Der Kapitalismus wandelt sich: Statt Fabriken braucht es Patente. Davon profitiert nicht jeder, denn im Kapitalismus ohne Kapital ist der Zins niedrig.
Was unterscheidet eine Internetplattform, auf der ein Unternehmen seine Produkte anbietet, von einer Bohrplattform, mit der ein Ölkonzern Rohöl aus großer Tiefe fördert? Natürlich kostet nicht jede Bohrplattform so viel wie das Ungetüm vor der Küste Angolas, dessen Konstruktion dem Ölkonzern Total neun Milliarden Dollar wert waren. Aber im Grundsatz lässt sich ein Trend beobachten, der Unternehmen in der aufziehenden Wissensgesellschaft weniger in Sachkapital wie Fabriken, Maschinen und andere Ausrüstungen investieren lässt. Stattdessen investieren die Unternehmen mehr in sogenanntes “immaterielles Kapital”, das viel weniger kostet: in Software, in Patente, in Forschung und Entwicklung oder in Markenrechte. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen.
Was auf den ersten Blick wie eine Begleiterscheinung des technischen Fortschritts wirkt, besitzt erhebliche volkswirtschaftliche Konsequenzen, die sich bis zum Zins niederschlagen, den der Sparer für seine Bankguthaben erhält. Denn mit dem Trend zu immer mehr immateriellem Kapital sind die Unternehmen in den Industrienationen, insgesamt betrachtet, selbst zu Netto-Sparern geworden. Das heißt, sie sparen mehr, als sie investieren. Sichtbar sind diese Ersparnisse in einem starken Wachstum von Finanzvermögen in den Bilanzen der Unternehmen.
Das ist, sollte sich dieser Trend nicht wieder umkehren, eine Zeitenwende. Denn seit Generationen sparen in den volkswirtschaftlichen Lehrbüchern die privaten Haushalte, während die Unternehmen investieren. Wenn aber nun auch noch die Unternehmen zu Sparern werden, wer soll diese Ersparnisse dann noch aufnehmen? Es bliebe der Staat, der angesichts hoher Schulden nach Ansicht vieler Ökonomen aber auch lieber sparen sollte. Dann bliebe als Adressat für die Ersparnisse nur noch das Ausland übrig. Das ist der Weg, den Deutschland seit langem beschreitet, denn die Überschüsse in der Leistungsbilanz gleichen dem Überschuss deutscher Ersparnisse über deutsche Investitionen.
Das deutsche Modell, was immer man von ihm hält, könnte aber ohnehin nicht von allen Ländern nachgeahmt werden. Es können, solange kein interplanetarer Handel existiert, nicht alle Länder auf der Erde mehr sparen, als sie investieren. Wenn aber ein hohes Angebot an Ersparnissen auf eine niedrige Nachfrage nach Sachinvestitionen stößt, sinkt der Zins. Das ist der wichtigste Grund, warum die Zinsen in den vergangenen Jahrzehnten in den Industrienationen gesunken sind und vermutlich noch lange niedrig bleiben werden.
Seit Jahren arbeiten Ökonomen an der Frage nach den Ursachen des niedrigen Zinses. Die Einflüsse sind zahlreich; zu nennen wären unter anderem die Demographie, die schwache Produktivitätsentwicklung, die Geldpolitik, eine säkulare Stagnation der entwickelten Volkswirtschaften, der Preisverfall für viele Kapitalgüter und anderes. Die Bedeutung der Zunahme immateriellen Kapitals, das seinen Nutzer nicht viel kostet, ist ein weiterer Grund, der aber erst seit kurzer Zeit intensiv erforscht wird (zum Beispiel hier und hier.)
Einer der Väter dieser Forschung ist der amerikanische Ökonom Charles Hulten von der University of Maryland. Hulten schaute sich vor etwa zehn Jahren das Unternehmen Microsoft an und sah in der Bilanz des Jahres 2006 Fabriken und Ausrüstungen im Wert von 3 Milliarden Dollar sowie Finanzanlagen über 60 Milliarden Dollar. Zusammen mit ein paar kleineren Positionen kam Microsoft in seiner Bilanz auf Vermögenswerte von 70 Milliarden Dollar. An der Börse war Microsoft damals aber schon 250 Milliarden Dollar wert. Nun neigt die Börse gelegentlich zu Übertreibungen, aber aus dem Geschäft, das sich aus der Bilanz des Unternehmens erkennen ließ, war ein Börsenwert von 250 Milliarden Dollar bei weitem nicht herleitbar.
Stattdessen war der Börsenwert eher herleitbar aus Anmerkungen im Geschäftsbericht. Hier entdeckte Hulten zahlreiche Hinweise auf immaterielles Kapital, darunter die Entwicklung spezieller Produkte und Prozesse, Investitionen in die betriebliche Organisation sowie die Schaffung und den Ausbau von Plattformen im Internet. Die Ökonomen Jonathan Haskel und Stian Westlake, die ein in der englischsprachigen Welt hochgelobtes Buch über immaterielles Kapital geschrieben haben, sprechen von einem “Kapitalismus ohne Kapital”. Wo es kein Kapital gibt, kann es keinen hohen Zins geben. Technischer Fortschritt verbessert insgesamt das Leben der Menschen, aber auch ihn gibt es nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen.
Immaterielles Kapital hat noch ganz andere ökonomische Wirkungen. Aus der Sicht von Banken eignet es sich nicht so gut als Kreditsicherheit wie eine Immobilie. Das ist ein Grund, warum die Banken in den Industrienationen in den vergangenen Jahrzehnten ihre Immobilienkredite zu Lasten der Investitionskredite ausgeweitet haben. Ob sich daraus zusätzliche Risiken für die Finanzstabilität ergeben, bleibt unter Ökonomen umstritten.
Kaum umstritten ist aber zumindest für die Vereinigten Staaten, dass der wachsende Anteil immateriellen Kapitals die Konzentration in der amerikanischen Wirtschaft gefördert haben dürfte, auch wenn hierfür noch andere Gründe vorliegen mögen. Aktuelle Studien zeigen eine besonders starke Nutzung immateriellen Kapitals in den großen Unternehmen, die damit ihre ohnehin schon starke Marktstellung ausbauen. Die größten Produktivitätsgewinne aus der Nutzung immateriellen Kapitals lassen sich in der Konsumgüterindustrie nachweisen, während die größten Marktanteilsgewinne für die Großunternehmen in der Pharmaindustrie beobachtet werden können.
Was bedeuten diese Trends für die Wirtschaftspolitik? Sicherlich bleibt es vorteilhaft, gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen. Aber die seit langem beobachtbare schwache Investitionstätigkeit in vielen Ländern ist nicht allein Ausdruck schlechter Rahmenbedingungen, hoher Verunsicherung der Unternehmen oder einer nicht genügend starken Konjunktur. Sie ist auch Ausdruck technischen Fortschritts.
Schließlich erklärt das Vordringen immateriellen Kapitals zum Teil, wenn auch nicht zur Gänze, eines der bekanntesten Rätsel in der modernen Volkswirtschaftslehre (beschrieben zum Beispiel hier). Das ist die ungewöhnlich große Diskrepanz zwischen den Kapitalrenditen der Unternehmen und den Renditen für sichere Anlagen wie Staatsanleihen. Da immaterielles Kapital nicht in der Bilanz steht, werden die Kapitalrenditen vieler Unternehmen wohl zu hoch ausgewiesen.
Dieser Artikel ist zuerst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen.
Kapitalismus ohne Kapital?
In dem Beitrag wird das Buch „Kapitalismus ohne Kapital“ zitiert. Die These, dass wissensintensive Unternehmen nur wenig Kapital benötigen, ist jedoch nicht ganz nachzuvollziehen. Im Gegenteil haben IT-Unternehmen häufig ein außerordentlich hohes (Eigen-)Kapital.
Die bereits zitierte SAP wies für 2018 Passiva von 51,5 Milliarden Euro aus. Hiervon bestanden 28,8 Milliarden aus Eigenmitteln. Die Umsatzerlöse beliefen sich hingegen auf lediglich 24,7 Milliarden.
Das Eigenkapital ist also höher als der Umsatz! Die Passiva sind sogar mehr als doppelt so groß. Solch extreme Relationen finden sich in der klassischen Industrie allenfalls in sehr, sehr kapitalintensiven Branchen wie Petrochemie, Ölförderung oder Chip-Produktion.
Das enorm hohe EK resultiert ganz überwiegend aus Gewinnrücklagen. Die SAP verdient bestens und kann sich daher großzügige Rücklagen leisten.
Dank des immensen Eigenkapitals besteht eine mehr als ausreichende Deckung für den im anderen Post erwähnten sehr hohen Goodwill. Selbst wenn die SAP aus irgendeinem Grund plötzlich den gesamten Geschäftswert abschreiben müsste, wäre Vorstandschef Bill McDermott nicht gezwungen, seinen schwarzen Anzug aus dem Kleiderschrank zu holen und zum Konkursrichter zu marschieren.
Banken würden auf den Goodwill keinen Cent leihen. Auch bei immateriellen Aktiva tun sie sich schwer. Die kurz- und langfristigen Finanzverbindlichkeiten der SAP betragen insgesamt nur 11,5 Milliarden Euro. Das können die in längstens zwei Jahren aus dem Cash-Flow zurückzahlen.
Fazit: Um die luftigen Assets decken zu können, die nicht viel weniger als die Hälfte der Vermögenswerte bilden, hat sich die SAP notgedrungen entschieden, ihren Aktionären keine allzu üppigen Dividenden zu zahlen, sondern einen relativ großen Anteil der Gewinne zu thesaurieren, um die haftenden Eigenmittel zu stärken.
Die Wissensökonomie funktioniert gewiss anders als die Schornsteinindustrie. Ein Kapitalismus ohne Kapital ist sie allerdings nicht.
Immaterielle Vermögensgegenstände
Natürlich sind diese bilanzierbar. Natürlich kommen sie gerade kleinen Unternehmen zugute, wenn größere Unternehmen Schutzrechtportfolien kaufen.
Der Sinn von Patenten ist ein volkswirtschaftlich gemeinnütziger(!): Als Gegenleistung dafür, dass ein Unternehmen sein Knowhow offenbart, bekommt es zeitlich befristet ein Verbietungsrecht, bei dem es ganz nebenbei noch die Beweislast trägt.
Der Artikel hinterlässt viele Fragen.
Goodwill
Neben den in dem Beitrag erwähnten Schattenseiten gibt es in finanzieller Hinsicht weitere Probleme des technischen Fortschritts. Das Stichwort lautet Goodwill oder Firmenwert.
Forschung und Entwicklung sind sehr aufwendig, zeitraubend und mit hohen Risiken behaftet. Statt selbst in neue Labors zu investieren und Ingenieure einzustellen, kaufen viele Konzerne lieber andere, innovative Firmen auf. In der Regel bezahlen sie hierfür Preise, die weit über den in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerten liegen, zu denen im Übrigen auch immaterielle Aktiva (Patente, Gebrauchsmuster, Markenrechte) gehören.
Die Differenz zwischen Kaufpreis und Substanzwert weist der übernehmende Konzern in seiner Bilanz als Goodwill aus. Diese Restgröße kann sehr beträchtlich sein, wie der Fall Bayer zeigt. Der Chemiekonzern hat den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto in erster Linie wegen dessen weltweit führender Stellung in der Grünen Biotechnologie gekauft.
Infolge der Übernahme schoss die Position „Immaterielle Aktiva“ in der Bilanz von Bayer gewaltig in die Höhe – von rund zwölf Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 37 Milliarden ein Jahr später. Ebenso dramatisch ist der Anstieg des Goodwills, er nahm von 15 auf 38 Milliarden Euro zu. Goodwill und immaterielle Aktiva machen zusammen rund 60 Prozent der Vermögenswerte des Bayer-Konzerns aus.
Ein weiteres Beispiel ist der IT-Konzern SAP, der in den vergangenen Jahren eine Reihe hochspezialisierter Softwarehäuser übernommen hat. In der Bilanz spiegeln sich die hohen Kaufpreise als Goodwill von knapp 24 Milliarden Euro wider. Das entspricht einem Anteil von 46 Prozent an den gesamten Aktiva der SAP SE.
Es ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Goodwill und immateriellen Aktiva zu beachten. Letztere umfassen Patente und Markenrechte, also konkrete Wirtschaftsgüter, die einen Marktwert haben und die im Prinzip veräußert werden können.
Hingegen spiegelt der Goodwill unter anderem die allgemeine Kompetenz einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung wider, die über die einzelnen patentrechtlich geschützten Erfindungen hinausgeht. Welchen Wert aber die Sachkunde und die Erfahrung haben, die in den Köpfen der Entwicklungs-Ingenieure stecken, lässt sich schlichtweg nicht exakt ermitteln. Überdies verlieren die Unternehmen dieses Wissen, wenn die Mitarbeiter kündigen.
Der Goodwill klebt an dem Unternehmen, das den Firmenwert in der Bilanz aktiviert. Er lässt sich nicht verkaufen, er kann nicht verliehen oder verpfändet werden, keine Bank akzeptiert den Geschäftswert als Sicherheit für einen Kredit.
Bayer und SAP sind nun keineswegs die einzigen Unternehmen, in deren Bilanz die außerordentlich vage Größe Goodwill eines der wertvollsten Assets ist. Solche Firmen finden sich in allen wissensintensiven Branchen – in Pharmazie, Agrochemie und Medizintechnik ebenso wie in Telekommunikation, Computertechnik und Software.
Der Goodwill muss nach einer Revision des Bilanzstandards IFRS vor 15 Jahren nicht mehr regelmäßig abgeschrieben werden; Wertberichtigungen sind nur nach einem Impairment Test erforderlich und überhaupt zulässig. Anleger, die in forschungsintensive, durch Akquisitionen gewachsene Unternehmen investieren, sollten sich klar machen: In den Bilanzen steckt oft gewaltig viel heiße Luft.
Sorry, aber da geht mir einiges durcheinander...
Fangen wir mit dem Begriff “Kapital” selbst an. Dieser hat nichts mit den Vermögensgegenständen (materieller oder immaterieller Art) zu tun, die ein Unternehmen aufweist. Kapital steht auf der rechten, der Passivseite der Bilanz, Vermögen auf der linken Aktivseite. Die in diesem Beitrag diskutierten Gegenstände sind allesamt Aktiva. Demgegenüber stehen die Passiva, um die es hier zunächst gehen soll. Hier war die Behauptung, dass der niedrige Zins von der Art des daran gebundenen Vermögens abhängt. Dabei ist der auf Kapital geforderte Zins (bzw. genauer dessen Rendite) zunächst ein Maß für das Gesamtrisiko des Kapitals auf dessen Zins- und Rückzahlung. Und der Referenzwert dafür ist schlußendlich der risikolose Zins der Notenbanken, die in den vergangenen Jahrzehnten seit 2000 eben diese Zinsen immer weiter abgesenkt haben, um die politisch-strukturellen Schwächen der westlichen Volkswirtschaften erträglicher zu machen. DAS ist der primäre Grund für die momentan niedrigen Zinsen. Der andere Aspekt betrifft die Nachfrage nach Kapital sowie dessen Risiko: Man sieht leicht, dass die Anhäufung immaterieller Vermögensgegenstände die Kapitalnachfrage leichter und rascher ankurbeln kann als TANGIBLE ASSETS dies könnten. Patente und Computercode etc. lassen sich nun einmal schneller und billiger erstellen als Produktionsanlagen in Stahl und Eisen. Und letztere müssen auch noch ausgelastet werden, bevor man weitere Anlagen baut. Die Nachfrage nach old economy-Gütern begrenzt hier also die Kapitalnachfrage. Goodwill kann man hingegen z.B. durch eine teure Akquisition bis zur Unkenntlichkeit aufblasen. Wie lastet man eigentlich Patente, Code oder Goodwill aus, bevor man weiteres davon anschafft?? Man sieht leicht, dass hohe Buchwerte all dieser immateriellen Vermögensgegenstände frisches Kapital auf der Passivseite rascher “ansaugen” kann als vergleichsweise harte Assets in der old economy.
Der Kapitalbedarf der Unternehmen hätte am Markt unweigerlich zu steigenden Renditen führen müssen – wären da nicht die Notenbanken gewesen, die dagegen gehalten haben und die eine oder andere Preisblase mitverursacht haben. Aber nicht nur der reine Kapitalbedarf sollte die Renditen nach oben treiben, sondern auch das dem Kapital anhaftende Risiko. Eine Produktionsanlage der old economy wird relativ lange, zuverlässig ausgelastet werden und Gewinn abwerfen, sodass ein Ausfall von Rendite und Rückzahlung auf das mit ihr verbundene Kapital nicht sehr wahrscheinlich ist. Aber was, wenn eine Akquisition nicht die versprochenen Synergien abwirft? Dann muss der Goodwill abgewertet werden, was Kapital vernichtet und Auszahlungen auf das Kapital ausfallen lässt. Lassen sich die Kapitalgeber dieses Risiko durch hohe Renditen vergüten? Not anymore! Man steckt zu Hauf Kapital in Anlagen mit hohem Ausfallrisiko – warum? Um gegen den allgemeinen Abwärtstrend der Zinsen noch Reste einer Nettorendite nach Steuern und Inflation übrig zu haben. Ein Beispiel gefällig? Der Markt der Mittelstandsanleihen hat soviele Totalausfälle gesehen, dass die formal üppigen Zinsen dort – gemessen an risikolosen Bundesanleihen – sicher drastisch zu niedrig lagen. In einigen Fällen konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der mögliche Ausfall der Anleihen im Geschäftsmodell mit einkalkuliert war. Warum sonst wurden hohe Zinsen für Anleihen geboten, wenn übliche Zinsen für Bankkredite doch zur gleichen Zeit viel niedriger lagen? Nein, die eigentliche Erklärung für die Zinsmisere ist die Verkettung von durch Sättigung der Produktmärkte (z.B. auch amer. Immobilienmarkt) verursachte Krisen, denen Politik und Notenbanken massenweise billiges Geld hinterhergeworfen haben, gefolgt von der durch die resultierenden Niedrigzinsen verursachte Anlegerkrise, gefolgt von “Gier frisst Hirn”… Große, immaterielle Vermögensgegenstände sind nicht die Ursache der niedrigen Zinsen, sondern allenfalls ein Symptom derselben und ein Katalysator für eine weitere Verschärfung, falls diese Vermögensgegenstände in Zukunft rasch neu und niedriger bewertet werden müssen.
Bedeutung des immateriellen Kapitals
Das IM zeichnet sich, sieht man mal von Patent – und Markenrechten ab, in einer Wissensgesellschaft vorwiegend im Kopf der Mitarbeiter. D,.h. das IM geht nicht unter mit dem Untergang des Unternehmens. Die Internetkrise hat dies deutlich gezeigt: Die Nerds haben einfach woanders ihr Wissen eingebracht und schon ging es weiter. In meinen Augen war dieInternetblase die größte privat finanzierte Aus- und Weiterbildung aller Zeiten. Damit hat IM das Zeug Krisen einer Volkswirtschaft bedeutend schneller abzufedern als reales Kapital.
Abschied von realen Märkten: Während die EZB leugnen lässt, die Anleihemärkte zu verzerren
… ist Japan schon einen Schritt weiter. Ungeniert baut dort die Notenbank nun auch Kulissen auf dem Aktienmarkt
“Japans Notenbank größter Aktionär bei 55 Unternehmen” … meldet dazu das Handelsblatt am 24.08.2016.
Dazu ergänzt das Anlegermagazin “Der Aktionär” am 30.08.2016:
“Die japanische Notenbank kauft schon seit Jahren nicht nur Anleihen sondern auch Aktien. Genauer gesagt kauft sie börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Diese wiederum investieren das Geld dann in Aktien. Mittlerweile ist die Bank of Japan in Besitz von rund 70 Prozent aller japanischen ETF-Anteile …
Vor kurzem wurde beschlossen, die Investitionen in Aktien auf umgerechnet 53 Milliarden Euro zu erhöhen – und zwar pro Monat”
(Zitat Ende)
Mit anderen Zahlen (aber dem gleichen Fazit) wartet finanzen100.de am 27.07.2017 auf:
“Die Notenbank kauft dabei ETFs auf den marktbreiten Topix-Index. Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg summieren sich die Käufe der japanischen Notenbank inzwischen auf 14,8 Billionen Yen (133,2 Mrd. Dollar) – damit besitzt die Notenbank horrende 71 Prozent der japanischen Aktien-ETFs.
Die Käufe der Notenbank führen zu erheblichen Verzerrungen”.
(Zitat Ende)
Wie lange eine “Marktwirtschaft ohne Markt” wohl handlungsfähig bleibt ?
Sie schreiben:
“Wie lange eine „Marktwirtschaft ohne Markt“ wohl handlungsfähig bleibt ?”
Wenn man die Demografie berücksichtigt und für Japan die Entwicklung des BIP pro Kopf betrachtet, ist das eigentlich gar nicht so schlecht. Grundsätzlich sollen Beiträge wie der meine zeigen, dass es eine unzulässige Verkürzung ist, die Zinsentwicklung der vergangenen Jahrzehnte alleine der Geldpolitik anzulasten. Im Ausland sind breitere Ansätze längst Standard.
Gruß
gb
Japan ..
Über die japanische Wirtschaft kann man manches sagen und vieles mag nicht einmal sonderlich negativ sein. Bei den inflations- und kaufkraftbereinigten pro-Kopf BIP-Daten muss man aber wohl etwas vorsichtig sein. Ich habe diverse Daten für Japan gefunden, die sich erheblich widersprechen. Eins ist ziemlich sicher: Dass sich die BOJ mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Great Crash der japanischen Aktien- und Immobilienmärkte veranlasst fühlt, “Wert”-papierkäufe ins Endlose zu steigern, ist ein Armutszeugnis ohnegleichen. Ein Hinweis, dass die Krise immer nur verschleppt wurde.
QE, das auf Draghis “whatever it takes” folgte hatte die Wirkung, dass im Lauf der Zeit sämtliche Risiken aus den Anleihemärkten ausgepreist wurden. Am Kursverlauf der Anleihen von 2012 kann jeder Schüler die Wirkung von QE auf Anleihenzinsen erkennen:
https://images.derstandard.at/img/2014/07/25/draghigrafik.jpg?tc=2000&s=55c82d6b
Die Grafik zeigt nur Italien und Spanien, aber das gleiche geschah in vielen anderen Ländern, bspw. Belgien. So wird eine Art illusionären Schwebezustand per Aushebelung der natürlichen Sanktionsmechanismen im Falle grober Fehler geschaffen. Anleihen mit nahe 0% Zins im Falle kritischer Überschuldung sind eine Absurdität. Das Risiko verschwindet natürlich nur scheinbar. Im Fall Euro wird es ersatzhalber immer stärker von den Devisenmärkten abgebildet.
Was die methodische Enteignung von Gläubiger für Investitionen und Konsum und die Privilegierung von Schuldnern bedeutet, wird womögilch erst im Lauf der Zeit sichtbar werden. Mit den Voraussetzungen, durch die Marktwirtschaften zur erfolgreichsten Wirtschaftsform aller Zeiten wurden, hat das jedenfalls nichts mehr zu tun.
Sie schreiben: “Im Fall Euro wird es ersatzhalber immer stärker von den Devisenmärkten abgebildet.”
Der handelsgewichtete Wechselkurs des Euros ist heute in etwa da, wo er vor 20 Jahren war. Und der Yen ist alles andere als eine Schwachwährung, obgleich die Staatsverschuldung in Relation zum BIP dort viel höher ist als in der Eurozone und die Bank von Japan auch prozentual mehr kauft.
Gruß
gb