Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Die schwedische Penisvergrösserungspumpe auf dem Mond

Daten als Ersatz für die Seele, und die DNA als angeblicher Kern des Wesens: Eine britische firma will eine halbe Milliarde Pfund einsammeln, um eine Sicherheitskopie der Menschheit auf den Mond zu schiessen,

Die Agentenkomödie „Austin Powers“ beginnt dreissig Jahre vor der eigentlichen Handlung: Der Schurke Dr. Evil entkommt von der Erde, und sein Verfolger Austin Powers lässt sich einfrieren, um ihm, sollte er wiederkehren, endgültig das Handwerk zu legen. 1997 ist es dann soweit, und nach einer längeren Auftauprozess wird Powers – hier im Video nach ca. sechs Minuten – sein Eigentum ausgehändigt. Ein Samtanzug, ein Rüschenhemd, eine Platte mit den Hits von Burt Bacharach und

eine schwedische Penisvergrösserungspumpe.

Powers, der von seiner neuen Partnerin begleitet wird, streitet vehement ab, dass sie ihm gehört, aber dann kommt dafür auch noch eine Rechnung mit seinem Namen zum Vorschein, ein auf ihn ausgestellter Garantieschein und, als er sagt, er wisse gar nicht, was man damit tun soll, das von ihm geschriebene Buch „Mein Leben mit der schwedischen Penisvergrösserungspumpe – genau mein Ding, Baby“. Für Powers, der es längst auf seine Partnerin abgesehen hat, ist das im Jahr 1997 natürlich relativ unerfreulich, aber wer hätte das in den wilden Sechzigern schon ahnen können.

Heute, wieder 17 Jahre später, ist die Technologie weiter, und in einer Dekade plant die britische Firma Lunar Mission One. den Traum vom Konservieren wahr zu machen. Nun, natürlich nicht den ganzen Körper, sondern nur ein kleines Stück von einem Haar des Menschen, in dem sich die DNA befindet. Dazu soll, und jetzt kommt der Dr.-Evil-Teil der Idee, ein Raumschiff auf den Mond geschossen werden, das ein bis zu hundert Meter tiefes Loch ausbohrt und dann mit so einer Art Speicher füllt – eben mit den Haarteilen von Menschen und Daten, die sie über sich auch gern so dabei hätten, Texte, Bilder, Musik, Videoplaylisten mit der Austin Powers Schlussszene, wo die schwedische Penisvergrösserungspumpe auch eingesetzt wird. Fünfzig britische Pfund, soviel wie ein Rüschenhemd, soll der Spass kosten, und der Initiator braucht zehn Millionen Teilnehmer, um die halbe Milliarde Pfund zusammen zu bringen, die das Projekt nach Stand der Dinge kosten wird.

Nun wissen wir natürlich alle, dass das britische Pfund in einer halben Generation das Kleingeld der chinesischen Währung sein wird, so, wie die Insel von Bankstern und Privatisierern zugrunde gewirtschaftet wurde, und überhaupt klingt das alles nach einer ähnlich guten Idee wie Geldanlage in Bitcoins oder die Konstruktion eines Weltraumaufzugs. Was ich an der ganzen Geschichte aber wirklich spannend finde, ist die Reduktion von dem, was Menschen als erhaltenswert erachten. Wir leben in einem agnostischen Zeitalter, man glaubt nicht mehr ans Christkind und auch das Paradies ist nicht mehr das, was es vor dem 2. Vatikanum war – die Sache mit der unsterblichen Seele wird also von weiten Teilen der Menschheit angezweifelt. Und dann kommt so ein Ersatzangebot daher und meint: Gib mir ein Haar und Deine Daten und wir speichern Dich in einem Loch im Mond – ist zwar nicht der Himmel, aber es kostet auch nur fünfzig Pfund. Gewissermassen die Seele des digitalen Zeitalters unter Nutzung der wirtschaftlichen Synergieeffekte und des medizinisch-technischen Fortschritts.

Mich erstaunt seit dem Geschäftserfolg von Jamba und den Lehman-Zertifikaten nicht, dass jemand so doof ist und sich irgendwas davon verspricht, wenn ein Haufen vollkommen uninteressantes Material in einem drei Meter tiefen Loch am Südpol eines lebensfeindlichen Wüstentrabanten herumgammelt. Ich finde es auch inzwischen normal, dass Menschen sich keine Gedanken um Themen wie Rückholbarkeit und Datenauslesung machen, oder wer eigentlich diesen bescheuerten Mond nach diesem Plunder absuchen soll. Mich erstaunt wirklich diese Reduktion auf zwei modische Aspekte des Lebens, die beide recht neu sind: Die DNA, die erst vor kurzem entschlüsselt wurde, und der belanglose Datenmüll, der sich so sammelt und auch Austin Powers wird sich etwas gedacht haben, als er die schwedische Penisvergrösserungspumpe aufbewahren liess – so etwas in der Art macht man bei der Lunar Mission One auch. Man versucht, mit Daten etwas zu konstruieren, was einen ausdrückt. Selbst, wenn die Daten in ihrer Begrenztheit über den Menschen und sein Denken und Fühlen auch nicht aussagekräftiger als die Pumpe über Powers sind. Man generiert einen zeitlich definierten Ausschnitt aus der eigenen Existenz über einen Speicher, dem die wenigsten alles und die meisten aus guten Gründen sehr vieles nicht anvertrauen. Die Seele macht nicht mehr das Wesen eines Menschen aus, sie ist hier eine Kompilation von verfügbaren und speicherbaren Informationen. Der Rest wird ausgeblendet. Dass bei Austin Powers folgerichtig eine Karikatur mit Samtanzug und Rüschenhemd heraus kommt, ist Absicht, aber vielleicht plant Gründer David Iron auch eine Art Update-Service, mit dem man später für erheblich mehr Geld auch unschöne Daten verschwinden lassen kann. Muss ja nicht jeder wissen, dass man ausgerechnet die Szene aus Austin Powers nachspielen kann, in der es um die schwedi wo war ich

Ach so ja, die DNA. Noch so ein Modebegriff, Dr. Evil wird später auch aus seiner DNA geclont. Dieser Glaube an die DNA ist auch so eine auf den ersten Blick sehr technische Sache, aber mit einer religiös verstörenden Komponente: In der DNA liegt auch der Glaube an die Prädestination des Menschen. DNA, das sind wir, das ist unabänderlich. Schicksal. Fatum. Eine sehr, sehr christliche Vorstellung, denn spätestens seit Augustinus von Hippo kam der freie Wille des Menschen theologisch in Misskredit, und das christliche Abendland hat sich mit Demut und gehorsam vor einer höheren, keinesfalls zu hinterfragenden Instanz ganz gut eingerichtet, in einer Epoche, die man gern als „das finstere Mittelalter“ bezeichnet. Der Mensch denkt vielleicht, aber dort, wo früher Gott gelenkt hat, sieht man heute gern die DNA am Werk. Man sagt das auch gerne, die DNA eines Unternehmens, einer Mannschaft, einer Firma für lunare Penisvergrösserungspumpen sei so oder so. Aber was sagt mein Haar darüber aus, ob ich die Ideen von David Iron schätze, oder nicht?

Deshalb kommt in diese Debatte der Vorschlag, dass man dafür Schulkinder gewinnen will. Richtig, man möchte mit so einer Klitsche an die jungen und indoktrinierbaren Kinder heran, wie es auch die Kirche gern gemacht hat. Und das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass die halbe Milliarde nicht auf dem Mond verbohrt, sondern ganz irdisch als Fehlinvestition in britische Peseten endet: Wissenschaftler mit solchen kindsverderbenden Ideen, die der nächsten Generation Datenhaufen als Wesen und DNA als Natur des Menschen verticken, und behaupten, es gäbe für die Einzigartigkeit des Lebens einen „Backup Drive“, tun keinem nach unseren Vorstellungen zivilisierten und aufgeklärten Land auf Dauer gut.

Sollte Herr Iron jedoch, seiner eigenen Prädestinationslehre ergeben, den ersten Flug selbst durchführen und so lange zur Sicherheit – Backup Drive ist die neue schwedische Penisvergrösserungspumpe – einen Datenhaufen und ein Haar hier auf der Erde zurücklassen, könnte ich mich eventuell bemüssigt fühlen, doch fünfzig britische Pfund dafür crowdzufunden. What could possibly go wrong? Sollte er etwas länger in seinem Loch am Südpol des Mondes verweilen, werden wir das, was ihn ausmacht, ja weiter unter uns haben. Und immer, wenn ich dann hoch zum Mond schaue, werde ich denken: Die Idee war voll daneben, aber irgendwie ist die Welt dadurch nicht dümmer geworden, und die Kinder lernen hoffentlich, dass sie selbst ihre eigene Datensicherung sind, dass ihnen das niemand abnehmen kann, und das Leben jenseits von DNA und Daten spielt.

Zum Beispiel mit einer schwedischen Penisvergrösserungspumpe.

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