Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

So klappt es mit dem Bestseller

Wer Standardwerke schreibt, muss viel beachten. Der Ökonom Gregory Mankiw hat nun einen Leitfaden veröffentlicht. Von Jürgen Kaube

Gregory Mankiw hat ein Vermögen mit seinen ökonomischen Lehrbüchern gemacht. Es wird auf 42 Millionen Dollar geschätzt. Mehr als eine Million mal sollen allein seine “Principles of Economics” verkauft worden sein. Hinzu kommt sein Lehrbuch “Macroeconomics”, das auf Englisch in der zehnten Auflage vorliegt. Mankiw selbst schätzt, dass, alle Übersetzungen eingeschlossen, vier Millionen Exemplare seiner beiden Wälzer vorliegen. Der Vorschuss für die “Principles” betrug 1995 1,4 Millionen Dollar. Das Buch kostet in der gebundenen Ausgabe saftige 250 Dollar.

Viele Studenten besonders in den Vereinigten Staaten kaufen ihre Lehrbücher darum gebraucht oder leihen sie nur. Ein gutes Drittel, heißt es, stößt seine Lehrbücher wieder ab. Man kann sich also vorstellen, um wie viel höher die Zahl der Leser Mankiws ist. Mankiws Verlag agiert mit seinen “Textbüchern”, wie diese Art Einführungen genannt werden, auf einem Markt mit oligopolen Strukturen: Einige wenige Anbieter bestimmen die Preise und können Teilmärkte gut voneinander abgrenzen. Amerikanische Studenten kommen, wenn ihre Dozenten das Buch dem Unterricht zugrunde legen, schwer darum herum, es zu erwerben. In Deutschland wird es offenbar nicht so einheitlich vorausgesetzt, also ist es günstiger. Für Europa gibt es eine eigene englischsprachige Ausgabe der “Macroeconomics”. Und es gibt Single-Auskopplungen der “Principles” für diejenigen, die sich nur in einen Teilbereich der Volkswirtschaftslehre einführen lassen wollen.

Jetzt hat Mankiw in einem Aufsatz über das Schreiben von Lehrbüchern nachgedacht. Lehrbuchautoren, so seine erste These, sind Botschafter ihres Fachs. Sie sollten dessen Konsens darstellen, nicht eigene Ansichten. Existiert kein Konsens, etwa über Mindestlöhne oder die Geldpolitik, sei die Darstellungsform das Pro und Contra. Da die Frage, ob Konsens existiert, selbst positionsabhängig ist, sei es gut, Gegenleser zu haben, bevor das Buch in den Druck geht. Wer mit seinen Ansichten stark vom Mainstream abweiche, solle sie gegenüber Anfängern entweder unterdrücken oder keine Einführungskurse unterrichten.

Die Existenz eines solchen Mainstreams unterliegt historischen Wandlungen. Mankiw weist darauf hin, dass in Paul Samuelsons legendärem Buch “Economics” von 1948 erst auf Seite 447 von 607 Seiten das erste Mal Angebots- und Nachfragekurven vorkommen. Auf der Wirtschaft lag noch immer der Schatten der Großen Depression von 1929 bis 1939, und in das ökonomische Denken einzuführen hieß, sich zunächst einmal der Makroökonomie zuzuwenden.

Mankiw spricht davon, dass seitdem der Nachweis der Effizienz von Märkten das wichtigste Thema der Ökonomen geworden sei. Ob darum aber ihr Gegensatz zu Planwirtschaften noch ein informatives Thema für Studenten ist, die den Kommunismus allenfalls noch aus Geschichtsbüchern kennen? Das in Modelle gegossene Lob der Marktwirtschaft sieht sich heute wohl weniger der Kritik von Marxisten ausgesetzt als seinen eigenen Folgen in Finanzkrisen, wachstumsbedingtem Klimawandel und drastischer Ungleichheit. Mankiw aber denkt weniger von den Fragen aus, die Studenten haben, sondern von den Botschaften, die sein Fach hat. Das kann man so machen, es führt aber womöglich zu einer Verfestigung des Unterrichts. Dass die Beantwortung der Fragen, die Studenten haben, mitunter die Kenntnis hoch anspruchsvoller Konzepte der Wohlfahrtsökonomie, der Preistheorie oder der Makroökonomie voraussetzt, ist dabei zugestanden.

“Je weniger du ihnen unterrichtest, desto mehr lernen sie”, zitiert Mankiw den Ökonomen Otto Eckstein. Von den Testlesern seiner Manuskripte bekomme er jedoch ständig Wünsche, noch mehr in den Einführungstext aufzunehmen: den Gini-Koeffizienten, die geknickte Nachfragekurve bei monopolistischer Konkurrenz, den Herfindahl-Index zur Messung von Unternehmenskonzentration. Nehme man das alles auf, komme die Klage, das Buch sei zu umfangreich. Mankiw weist darauf hin, dass im amerikanischen College-System die Aufgabe einer Einführung in die Ökonomie nicht sei, künftige Ökonomen hervorzubringen, sondern informierte Bürger. Alles, was nicht nötig sei, um die Wirtschaftsnachrichten zu verstehen, könne weggelassen werden. Man beginne Mathematik ja auch nicht mit imaginären Zahlen, sondern mit ganzen.

Von Autorenteams für Lehrbücher rät Mankiw ab. Zu viele Köche, zu viel Durchschnitt. Der Markt für Lehrbücher erscheint ihm als ein Turnier, es gewinnen wenige. Es sei kein Zufall, dass die drei erfolgreichsten Lehrbücher der letzten Dekaden zunächst von einzelnen Autoren verfasst worden seien.

Auch zum Preis seiner “Principles” äußert sich Mankiw. Tatsächlich liege er über den Grenzkosten, also denen, die dem Verlag für die Herstellung eines zusätzlichen Exemplars entstehen. Mankiw kennt auch die Zwangslage, in die Studenten kommen, wenn Dozenten etwas zur Pflichtlektüre erklären. Aber es seien vor allem die Fixkosten der Produktion eines solchen Buches hoch. Ganze Teams von Grafikern, Redakteuren und Testlesern beschäftigen sich mit ihm. Hohe Eintrittsbarrieren in den Markt für Lehrbücher gebe es nicht. Warum also würden die vermuteten Extraprofite der Verlage nicht von anderen weg konkurriert?

Tatsächlich kauften, so Mankiw, die wenigsten Studenten die komplette gebundene Version seines Einführungswerks. Die Hardcover-Version trage nur zu fünf Prozent der Umsätze und acht Prozent der Gewinne des Buches bei. Die meisten griffen zu der Loseblatt-Version, der digitalen Version oder den Taschenbuch-Auskopplungen. Über alle diese Varianten gerechnet, komme eine Durchschnittszahlung von 130 Dollar heraus; so viel koste exakt die digitale Version, die allerdings nur für die Dauer des jeweiligen Kurses verfügbar ist. Das Buch kann also nicht wieder verkauft werden.
All das sind Kosten, die vom Konsumenten bezahlt werden. Erneut nicht als Grenzkosten, denn die sind in der digitalen Welt nahe null.

Digitale Lehrbücher rivalisieren nicht im Konsum. Aber auch sie haben – wie Software, Videospiele, digitale Zeitungen – Fixkosten. Gegenüber denen von gebundenen Büchern fallen manche weg, etwa im Vertrieb, andere kommen hinzu, weil digitales Publizieren neue Möglichkeiten bietet: animierte Grafiken, Videos, Online-Hausaufgaben, Feedback. Es sei darum, so Mankiw, wie beim volkswirtschaftlichen Preisindex: Die Qualitätsverbesserungen sind auf den ersten Blick nicht messbar. Man bekommt für die höheren Preise der Bücher aber auch mehr als früher.

N. Gregory Mankiw: “Reflections of a Textbook Author”, Journal of Economic Literature 58 (2020).