Die Inflation bewegt derzeit viele Menschen. Vor allem zwei Fragen stellen sich für die Ökonomen: Handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen? Und wie sollte die Geldpolitik auf den Anstieg der Inflationsrate reagieren? Gerade in Deutschland besteht die Neigung, einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Geldmenge in den vergangenen Jahren und der höheren Rate der Geldentwertung zu vermuten, die im November und im Dezember die Marke von 5 Prozent überschreiten könnte. Sollte ein enger Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Geldmenge und der Inflationsrate bestehen, müsste sich Geldentwertung als ein hartnäckiges Problem erweisen und nicht nur als ein vorübergehendes, wie viele Fachleute meinen. Dann dürften die Zentralbanken nicht zögern, gegen die Inflation vorzugehen. Andererseits sieht EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch für das kommende Jahr keine Erhöhung der Leitzinsen voraus. Wie passt das zusammen?
Tatsache ist: Die Zentralbanken richten ihre Geldpolitik schon seit Jahrzehnten nicht mehr an der Geldmenge aus. Und hierfür gibt es Gründe. Auf den ersten Blick wirkt ein enger Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau, der sich in der Fachliteratur mindestens bis zu dem schottischen Philosophen David Hume (1711-1776) zurückverfolgen lässt, intuitiv nachvollziehbar. (Eine kleine Ideengeschichte hatten wir in FAZIT
hier).
Allerdings reicht die Intuition nicht aus. Der erste Einwand lautet: Für einen engen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau bedarf es einer annähernd konstanten Geschwindigkeit, mit der das Geld in der Wirtschaft umläuft. Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist aber nicht notwendigerweise konstant, sondern sie kann erheblichen und schwer vorhersehbaren Schwankungen unterliegen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in der Güterwelt in vielen Ländern erheblich verlangsamt, was zu der lange Zeit sehr niedrigen Inflationsrate trotz steigender Geldmenge beigetragen haben dürfte. Schwankungen der Umlaufgeschwindigkeit erklären sich unter anderem mit der Verwendung von Geld nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Mittel zur Wertaufbewahrung. Dass dies den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau bedeutend lockern kann, hatten unter anderem schon Vertreter der “Cambridge School of Economics” von Alfred Marshall (1842-1924) bis John Maynard Keynes (1883-1946) hergeleitet. Das war vorübergehend in Vergessenheit geraten.
Damit hängt ein weiteres erhebliches Problem für den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflationsrate zusammen: Wie definiert sich eigentlich die relevante Geldmenge? Zu Humes Zeiten waren nur Edelmetalle als Geld akzeptiert. Dann kamen Banknoten hinzu, schließlich unbares Geld auf unterschiedlichen Arten von Konten wie Girokonten, Festgeldkonten und Sparkonten. In einem modernen zweistufigen Banksystem wäre noch zu unterscheiden zwischen dem Geld, das von Geschäftsbanken bei der Zentralbank gehalten wird, und dem Geld, das von Privathaushalten und Unternehmen bei Geschäftsbanken gehalten wird. Zudem existieren Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten, sogenannte Geldmarktpapiere, die von Unternehmen als ein enges Substitut zu Festgeldanlagen betrachtet werden. Gehören diese Wertpapiere damit auch zur Geldmenge?
Der Vater der modernen Auffassung des engen Zusammenhangs zwischen der Geldmenge und der Inflationsrate war der amerikanische Ökonom Milton Friedman (1912-2006). Unter seinem Einfluss versuchten sich nach dem Aufkommen höherer Inflationsraten vor rund einem halben Jahrhundert zahlreiche Zentralbanken an einer Bekämpfung der Inflation durch eine mehr oder weniger enge Steuerung der Geldmenge. Der britische Journalist Nicholas Wapshott hat in einem schönen Buch mit dem Titel
“Samuelson. Friedman. The Battle over the Free Market” den Wettstreit der beiden Nobelpreisträger Paul Samuelson und Milton Friedman um die Deutungshoheit in der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspolitik beschrieben und sich dabei intensiv mit der Geldpolitik befasst. (Eine sehr ausführliche zweibändige Beschäftigung mit Milton Friedmans ökonomischem Denken
hat kürzlich Edward Nelson vorgelegt.)
Friedman hat sich um das moderne Verständnis von Geldpolitik erhebliche Verdienste erworben: Er hat zu Recht vor der Idee gewarnt, durch Inflation lasse sich dauerhaft Beschäftigung sichern. Er hat die Verlockung hoch verschuldeter Staaten erkannt, sich durch Inflation Erleichterung zu verschaffen. Und er trat für eine Regelbindung der Geldpolitik ein, um den Spielraum für kurzfristige Fehler der Zentralbanken zu verhindern.
Eine an Regeln gebundene Geldpolitik weist ebenso große Vorzüge auf wie eine an Regeln gebundene Finanzpolitik – unter der wichtigen Bedingung, dass die Regeln etwas taugen. Friedmans Geldmengenregel war jedoch geradezu grauenhaft schlecht. Er postulierte einen engen Zusammenhang zwischen der bei der Zentralbank gehaltenen Geldmenge und der Inflation; diese Geldmenge wollte er um eine bestimmte Jahresrate wachsen lassen. Und um zu verhindern, dass die Geldpolitik von dieser Regel abweicht, wollte er Geldpolitiker durch einen Computer ersetzen. In den frühen achtziger Jahren versuchte man vor allem in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, eine solche Politik zumindest annäherungsweise zu betreiben – wenn auch mit Menschen und nicht mit einem Computer.
In beiden Ländern waren Regierungen und Zentralbanken Friedman gewogen, aber in Amerika wie in Großbritannien musste diese Politik wegen unerfreulicher Nebenwirkungen aufgegeben werden. Zudem hatten Friedmans Inflationsprognosen nicht gestimmt. “Ich lag falsch, komplett falsch”, konzedierte er. “Und ich habe keine gute Erklärung, warum ich falsch lag.” Ein Führungsmitglied der amerikanischen Zentralbank urteilte unbarmherzig: “Es tut mir leid für ihn. Er ist ein alter Mann, der sein Leben für seine Theorie geführt hat. Nun ist es zerstört.”
Harte Kritik kam auch vom erzliberalen Nobelpreisträger Friedrich von Hayek, der jenseits der Geldpolitik viele Überzeugungen Friedmans teilte. Mit Blick auf dessen Geldmengenfixierung schrieb er: “Das Problem ist, dass sie in ihrer rohen Form kein brauchbares Verfahren zur Bestimmung dessen bereitstellt, was als Geld anzusehen ist.” Hayek war auch nicht verständlich, wie ein staatskritischer Liberaler vom Kaliber Friedmans eine staatliche Institution wie eine Zentralbank mit der Sicherung des Geldwerts beauftragen wollte. (Eine Analyse der Geldpolitik der Bundesbank findet sich unter anderem
in diesem Band.)
Die Deutsche Bundesbank und die Schweizerische Nationalbank betrieben lange Zeit offiziell eine an der Geldmenge ausgerichtete Geldpolitik. Aber sie taten dies auf eine so pragmatische Art und Weise, dass sie unter unbedingten Anhängern Friedmans auf Kritik stießen. Im Vergleich zur Zeit Friedmans kann man mit guten Gründen die aktuelle komplette Vernachlässigung der Geldmenge in der Geldpolitik als eine kritikwürdige Übertreibung in die andere Richtung ansehen. Aber als bedeutender Indikator für die Inflationsentwicklung dürfte sie keine Renaissance erleben.
nachtrag harry g. johnson - enfant terrible
… um ihn dem vergessen zu entreissen, auch er sollte noch verschlagwortet werden unter “schlagwörtern” …
Harry G. Johnson - enfant terrible
johnson war ein launig brillianter theoretiker mit solidem einblick in die schon damals mäßigen geldtheoretischen positionen. spöttelnd bemerkte er, „dass akademische Analysen der Inflationsursachen und der Vor- und Nachteile unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung weitgehend irreal sind …“, mangels analytischer fundierung (johnson, inflation. theorie und politik, S. 13).
nahezu ähnlich pragmatisch urteilte herr braunberger: „Erfolgreiche Geldpolitik ist in erster Linie eine Frage des Willens und nicht des ökonomischen Modells. Sie wirkt sehr stark über das Vertrauen, das die Öffentlichkeit in das Stabilitätsversprechen der Zentralbank hat.“ https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-kompass-der-geldpolitik-17419403.html
dazu die prophetische bemerkung von johnson, „daß dogmatiker lieber ewig nörgeln als lücken in ihrem ökonomischen verständnis zuzugeben, was ein umdenken auf ihrer seite erfordern würde.“ (ebda 39)
dass er die ehe institutionell (er war ein freund von gin/tonic) betrachtete, also „als aufteilung der zuständigkeit beim verdienen und ausgeben des einkommens, (inclusive) der anpassung der nominalen budgetzuteilungen des mannes an seine frau (übrigens eine charmante antizipation der gedankenwelt des nobelpreisgewinners gary s. becker), (welche zur) Folge (hat), daß die inflation zu einem mächtigen gegner der frauenemanzipationsbewegung … geworden ist“ (ebda 19), figuriert als arabeske der geldtheoretischen diskussion über die inflation.
vergnügter gruss
b.b.
Abbildung der Interaktion zwischen Geldmengen, Güterproduktion, Zins und Preisen
Im Beitrag von Herrn Braunberger und den bisherigen Kommentaren zur Definition von Geld und zur Erklärung der Preisentwicklung von Gütern und Dienstleistungen werden eine Reihe von wichtigen Aspekten und maßgebliche Ökonomen erwähnt. Ich würde wiederholt einen wichtigen und bekannten, aber geldtheoretisch bislang nicht beachteten hinzufügen wollen und spekuliere hier einmal, wie auf Grundlage seiner veröffentlichten und nicht veröffentlichten Beiträge zu og Themen und seines bewährten methodischen Vorgehens seine Definition von Geld eventuell ausgesehen hätte.
Wäre Johann Heinrich von Thünen noch dazu gekommen, die von ihm geplante weitere “Abtheilung” seines “Isolierten Staates” über das Geldwesen zum Abschluss und zur Veröffentlichung zu bringen, hätte er in seinem Definitions- und Annahmen-Kapitel wahrscheinlich zunächst klar unterschieden zwischen einem immer, sofort und sicher verfügbarem “Geld” als einem Produktionsmittel, dessen Verwendung mit zunehmender Menge bei zunächst unterstellt gleichbleibendem Wert privatwirtschaftlich abnehmende Grenzerträge als Transaktions- und Wertaufbewahrungsmittel bringt, aber keine Zinseinnahmen. Grundlage des Geldwertes ist neben dem Liquiditätsertrag seiner möglichen Verwendungen in der Praxis a l l e i n das Vertrauen, dass dieses Geld seinen Wert zumindest behält. Dieses Vertrauen manifestiert sich durch die vielen Nachfrager. Dass diese Stabilität bei Warengeld naturgemäß, bei anderen Geldformen durch privatwirtschaftliche oder staatliche Sicherungsmaßnahmen zusätzlich gestützt wird, wäre für Thünens theoriegeleitete “isolierende” Abstraktion erstmal zweitrangig. Mit dieser Definition wären bei ihm unterschiedlichste technische und organisatorische Geldtechnologien abgedeckt, wie Gold und Silbermünzen, staatliches Papiergeld oder Bitcoins, aber auch Regionalgeld, Zigaretten in Kriegsgefangenenlagern bis hin zu den am Eingang erhältlichen Bons als Zahlungsmittel bei Festveranstaltungen.
Von Geld klar unterschieden hätte Thünen wohl den Kredit. In seiner extremen Ausprägungsform handelt es sich hierbei – sinngemäße Wiedergabe – um ein ungesichertes Finanzierungsverhältnis zwischen zwei Personen (egal ob in Geld- oder in Naturalform). Neben der zeitlich versetzten Transaktion ist der entscheidende Unterschied zu Geld, dass es beim Vertrauen in die “Wertstabilität” des ungesicherten Kredits im Gegensatz zum Geld um ein rein bilaterales Vertrauensverhältnis geht (betr. Rückzahlung, Kündigung/Anschlußfinanzierung etc.) Zur Abdeckung der Kreditproduktionskosten (Ausfälle, Verwaltung, zeitl. Verschiebung zwischen Erhalt und Rückzahlung) ist ein “Geldzins” zu zahlen. Auch hier gibt es unterschiedlichste “Sicherungsmaßnahmen” zur Wertstabiliserung (z.B. Sicherung durch Sachwerte oder/oder durch Verbriefung von Krediten), diese hat Thünen in seiner 1817er Abhandlung genutzt, um für Mecklenburg ein Pfandbriefsystem zur Abmilderung der Geldknappheit vorzuschlagen.
Allerdings: Eigenfinanzierung von Transaktionen mit eigenem Bargeld und Kreditfinanzierung können sich nach Thünen theoretisch fast vollständig substituieren.
In der Praxis gibt es beliebig viele Zwischenformen zwischen “reinen” Geld und dem “reinen” Kredit und damit m.E. auch beliebige Abgrenzungen. Diese Zwischenformen erfüllen durch ihre Eigenschaften mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen die zentralen Geldfunktionen wesentlich besser als die extreme reine Bargeldwirtschaft bzw. eine ungesicherte Kreditwirtschaft. Historisch vor allem rechtlich-organisatorisch, in den letzten Dekaden mit der Digitalisierung insbesondere aber technologisch haben sich Entwicklungen vollzogen, die m.E. Definitionen und Abgrenzungen und damit auch die empirische Überprüfungen von Theorien immer schwieriger machen.
Um ein Verständnis von wechselseitigen Zusammenhängen zwischen realwirtschaftlicher und finanzieller Sphäre zu bekommen, scheinen solch stark abstrahierenden Definitionen und Annahmen und eine mikroökonomisch fundierte Analyse mit zunächst komparativ statischen Modellen dennoch sinnvoll, wenn nicht sogar erforderlich zu sein, um über die von Thünen stets als unzureichend angesehenen Angebots-Nachfrage-Erklärungen hinwegzukommen und alle wichtigen Wechselwirkungen zu berücksichtigen.
“Gutes” d.h. wertstabiles Geld ist in Thünens Theorie ein natürlich oder organisatorisch streng limitiert zu erhöhendes, dauerhaft nutzbares Produktionsmittel. Dessen Wert wird dementsprechend durch den mit dem langfristigen Marktgleichgewichtszins diskontierten (naturaler) Liquiditätsgrenzertrag (als quasi unendliche Rente) bestimmt.
Kredite sind hingegen immer wieder zu reproduzierende Finanzierungsmittel mit endlichen Laufzeiten und damit das bekannte mengenmäßig flexible Element der Finanzwirtschaft. Investitionen bzw. Beteiligung an Realkapital (eigenes Unternehmen, Aktien) und Kreditbereitstellung bzw. Investitionen in Finanztitel stehen bei ihm in enger Verbindung. Thünens vollständig integrierter Analyserahmen für eine geschlossene Volkswirtschaft (Grenzproduktivitäts-, Renten- und Kapitaltheorie) ermöglicht m.E. zumindest theoretisch eine widerspruchsfreie Grundlage und mag auch heute noch die Chancen erhöhen, um Produkt- und Faktorpreisentwicklungen von Konsum- und Vermögensgütern vor dem Hintergrund sich ändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in einer Gesamtschau zu erklären. Aktuelle Diskussionen zu den energieintensiven Produktionskosten und Leistungen/Auswirkungen von Kryptowährungen wie auch den “Produktionskosten” von Krediten durch Bank”betriebe” bis hin zu den Kontroversen zu Zins- und Verschuldungspolitik von Staaten können damit wahrscheinlich befruchtet und vorangebracht werden.
Die Aufgabe, den Thünen´schen Ansatz theoretisch und empirisch belastbar in heutiger Terminologie und mathematisch fehlerfrei auszuarbeiten und zu überlegen, wie er in einer offenen Volkswirtschaft mit komp
Unkompliziert
Wir halten also fest, dass nach Fishers Quantitätsgleichung sowohl die Erhöhung der Geldmenge, als auch die der Umlaufgeschwindigkeit Inflation zur Folge haben kann. Dafür muss mindestens einer der beiden Faktoren wachsen, oder das Wachstum des einen Faktors das Schrumpfen des anderen überkompensieren.
Das bedeutet auch: Sollte die Geldumlaufgeschwindigkeit nicht weiter fallen, wird der Zuwachs der Geldmenge, ausgedrückt in der historisch höchsten und seit Corona immer schneller wachsenden Verschuldung der Geschichte hohe Inflation zur Folge haben.
Die Zentralbanken wetten damit in der Fortführung der bisherigen Staatsfinanzierung nach der Methode all-in auf ein weiteres Absinken der Umlaufgeschwindigkeit, um ihre Weigerung zu einer Reaktion auf Inflationstendenzen zu rechtfertigen.
Interessanterweise beurteilt ausgerechnet die Gouverneurin der russischen Zentralbank die gleichen Umstände anders:
“Auch die Corona-Maßnahmen treiben in den Augen der Zentralbank die Preise weiter in die Höhe, da die Nachfrage dadurch kaum sinke, die Produktion aber wegen Betriebsschließungen verlangsamt werde.”
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/warum-russische-unternehmen-wieder-an-die-boerse-wollen-17613461.html
Danke, die "Johnson Adress" werde ich
mir auch anschauen. Aber wie Sie neulich schrieben: Geldpolitik ist mehr Kunst als Wissenschaft. (Manchmal auch Schamanismus)
Hoffen wir, dass die Künstler in der EZB auch was können und nicht nur wollen.
Was ist Geldpolitik?
Aufgabe eine Zentralbank ist es in erster Linie für ausreichend Liquidität zu sorgen, damit die Leistungen, die erbracht werden könnten auch erbracht werden können. Stellt man zu viel Liquidität zur Verfügung kann es zu Inflation kommen. Stellt man zu wenig Liquidität zur Verfügung zu einer Rezession. Was aber nun zu viel oder zu wenig ist, lässt sich gar nicht so leicht beantworten, da die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer sich auf die Zukunft ausrichtet und wirkt. Wenn die Menschen ihre Kröten horten, dann entzieht dies dem Markt Kaufkraft. Wenn sie das Geld dafür verwenden in andere Assets zu gehen, die bereits erzeugt wurden (Altimmobilien), dann lässt das zwar die Häuserpreise steigen, aber es führt noch nicht dazu, dass auch automatisch mehr Häuser gebaut werden (können) und damit Leistungen erbracht. Und wenn die Firmen sich auf eine grüne Zukunft vorbereiten und massiv investieren müssen, dann erhöht dies deren Liquiditätsbedarf, wenn sie nicht wollen, dass ihre Aktienkurse und damit ihre Verschuldensfähigkeit einbrechen.
All das mag dem Aussenstehenden wie eine Kunst erscheinen, aber wie für jede Kunst gilt auch hier: man kann sie erlernen, sie sich aneignen wie jede Wissenschaft auch.
Es sind andere Faktoren, welche die Inflation meines Erachtens bedingen
Inflation herrscht dann, wenn die Nachfrage das verfügbare Angebot übersteigt. Auf der Konsumgüterseite sehen wir eher eine Zurückhaltung (säkulare Stagnation, da die Menschen mehr verdienen, als sie verbrauchen können, tendieren sie dazu fürs Alter zu sparen). Anders sieht es im Bereich der Investitionen aus. Da können die Staaten noch so viel Schulden machen um Aufträge für einen Green Deal, Infrastruktur, Digitalisierung etc. zu vergeben, wer soll das abarbeiten. Der Engpassfaktor ist eher das verfügbare Angebot an Arbeitskräften insbesondere im Infrastrukturbereich. Erst neulich sprach der Chef des größten italienischen Baukonzerns in der FAZ darüber, dass ihm 100.000 Arbeitskräfte fehlten. Wie soll er die Aufträge abarbeiten? Die Babyboomer gehen in Pension. Damit verlassen jedes Jahr in Deutschland 400.000 Arbeitskräfte mehr den Arbeitsmarkt als neu einsteigen. Sofern man nicht endlich ein vernünftiges Migrationsgesetz erlässt, dass diesen Mangel durch Zuzug behebt, wird die Nachfrage nach Arbeitskräften, die Kosten der Arbeit und damit die Inflation gehörig nach oben treiben. Wie auch anders?
Mit der Geldmenge hat das eher wenig zu tun. Die wächst mit jedem neuen Auftrag mit, da sie die Verschuldenskapazität der Firmen erhöht.
Lieber Herr Braunberger
als ich Ihren Artikel las, ging mir auch das Buch von Gurley und Shaw und deren Unterscheidung von Inside und Outside Money durch den Kopf. Und gestern las ich Tobins “Money and Income – post hoc ergo propter hoc.” Gerade lese ich Modiglianis presidental adress von 1976 “should we forsake stabilzation policy”. AER 1977. Damals publizierte das AER noch ökonomische Artikel – heute vermißt man sie. Beide erwidern je auf ihre Weise den Monetarismus. Mit m.E. schlagenden Argumenten. Nutzte aber nix – der Zug rollte schon. Spannend auch Modiglianis Behandlung der Angebotsschocks. Das ist auch für die gegenwärtigen Angebotsschocks von Bedeutung.
Lieber Herr Caspari,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen! Harry Johnson hat Anfang der siebziger Jahre in seiner Presidential Adress vor der AEA den Aufstieg des Monetarismus sehr gut erklärt – man hatte mit der Inflation ein Thema und eine recht simple Botschaft, wie man mit ihr fertig werden kann -, aber Johnson hatte auch schon prognostiziert,woran die Sache scheitern würde.
Viele Grüße
Gerald Braunberger
Mehr Eurodollar, mehr Inflation!
Ein weiterer Faktor, warum es keinen messbaren Zusammenhang mehr zwischen Geldmenge und Inflation gab, ist der Eurodollarmarkt, der sich in den 50er Jahren entwickelte. Das passt allerdings überhaupt nicht zu Friedmans Theorie, die insbesondere auf den Reserven beruht, die allerdings für die ökonomisch relevante Geldmenge eine völlig untergeordnete Rolle spielen.
Bei aller Kritik lag aber Friedman in einem Punkt völlig richtig: Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon in the sense that it is and can be produced only by a more rapid increase in the quantity of money than in output.
Ich hatte das ganze intellektuelle Dilemma kürzlich wie folgt beschrieben:
Wer sich abschließend fragt, warum bei so viel QE und Reserven (aka Money Printing) Wachstum und Inflation immer noch auf sich warten lassen: Die Zentralbank verfügt eben nicht über die Druckerpresse. Die mediale Erregung über QE ist dem fundamentalen Missverständnis über die Funktionsweise von Reserven geschuldet, die im ökonomischen Sinne KEIN Geld sind. Geld und somit zusätzliche Kaufkraft entsteht nicht durch die Bereitstellung von Reserven, sondern durch eine Expansion der privaten Kreditvergabe – insbesondere im Eurodollarmarkt – oder aber höhere staatliche Ausgaben als Einnahmen (aka Staatsverschuldung). https://zinsfehler.com/2021/08/31/qe-mythen/
LG Michael Stöcker