig fair er­schei­nen lässt. Schlie­ß­lich haben die Mil­li­ar­dä­re ihr Ver­mö­gen in der Regel recht­mä­ßig er­wor­ben. Viele haben es sich – wenn auch mit tat­kräf­ti­ger Un­ter­stüt­zung der Ge­sell­schaft – selbst er­ar­bei­tet; der um­strit­tens­te Weg, wie die Mil­li­ar­dä­re an ihr Geld ge­kom­men sind, ist oft: Sie haben es von ihren El­tern oder Gro­ß­el­tern ge­erbt. Gegen all das lässt sich im Fair­ness­emp­fin­den der Men­schen schwer ar­gu­men­tie­ren. 

Nach Kriegen gibt es oft Vermögensabgaben

Doch nach gro­ßen Ka­ta­stro­phen ist das an­ders. Die Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Ken­neth Sche­ve und David Sta­sa­va­ge haben das vor ei­ni­gen Jah­ren sys­te­ma­tisch un­ter­sucht. Ihr Er­geb­nis: Ob die Be­völ­ke­rung sich in Um­fra­gen für hö­he­re Steu­ern aus­sprach, war egal – es ge­schah wenig. An­ders war es nach Krie­gen, vor allem nach bei­den Welt­krie­gen des 20. Jahr­hun­derts. Da­mals hatte die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung große Opfer hin­neh­men müs­sen, sei es als Sol­da­ten, weil sie ver­trie­ben wur­den oder weil ihr Be­sitz in den Kämp­fen zer­stört wurde. Wer nach dem Krieg noch Ver­mö­gen hatte, galt im bes­ten Fall als Glücks­pilz, oft aber auch als Kriegs­ge­win­ner – keine gute Po­si­ti­on, um für die Recht­mä­ßig­keit des ei­ge­nen Ver­mö­gens zu ar­gu­men­tie­ren. Oft wur­den nach dem Krieg hohe Ver­mö­gen mit Ab­ga­ben be­legt. Selbst Ein­kom­men wur­den in vie­len Län­dern in den 50er Jah­ren hoch be­steu­ert, mit der Zeit aber ver­blass­te die Er­in­ne­rung an den Krieg, und die Spit­zen­steu­er­sät­ze san­ken – so er­zäh­len Sche­ve und Sta­sa­va­ge die Ge­schich­te.

Die Ge­schich­te der Ver­mö­gens­ab­ga­ben in Deutsch­land passt dazu her­vor­ra­gend. An­ders als die Ver­mö­gen­steu­er wird die Ver­mö­gens­ab­ga­be nur ein­mal er­ho­ben, an einem Stich­tag wird er­mit­telt, was zu be­zah­len ist – auch wenn sich die Zah­lun­gen über Jahre er­stre­cken kön­nen. Exakt so funk­tio­nier­ten um den Ers­ten Welt­krieg herum zwei Ab­ga­ben na­mens Wehr­bei­trag und Kriegs­ab­ga­be. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg kam der west­deut­sche Las­ten­aus­gleich: Die Ver­mö­gen wur­den am 21. Juni 1948 be­wer­tet, ei­ni­ge Frei­be­trä­ge wur­den ab­ge­zo­gen, auf den Rest fie­len oft 50 Pro­zent Steu­ern an. Zu zah­len war das Geld al­ler­dings nicht so­fort, son­dern in vier­tel­jähr­li­chen Raten über bis zu 30 Jahre. Das Geld floss an Men­schen, die durch den Krieg Ver­mö­gen ver­lo­ren hat­ten.

Seuchen und Pandemien verringern die Ungleichheit

Krie­ge sind al­ler­dings nicht die ein­zi­gen Ka­ta­stro­phen, die große Um­wäl­zun­gen der Un­gleich­heit aus­lö­sen. Das zeigt der ös­ter­rei­chi­sche His­to­ri­ker Wal­ter Schei­del, der eine große Ge­schich­te der Un­gleich­heit er­ar­bei­tet hat. Er stellt fest: Ähn­li­che Aus­wir­kun­gen wie Krie­ge haben Re­vo­lu­tio­nen, Staats­zu­sam­men­brü­che – und Seu­chen.

Große Krank­heits­aus­brü­che sind we­ni­ger gut un­ter­sucht als Krie­ge, zum Glück gab es davon in den ver­gan­ge­nen 150 Jah­ren nicht so viele. Ei­ni­ge grund­sätz­li­che Ar­gu­men­ta­ti­ons­mus­ter las­sen sich aber di­rekt über­tra­gen: Wer ge­winnt und wer gro­ßen Scha­den da­von­trägt, das ist oft zu­fäl­lig. Vor der Co­ro­na-Krise hätte nie­mand damit ge­rech­net, dass Rei­se­ver­an­stal­ter und Fahr­rad­händ­ler bald zu den gro­ßen Ver­lie­rern ge­hö­ren, Tank­stel­len­be­trei­ber aber nicht so hart ge­trof­fen wer­den. In der Co­ro­na-Krise be­ginnt jetzt schon der Deu­tungs­streit dar­über, wel­che Be­rufs­grup­pen ihre Löhne ver­dient oder noch hö­he­re ver­dient haben, wel­che also sys­tem­re­le­vant sind, und wel­che nur als Kri­sen­ge­win­ner durch­ge­hen dür­fen; sie sind durch­aus in Ge­fahr, nach Ab­flau­en der Krise auf die eine oder an­de­re Weise die Rech­nung zu be­zah­len.

Kommt es auch nach der Corona-Pandemie so?

Ob es tat­säch­lich so kommt, ist na­tür­lich noch längst nicht si­cher. Vie­les wird davon ab­hän­gen, wie groß und ein­präg­sam die Co­ro­na-Krise noch wird: Wie schnell lässt sich die Aus­brei­tung des Virus ein­däm­men? Kön­nen die Läden bald wie­der öff­nen, wie schnell ar­bei­ten die Fa­bri­ken wie­der im Nor­mal­be­trieb, kau­fen die Men­schen bald wie­der ein? Kann der Staat mit all sei­nen Fi­nanz­hil­fen die Fol­gen für die wirt­schaft­li­chen Kri­sen­ver­lie­rer halb­wegs in Gren­zen hal­ten? 

All das ist ent­schei­dend für zwei Fra­gen: Ers­tens dafür, wie groß die wirt­schaft­li­chen Um­wäl­zun­gen der Krise wer­den. Und zwei­tens dafür, wie hoch die Staats­schul­den an­schlie­ßend sind.

Die Fi­nanz­kri­se zeigt im­mer­hin: Man­che Kri­sen wer­den auch ohne Ver­mö­gens­ab­ga­be be­wäl­tigt. Nach der Fi­nanz­kri­se wurde statt­des­sen eine Ban­ken­ab­ga­be ein­ge­führt, um die Ver­ant­wort­li­chen zur Kasse zu bit­ten. Die oft ge­wünsch­te Fi­nanz­trans­ak­ti­ons­steu­er da­ge­gen stockt; nicht zu­letzt weil sich her­aus­ge­stellt hat, dass sie in vie­len Va­ri­an­ten die An­le­ger här­ter trifft als die Ban­ken.

Die Fi­nanz­kri­se zeigt auch, dass es durch­aus Spiel­raum für eine her­kömm­li­che Schul­den­rück­füh­rung gibt: In den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren hat es Deutsch­land ge­schafft, einen Schul­den­stand von mehr als 80 Pro­zent der Wirt­schafts­leis­tung unter 60 Pro­zent zu drü­cken – und das ohne grö­ße­re An­stren­gun­gen. Im Staats­haus­halt war immer noch Platz für so­zia­le Wohl­ta­ten wie die Rente mit 63; die Ge­sund­heits­aus­ga­ben stie­gen von 3600 Euro auf 4500 Euro je Bun­des­bür­ger, 20 Mil­li­ar­den Euro für In­ves­ti­tio­nen wur­den nicht ab­ge­ru­fen. Der Schul­den­ab­bau war im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt ein­fach, weil die Zin­sen nied­rig waren, die Wirt­schaft wuchs und Deutsch­lands de­mo­gra­phi­sche Pro­ble­me immer noch nicht voll aus­ge­bro­chen sind. Trotz­dem tau­gen die ver­gan­ge­nen zehn Jahre viel­leicht als Vor­bild: Wenn die Pan­de­mie nicht teu­rer wird, geht es viel­leicht auch ohne Ver­mö­gens­ab­ga­be.

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