Deus ex Machina

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ZDFneo TV Lab: Asi, aber geht wohl nicht anders

Jung, frisch anders: Mit dem TV Lab versucht sich ZDFneo am Zuschauervoting im Internet. Der Deus Ex Machina jedoch spricht mit gespaltener Zunge: Nach Aussagen eines Teilnehmers ist das Manipulieren der Abstimmung die übliche Praxis beim Wettbewerb um den Sendeplatz.

In den letzten Tagen waren die Rollen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen nach dem Schema Gut-Böse verteilt: Auf der einen Seite der MDR mit seinen Skandalen, Unterschlagungen, Schiebereien und versteckten Betrügereien. Und auf der anderen Seite der junge Kanal ZDFneo: Der hat mit seinem TV Lab – für Laboratorium – jungen und innovativen Filmemachern die Türen weit aufgestossen, die Hälfte der Produktionskosten für spannende Experimente übernommen, und stellt die Ergebnisse diese Woche dem Publikum vor. Das darf dann im Internet voten, wie das heute heisst, und entscheiden, welche Ideen übernommen werden. Eine schöne Sache in traurigen Zeiten, da sich die Öffentlich-Rechtlichen unschöne Fragen wegen ihrer Vergabepraxis und Produktionskosten gefallen lassen müssen.

Bild zu:  ZDFneo TV Lab: Asi, aber geht wohl nicht anders

Und alles in allem muss man sagen: Da hat sich das ZDF wirklich Mühe gegeben. Nicht ganz uneigennützig werden beim dem Skelettfunk eher fernen, jungen Publikum Informationen abgefragt, die sich als wichtig für die Zukunftsplanung erweisen könnten: Man kann als Nutzer differenziert auf einer Skala von 1 bis 10 angeben, ob man mehr davon sehen will, wie neu das Konzept empfunden wird, und wie schön das alles ist: Einschaltsicherheit, Innovation, Gefallen. Natürlich ist ZDFneo nur wenigen Zuschauern wirklich ein bekannter Sender, natürlich ist die Gruppe der Abstimmenden nicht gross, aber so kommt aus dem Netz ein differenziertes Urteil, das für ein ganz anderes Fernsehen stehen kann, als Promis im Dschungel oder Überleben auf der Alm mit kostenpflichtigem Mobbingtelefon. So könnte tatsächlich, eventuell, die Zukunft des Fernsehens aussehen: Rückkanalfähig, konsumentenorientiert, ein faires, im Internet geschlossenes Abkommen zwischen Zuschauern, Produzenten und Sender. Vorbildcharakter. Visionär. Ein Freiraum, den es sonst nicht gibt.

Das TV-Blog der FAZ hat sich bislang alle Folgen angeschaut und bewertet, und der momentane Spitzenreiter ist ein Format namens Moviacs, eine Art neue Kinorevue des früheren Musik-TV-Moderators Nilz Bokelberg.

Das ist furchtbar unfeuilletonistisch und genau richtig fürs Fernsehen: schnell, böse – und kenntnisreich. Man merkt Bokelberg und Sullivan an, dass sie wirklich Spaß am Kino haben.

Schnell, böse, aber auch kenntnisreich ist auch das, was Nilz Bokelberg heute morgen um 9.48 Uhr seinen 4583 Mitlesern bei Google+ mitgegeben hat. Moviacs liegt bei der Abstimmung im Netz momentan recht gut im Mittelfeld, aber andere Sendungen stehen sehr viel besser da. Und deshalb bittet Bokelberg alle, die es lesen, um Mithilfe:

Das Voting geht nur noch heute und bis morgen um 15:30 Uhr, deswegen hier nochmal mein Aufruf: Bitte votet für unsere Sendung! Jede Stimme zählt! Auch wenn ihr schonmal abgestimmt habt, macht ruhig nochmal. Ich hab schon ein paarmal erlebt, das die nicht richtig gezählt wurde, oder so. Schaden kann es nix, im Gegenteil. Ihr würdet mich sehr glücklich machen! (Und auch wenn ich es nochmal sagen muss, da es bei allen anderen Kandidaten wohl Usus ist: Man muss den Spitzenreitern leider “1” Punkte geben, um unsere Chancen zu erhöhen…Asi, aber geht wohl nicht anders)
DANKE! <3

Und es hat auch den entsprechenden Teilerfolg, wie die Kommentatoren verkünden:

CURV . – gerade mit 3 mailadressen angemeldet und nochmals mit je 10 gevoted. hat sich aber nix verändert. mist. ick will wieder nen moviemag! 09:57

Joachim Fiess – so lange zdf-neo seine flash registrierung nicht im griff hat, geht da leider nix. Voll schlecht

Schon am 27. August hatte Bokelberg in eigener Sache einen anderen Aufruf gestartet:

Liebe Freunde, ab heute kann man voten! Bitte stimmt für unsere kleine, feine Sendung, das wäre ultrafantastisch! (Und, auch wenn ich das ungern dazu sage, bitte gebt so Hauptkonkurrenten wie “Teddys Show” oder “Ausgekuschelt” nur die kleinste Punktzahl, das erhöht unsere Chancen!)

Natürlich entspricht das vermutlich nicht im Mindesten dem Reglement und vermutlich auch nicht der Intention von ZDFneo, die gern ein Zuschauervoting hätten, und weniger gern einen Wettbewerb, welcher Kandidat im Internet auf die meisten Klickheerscharen kommt. Glaubt man Bokelberg (da es bei allen anderen Kandidaten wohl Usus ist), läuft es aber genau darauf hinaus. Gerne wüsste man, woher er sein Wissen um diese nach seiner Meinung von allen Beteiligten getürkte Abstimmung bezieht, und wo ähnliche Aufrufe zu finden sind.

Bild zu:  ZDFneo TV Lab: Asi, aber geht wohl nicht anders

Gerne wüsste man auch, wie das dabei in die Röhre schauende ZDFneo eigentlich mit so einem Aufruf zur Manipulation an mehrere tausend Internetnutzer umgeht: Angesichts der doch eher geringen Zuschauerzahl ist das eine Grösse, die durchaus über den ein oder anderen Platz entscheiden kann: Ob denen Asi, aber geht wohl nicht anders als Erklärung ausreicht? Gibt es da Regeln zur Qualifikation? Werden die Ergebnisse auf Anomalien durchgeschaut, und was bringt das, wenn es alle tun, und ihre Sendungen dadurch fördern, dass sie die anderen eben als nicht schön, unterhaltsam und innovativ abstempeln, weil man ihnen nur einen Punkt gibt? Wird angesichts solcher Verhaltensweisen vielleicht nochmal ein genauer Blick in die Unterlagen zu den halb gebührenfinanzierten Produktionskosten geworfen?

Es ist fraglos ein hübsches Experiment, das da auf die Beine gestellt wurde. Leider ist die Versuchsanordnung so, dass nicht der Beste gewinnen muss. Es kann auch einfach nur jener gewinnen, der im Netz die beste Unterstützung zusammentrommelt und instruiert, wie man die schärften Gegner nach unten und sich selbst nach oben bringt. Dem Zuschauer mag das Ergebnis gefallen oder nicht, ZDFneo kann auf Basis der gewonnenen Datenpanne planen oder nicht, aber immerhin beweist der Nachwuchs, dass er für das Internet ebenso fit ist wie für TV-Macher, die sich damit nicht so toll auskennen. Dem einem oder anderen jedenfalls darf man schon jetzt eine grosse Zukunft beim MDR vorhersagen, wo demnächst sicher die ein oder andere Stelle kompetent neu zu besetzen sein wird. Asi, aber geht wohl nicht anders.