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Die Piraten – Anatomie eines Desasters

Von der modernen Bürgerrechtspartei zur linken Splittergruppe, die überall Nazis sieht: Den Linksradikalen der Piraten ist es auch diesmal gelungen, die Partei noch etwas unwählbarer zu machen.

Den grössten Erfolg errang die Piratenpartei bei der Europawahl vor dem Bundesverfassungsgericht: Das entschied, dass die bisherige Prozenthürde ersatzlos gestrichen wird. Für die Piraten waren das ideale Voraussetzungen, nach der bösen Schlappe bei der Bundestagswahl mit nur 2,2% der Stimmen wieder ein besseres Ergebnis einzufahren: Die Europawahl war noch immer gut für Protestparteien, und niemand musste diesmal Angst haben, seine Stimme würde wegen der 5%-Hürde verloren gehen. Die Piraten bekamen letztlich nur desaströse 1,4% und verloren damit erneut seit der Bundestagswahl ein Drittel ihres Stimmenanteils. Angesichts der deutlich niedrigeren Wahlbeteiligung machten sogar nur noch rund halb so viele Wähler ihr Kreuzerl bei einer Partei, die vor nicht allzu langer Zeit als Verkörperung einer basisdemokratischen, ideologiefernen und modernen Bürgerrechtspartei galt. Was sich da aber zur Europawahl präsentierte, war etwas ganz anderes:

1. Die Spitzenkandidatin Julia Reda. Ungeniert und ohne die viel gelobte Basisunterstützung forderte die gerade eben mit dem Studium fertige Politikerin unter anderem den Bau eines Weltraumaufzugs, was, vorsichtig gesagt, nicht eben ein zentrales Anliegen der Mehrheiten ist. Ihre bisherigen politischen Leistungen lagen vor allem in der Leitung der Jungen Piraten, einer die Partei angeblich unterstützenden Jugendorganisation, unter deren Schirm Reda schon mal einen Antifakongress befürwortete. Die Jungen Piraten selbst waren als Organisation in der Vergangenheit neben schrillen Tönen vom linken Rand eher durch katastrophale Buchführung und nicht entlastete Vorstände aufgefallen. Bei einer in den letzten beiden Jahren von Linksradikalen dominierten Partei, die mitunter Antifafahnen auf ihren Parteitagen aufhängt, kam sie offensichtlich besser an, als beim Wähler, der sich Kompetenz und Erfahrung gemeinhin anders vorstellt.

2. Netzthemen nur am Rande: Andere linke Parteien sagten den Wählern, dass sie gegen das Freihandelsabkommen mit den USA kämpften, und konnten durchaus Erfolge vorweisen. Die Piraten stellten lieber die unverständliche Abkürzung TTIP in den Vordergrund. Dazu gab es weitere für den Wähler schwer verdauliche Punkte: Das Bedingungslose Grundeinkommen, das mit dem ehemaligen und wenig beliebten Politischen Geschäftsführer Johannes Ponader untrennbar verbunden ist. „Europa Grenzenlos“ war der Titel der übergreifenden Kampagne, die eine besonders liberale Haltung zur Zuwanderung und Mobilität beinhaltete – mitunter forderte man gar die Abschaffung der Aussengrenzen der EU. Hier wirkte wohl die Verquickung der Piraten in Berlin mit dem von der Antifa geförderten Protestcamp auf dem Oranienplatz nach. 2012 gab es dafür viel Aufmerksamkeit in den Medien und auch eine Spende, deren Verbleib bis heute nicht umfassend geklärt ist. 2014 gab es für dieses eher schwierige Alleinstellungsmerkmal kaum Unterstützung von den Wählern, die sich früher vielleicht durchaus für die netzpolitischen, aber weitgehend zu Nebenaspekten degradierten Themen der Piraten interessiert haben.

3. #Bombergate. Man kann sich natürlich in Dresden hinstellen und sich den Körrper mit „THANKS BOMBER HARRIS“ bepinseln lassen, um sich für den Luftkrieg im 2. Weltkrieg zu bedanken. Man kann sich dabei vermummen und als die umstrittene Gruppe „Femen“ ausgeben. Man kann lügen und wenn die Öffentlichkeit unbequeme Fragen stellt, als Parteivorstand die Pressesprecherin anweisen, der Presse einen zeigefingerwedelnden Brief zu schicken, um ihr zu erklären, wie sie ihren Job zu machen habe. Man kann die Beteiligung abstreiten und bei der späteren, mehr erzwungenen denn freiwilligen Begründung mit neuen Unwahrheiten und Anschuldigungen gegen andere aufwarten. Man kann auch nachträglich behaupten, man sei keine Antideutsche, selbst wenn es für einen eine „Antideutsche Twitterdemo“ gab. Und man kann seine Antifa- und  andere Freunde über Medien und parteiinterne Kritiker herziehen lassen. Nur ist das alles eher nur so mittelklug, wenn man auf einem nicht ganz aussichtslosen Platz 5 die Liste der Piraten ziert und auch nicht plant, diese Liste von der eigenen Person zu befreien, wenn das alles rauskommt und der bestimmende Wahlknaller der Partei wird.

4. #kBuvo: Und wenn dann noch der Parteivorstand im Streit über diese und andere Eskapaden platzt, kommt das auch nicht so gut an. Genau das ist den Piraten passiert, drei der sieben Vorstände wollten eine Politik nicht mehr mittragen, die geprägt wurde durch Antifafahnen, Verständnis für die Krawalle in Hamburg und enge persönliche Verflechtungen des Vorsitzenden mit dem linkslastigen Parteiflügel, der mit Forderungen wie dem Recht auf Abtreibung bis zur Geburt aufwartete. Nach dem Rücktritt der bisherigen Mitglieder war der Vorstand zwar handlungsunfähig, setzte sich dann aber selbst als kommissarischen Bundesvorstand ein und nahm in seiner Machtfülle auch gleich noch ein neues Mitglied ohne jeden Basisentscheid auf. Der eigentlich umgehend nötige ausserordentliche Bundesparteitag wird nun im Juni abgehalten, und zwar in Halle ist Ostdeutschland – möglichst schwer erreichbar für die eher sozialdemokratisch eingestellten Landesverbände Westdeutschlands.

5. Demotivation der Mitglieder: Die Piratenpartei hat immer noch über 28000 nur teilweise zahlende Mitglieder und sollte eigentlich in der Lage sein, einen intensiven Wahlkampf zu führen. Die Partei hatte aber auch auf der Liste weit vorne eine Person, die Wahlkampfauftritte und Buchpromotion verknüpfte, und zudem gern finanzielle Mittel für eine Bahncard gehabt hätte, und dieses Bestreben neben ihrer Sicht des Feminismus in den Vordergrund stellte. Sie hatte eine Spitzenkandidatin, die deutlich machte, dass sie sich nicht sonderlich dafür interessiert, ob ihre eigenen Anträge von der basisdemokratischen Partei abgelehnt wurde, und die Talkshow im Mumble mit den Listenmitgliedern wurde trotz heftiger Kritik von einer Person des linken Flügels moderiert, die gerne Nazis und parteiinterne Kritiker in einen Topf warf. Ganz zum Schluss des verkorksten Wahlkampfs betonte dann noch die Nummer 9 der EU-Liste, er unterstelle der Antifa, dass sie bei ihren Eierwürfen schon zielen könnte. Davon distanzierten sich viele Piraten und der Landesvorstand Hessen, aber nicht der kBuvo, dessen Vorsitzender zufälligerweise seine Brötchen bei der Fraktion im Rat der Stadt Frankfurt verdient, bei der der Eierwurfverteidiger den Fraktionsvorsitz inne hat.

6. AfD und sonstige Feindbilder: Was bleibt einem also als Partei, deren ursprüngliche, weitreichende Ziele einer neuen, transparenten Art der Politik – man denke an „Ihr seid die mit den Antworten! Wir sind die mit den Fragen!“ – durch einen dogmatischen Linkskurs der Cliquen mit Verteufelung der parteiinternen Kritiker und Beschimpfung der verbliebenen Medien ersetzt werden? Noch mehr Linksradikalismus und Abarbeiten an anderen Aufregerorganisationen wie AfD und der neuen Montagsdemo. Links gegen Rechts, Antifaschismus gegen Leute, die man nicht leiden kann und der Versuch, sich als die Kraft zu etablieren, die etwas gegen den Rechtsruck unternimmt. Legt man die alten Ideale ab, stellt man Bürgerbeteiligung in den Hintergrund und will man gar nicht mehr als offene Plattform verstanden werden, bleibt nur die eigene, reine Lehre der Kaderpartei und die negative Abgrenzung, indem man nicht mehr sagt, wofür man steht, sondern wogegen man kämpft. Gleich nach der Wahl wurde an der neuen Agenda der Partei gestrickt: Das Ergebnis der EU-Walen zeige nur die Notwendigkeit einer breiten antifaschisten Bewegung.

Hier deutet sich schon der nächste Konflikt an, dessen Motto lauten wird „Wer uns nicht hilft, hilft den Nazis“. Als Beleg für die Richtigkeit dieser Ansätze gilt ihren Verteidigern das Ergebnis der Piraten in Berlin, in deren Szenebezirken sie deutlich über 3% kommen. Allerdings ist sie mit genau diesem Programm und diesen Kandidaten auch in Bundesländern durchgefallen, die früher durchaus grosse Fraktionen in die Landtage gewält haben. Was bleibt, ist eine von inneren Querelen zerissene Splitterpartei, deren für das Debakel verantwortliche Köpfe keinerlei Anlass für Selbstkritik finden: Das ist dann der vielleicht letzte Moment, zu dem noch einmal die Karte der Basisdemokratie gespielt wird, schliesslich hätte man Kandidaten und Programm gemeinsam gewählt. Ob die Partei nach dem ausserordentlichen Parteitag eine Wende schaffen wird, muss sich noch zeigen. Erste Wortmeldungen aus dem linksradikalen Spektrum deuten jedoch schon darauf hin, dass es nicht ohne eine weitere, hässliche Schlammschlacht ablaufen wird. Oder wie manche so schön sagen: “Lernen durch Schmerz, nur ohne Lernen.”

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