Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Wie der NDR die Medienkritik der AfD bestätigt

„Das Schlagwort »Lügenpresse« und seine Varianten »Lückenpresse«, »Pinocchiopresse«, »Regierungspresse« verweisen auf die Erzählung, die etablierten Medien würden nicht die Wahrheit über Geschehnisse im In- und Ausland berichten. Hinter diesem Schlagwort steht auch die Annahme, dass die Presse durch die Politik gesteuert sei, um die Bevölkerung zu manipulieren.“

So steht es in der neuesten Broschüre der Stiftung der Ex-Stasi-IM Anetta Kahane, die sich mit “toxischen Narrativen” der “rechts-alternativen Akteure” beschäftigt. Die Autoren der Broschüre erklären, dass es noch nicht illegal ist, kritische Erzählungsstrukturen über Medien, Politik und Migration zu verbreiten, und kritisieren, dass einige mehr oder weniger rechte Akteure konsequent relevante thematische Schwerpunkte setzen und dauerhaft Kritik vortragen. Gleichzeitig macht die Stiftung erneut das, was beim “Neue Rechte”-Wiki aus dem gleichen Haus krachend gescheitert ist: Unter dem Überbegriff Alternative Rechte, abgeleitet von Alt Right, wirft sie die altnationalistische und rechtsextreme NPD mit diversen Blogs, Podcasts und Projekten bis hin zu KEN FM zusammen, die erst in den letzten Jahren entstanden. Und natürlich darf dabei auch die AfD bei “Rechts-Alternativ” nicht fehlen. Nach dem kurzen Wutausbruch im Netz – Hate Speech – sieht die staatlich massiv geförderte Stiftung das Problem also bei dem, was man gemeinhin als “zusammenhängende Argumentation” bezeichnen würde – und das alles sei zwar nicht illegal, aber doch “toxisch”. Dazu hat die Stiftung die besagten Akteure und ihre Social Media Tätigkeiten beobachtet und aufgeschlüsselt, welche Themenfelder für wen wichtig sind – übrigens mit einem Vokabular, das selbst Hate Speech ist.

Dass “die Medien” dabei nicht gut wegkommen und durchgehend scharf kritisiert werden, dürfte keinen Journalisten mehr überraschen. AfD-Anhänger sind in höchstem Masse medienkritisch, und belegen ihre Haltung gern mit Beispielen des Fehleinschätzungen der Presse während der Migrationskrise. Kritisiert wird auch eine gewisse Regierungsnähe und der Einfluss der Regierung bzw. der Parteien auf Medien – seien des die Rundfunkräte, die in roten und schwarzen Kreisen organisiert sind, sei es der Einfluss der SPD über ihre Medienholding, seien es die Vorgaben der Kanzlerin für das TV-Duell. Sie sehen die Versuche, den Attentäter von Hamburg für geistesgestört zu erklären, die medial verbreitete Oktoberfestlüge und die Folgeaktion Ausnahmslos, die mit Unterstützung von Heiko Maas und Manuela Schwesig Zurückhaltung bei der Darstellung von Problemen in den Medien forderte. Sie sind argwöhnisch, wenn alte Mails und Fragen zur Putzhilfe von Alice Weidel auftauchen – und insofern sollte man eigentlich aufpassen, und ihnen nicht neues Futter für diese Narrative liefern.

So wie es der NDR mit seiner Mediensendung Zapp und Mitarbeiter der Stiftung von Frau Kahane tun, in einer Art, die Gift für das Ansehen des Senders ist.

Es gibt da nämlich auf dem Onlineportal von Zapp einen Beitrag über die Broschüre der Stiftung. Die Autorin Carla Reveland hat sie nicht nur gelesen und für gut so gut befunden, dass sie und der NDR die Behauptung der Stiftung, das Internet sei die grösste Propagandaplattform für Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, voran stellten. Die Möglichkeit, dass in den Narrativen nicht auch der ein oder andere kleine Kern Wahrheit stecken könnte, wird erst gar nicht in Betracht gezogen. Carla Reveland spricht darüber nur mit einem “Datenanalysten” namens Miro Dittrich, der für die Stiftung die Webpräsenzen der Gruppen und Parteien ausgewertet hat. Carla Reveland macht sich dabei die Narrative der Stiftung zu eigen und schreibt:

„Geschichten darüber, dass die etablierten Medien nicht wahrheitsgemäß berichten, von “oben” gesteuert seien und die Bevölkerung manipulieren, funktionieren im Netz nach wie vor äußerst gut.“

Dafür gibt es jetzt einen weiteren guten Grund, denn die AfD in Hamburg hat auch so einen Twitterkanal, und wies vorgestern dortselbst auf eine gewisse Nähe zwischen der NDR-Mitarbeiterin Carla Reveland und der Stiftung hin. Im Cafe Knallhart – eine Art linksradikaler Versammlungsort in einem besetzten Hörsaal in Hamburg – trat eine Carla Reveland auch ale „freie Referentin (Amadeu Antonio Stiftung)“ auf.

Ich habe, wie man das so macht, deshalb einmal nachgeschaut, und tatsächlich: Frau Reveland ist nicht nur ARD-Mitarbeiterin und studiert in Hamburg an der Hamburg Media School mit Stipendium des Senders – also auf Kosten der Gebührenzahler – sie

„setzt sich ehrenamtlich bei der Amadeu Antonio Stiftung gegen Hate Speech im Netz ein.“ [Edit: Das ging schnell. Wie von Geisterhand wurde die Vita inzwischen bereinigt, aber wir haben ja den Screenshot]

Zapp ist ein erklärtes Medienmagazin, hat aber ganz offensichtlich vergessen, dass man solche massiven Interessenskonflikte offenlegen sollte. Denn Frau Reveland trat im Juni 2016 auch bei einem von der Stiftung initiierten Kongress namens Betavision auf, und berichtete dort über die Identitäre Bewegung

Der Name Betavision leitet sich von der Aktivistenvereinigung Beta Gruppe ab, die das Projekt nonazi der Stiftung ins Leben gerufen hatte. Die Zielsetzung ist klar: “Lasst uns gemeinsam das Internet zurückerobern“, titelt Betavision, und mit Clara Reveland lässt jetzt eine dieser Rückeroberinnen bei Zapp Anetta Kahane im Internet zu Wort kommen. Der Fall ist auch aus einem anderen Grund interessant: Der „Neue Rechte“-Pranger, der nach einem Sturm der Entrüstung seitens der CDU vom Netz genommen wurde, wurde bei diesem Kongress beworben.

Auch ein projekt das in der betagruppe entstanden ist, wird auf der Betavision von Victoria Schulte vorgestellt: „Das Wiki der Neuen Rechten“. Das Wiki „Neue Rechte“ dient dem Zweck, Verbindungen zwischen den Akteur*innen und das Netzwerk hinter den „Neuen Rechten“ offenzulegen, um einen Überblick zu geben und Zusammenhänge besser erkennbar zu machen. Der Vortrag gibt einen Einblick in die Entstehung des Wiki, seine Funktionsweise und die wenig begeisterten Reaktionen der Rechten.

Und auch der NDR-Zapp-Gesprächspartner und Datenanalyst Miro Dittrich trat dort als Redner auf. Miro Dittrich und Carla Reveland sind allerdings nicht nur durch die Kahanestiftung miteinander verbunden, Der Beitrag über die Broschüre ist beim NDR am 7. September erschienen. Drei Tage davor, am 4. September, erschien beim traditionell AfD-kritischen und vor allem durch politisch aktive Stiftungen finanzierten Portal correctiv ein Beitrag über rechte Narrative während des TV-Duells zwischen Bundeskanzlerin Merkel und ihrem Herausforderer Schulz. Die Autoren des Beitrags: Die NDR-Zapp-Autorin Clara Reveland und Miro Dittrich.

Es ist nicht mein Narrativ, aber Clara Reveland und Miro Dittrich sind lange für die Stiftung von Frau Kahane als Referenten und Aktivisten aktiv, und arbeiten zusammen für die „Schwarzbuch AfD“-Herausgeber von correctiv – aber beim NDR-Medienmagazin Zapp treten sie ohne Offenlegung der Interessenskonflikte als Journalistin und Interviewpartner auf.

Und Frau Reveland mit dem Stipendium des NDR beklagt sich in diesem NDR-Beitrag, dass „Geschichten darüber, dass die etablierten Medien nicht wahrheitsgemäß berichten, von “oben” gesteuert seien und die Bevölkerung manipulieren“, im Netz gut funktionieren.

Wer noch etwas tiefer gräbt, findet unter anderem noch bei Vocer noch ein älteres Interview von Carla Reveland mit dem NDR-Mitarbeiter Patrick Gensing, den sie als ihr journalistisches Vorbild bezeichnet – das antifafreundliche und Rechte überwachende Blog „publikative“, das Gensing gegründet hat, war laut Impressum wiederum bei der Amadeu Antonio Stiftung. Verschwörungstheoretiker haben also genug wahre Kerne, um darauf ihre eigene Weltsicht der Verbindungen zwischen der Stiftung und ihren Freunden und Unterstützern in Politik und Medien zu gründen.

Es kann sein, dass der ganze Fall nur ein Ausrutscher einer unachtsamen Redaktion und einer übereifrigen und unerfahrenen Mitarbeiterin ist. Einer dieser dummen und überflüssigen Fehler, die so offensichtlich sind, dass jeder, der Google bedienen kann, die Hintergründe findet. Der NDR und die Redaktion von Zapp können völlig ahnungslos gewesen sein. Aber der Beitrag ist nun mal dort veröffentlicht worden, und die Interessenskollisionen wurden mit keinem Wort erwähnt. Wenn der NDR dazu nichts sagt, und die AfD die Zusammenhänge findet, muss man damit leben, dass die AfD ungehindert auf den nachweisbaren Fakten ihr eigenes Narrativ entwirft. Nach der Bundestagswahl hat sie mit einer eigenen Fraktion weitaus bessere Möglichkeiten dazu, und sie wird auch Journalisten fragen, ob sie nicht als Fraktionsmitarbeiter für sie tätig werden wollen. “NDR-Stipendiatin hetzt zusammen mit Nebenjobkollegen gegen die AfD bei ARD.de – und beide sind Aktivisten der mit Steuergeldern finanzierten Stiftung“ – so könnten Interessierte das, was man in einer Stunde über einen läppischen PR-Beitrag zusammenklauben kann, auch aufarbeiten. Momentan betreibt die AfD vor allem die klassischen Strategien „Preaching to the converted“ und „Painting lipstick on a pig“: Sie wendet sich mit der Medienkritik an ihre eigenen Anhänger und versucht, die eigenen Tabubrüche und Skandale zu beschönigen. Aber es ist absehbar, dass sie vier Jahre bleiben und Kritik auf sich ziehen wird. Und wenn die Kritik so wie bei Zapp gemacht ist, wird es der Partei leicht fallen, die Angriffe abzuwehren, gegen ihre Verursacher zu wenden, und sich den eigenen Anhängern als Opfer einer Verschwörung zu präsentieren.