1. Ein Beitrag der Ökonomen Matthew Higgins und Thomas Klitgaard im Liberty-Blog gibt Gelegenheit, wieder einmal einen Blick auf die Euro-Peripherie zu werfen. Die obige Grafik zeigt für Südeuropa eindrücklich, was wir in unseren FAZIT-Reihen zu Portugal und Spanien für diese beiden Länder ausführlich behandelt haben: den außerordentlich kräftigen Rückgang der Defizite im Außenhandel mit Gütern und Dienstleistungen. Das Ende des Zeitalters hoher Leistungsbilanzdefizite scheint dort nahe zu sein – aber ist es das auch auf Dauer?
2. Higgins/Klitgaard erinneren daran, was eine (annähernd) ausgeglichene Leistungsbilanz bedeutet: Im Inland entsprechen sich Ersparnis und Investitionen (annähernd); das heißt, der Bedarf an neuen Kapitalzuflüssen aus dem Ausland erübrigt sich (weitgehend). Allerdings hat sich (annähernde) Gleichgewicht der Leistungsbilanz bei einem deutlich rückläufigen BIP und hoher Arbeitslosigkeit eingestellt.
3. Gleichwohl kann keine Rede davon sein, dass die Verbesserung der Leistungsbilanz alleine oder ganz überwiegend das Ergebnis rückläufiger Importe wäre. Wie die Tabelle unten zeigt, sind in den vergangenen Jahren die Exporte besonders in Spanien, Portugal und Italien deutlich gestiegen. Die höheren Exporte bedeuten eine teilweise Kompensation der rückläufigen Binnennachfrage. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Weltmarktanteile Spaniens und Portugals in den vergangenen Jahren leicht zugenommen haben. Italien hat seinen Anteil in etwa gehalten, der Anteil Griechenlands ist zurückgegangen.
4. Die Grafik unten zeigt eine Ursache des Exportwachstums: Die traditionell stak auf den europäischen Markt ausgerichteten südeuropäischen Länder haben sich stärker für Exporte in Länder außerhalb des Euroraums geöffnet. Das ist im Grundsatz eine erfreuliche Entwicklung.
5. Das waren die guten Nachrichten. Nun kommen die großen Herausforderungen für die südlichen Peripherienationen. Die erste Herausforderung ist, die Leistungsbilanz nachhaltig nicht wieder in hoher Defizite abgleiten zu lassen. Diese Gefahr wird sich dann einstellen, wenn mit einer Belebung der Konjunktur naturgemäß die Importe wieder deutlich zunehmen. Dann werden auch die Exporte nachhaltig wachsen müssen und hierfür bedarf es einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Reformen, weil die Peripherie trotz der Exportfortschritte in den vergangenen Jahren immer noch sehr stark von der Binnenwirtschaft abhängt. Ein wichtiges Ziel dieser Reformen besteht darin, exportorientierten Unternehmen leichter Zugang zu Kapital und Arbeitskräften zu verschaffen. Daten zeigen, dass viele Peripherieunternehmen unter einem Mangel an Eigenkapital leiden, der ihre Expansion hemmt, und die bisherigen Arbeitsmarktregeln schrecken von der unbefristeten Einstellung von Arbeitskräften ab.
6. Die binnenwirtschaftliche Anpassung der vergangenen Jahre ging in der Peripherie sehr stark zu Lasten der Investitionen. Dass seit 2008 die Immobilieninvestitionen deutlich zurückgegangen sind, ist angesichts der Immobilienkrise in Spanien verständlich. Aber es sind auch die übrigen Investitionen deutlich zurückgegangen. (Der Beitrag von Higgins/Klitgaard enthält eine anschauliche Grafik.) Ein nachhaltige Erholung der Wirtschaft und damit auch der Exporte ist ohne eine lebhaftere Investitionstätigkeit kaum vorstellbar.
7. Die dritte – und nicht geringste – Herausforderung ist der Umgang mit den als Folge der früheren Leistungsbilanzdefizite entstandenen hohen Beständen an Auslandsschulden. Wir haben in einem früheren Beitrag das Beispiel Portugals beschrieben: “Mitte der neunziger Jahre hatte Portugal kaum Auslandsschulden; aber im Jahre 2007 entsprachen die Auslandsschulden mit 165 Milliarden Euro bereits in etwa dem portugiesischen BIP. Die wichtigste Ursache dieser Kapitalströme war die Finanzierung von Leistungsbilanzsalden gegenüber EU-Partnerländern; die Leistungsbilanz gegenüber Nicht-EU-Ländern war niemals extrem defizitär.” Diese Bestandsprobleme in der Peripherie wurden schon von vielen Ökonomen angesprochen.
8. Solange die ausländischen Kapitalgeber Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit besitzen, werden sie nicht auf schnellen Rückzahlungen ihrer Forderungen gegenüber der Peripherie bestehen. Im Falle fehlenden Vertrauens kann es hingegen, wie nicht nur in der Peripherie bereits beobachtet, zur plötzlichen Verweigerung ausländischer Kapitalgeber kommen, fällige Auslandsforderungen zu prolongieren. Diese sogenannten “sudden stops” sind grenzüberschreitend für die Konjunktur und die Finanzstabilität außerordentlich gefährlich – in der jüngsten Krise wurden sie über die Target-Salden ausgeglichen, was aber keine dauerhafte Lösung sein kann.