Der deutsche Makroökonom Rüdiger Bachmann hat sich in einem Interview in FAZIT gegen Versuche gewandt, deutsche und amerikanische Ökonomen gegeneinander auszuspielen. Wir wollen das Thema weiter führen und auf die Analysen von Finanzmärkten ausweiten. Hier werden sehr spannende und sehr wichtige Themen diskutiert.
Ein in FAZIT häufig bearbeitetes Thema ist die stärkere Behandlung von Finanzmärkten in gesamtwirtschaftlichen Analysen, weil diese angesichts der jüngsten Krise notwendig erscheint, aber sowohl in den Lehrbuchdarstellungen des Keynesianismus wie in den traditionellen Darstellungen des Ordoliberalismus unterbelichtet bleibt. 1) Exzesse an Finanzmärkten – im Boom wie in der Krise – können erhebliche Schäden für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung erzeugen. Dieses “Macrofinance” getaufte Gebiet wird von Ökonomen aus vielen Ländern – darunter auch von deutschen und amerikanischen Ökonomen – bearbeitet und verbindet makroökonomische Betrachtungen mit Finanztheorie und Institutionenökonomik. Es ist theoretisch wie empirisch nicht abgeschlossen, aber von einer erheblichen praktischen Bedeutung. Nicht zufällig haben sich alleine in den vergangenen Wochen drei hochkarätig besetzte internationale Konferenzen mit diesen Themen befasst – bei der Banque de France, beim Internationalen Währungsfonds und bei der Schwedischen Reichsbank.
Wir verweisen anhand von Beiträgen in FAZIT (in denen sich Links zur Spezialliteratur finden) auf wichtige Aspekte. Die Liste ist nicht vollständig:
2) Die drei Konzepte Geldwertstabilität, Stabilität des Finanzsystems und Tragfähigkeit der Staatsverschuldung sind entgegen traditionellen Vorstellungen miteinander verbunden und nicht mehr getrennt analysierbar. Daraus folgt: Eine institutionell verankerte Unabhängigkeit der Zentralbank verhindert nicht automatisch, dass Geldpolitik unter die Kontrolle der Regierung (“Fiskaldominanz”) oder der Banken (“Finanzdominanz”) gerät.
3) Da Geldwertstabilität und Stabilität des Finanzsystems gemeinsam betrachtet werden müssen, bekommt das Verhältnis zwischen traditioneller Geldpolitik und Regulierungspolitik (“makroprudentielle Politik”) eine erhebliche Bedeutung. Wie dieses Verhältnis optimal aussieht, ist heftig umstritten, weil bisher weder theoretisch noch empirisch einwandfrei bestimmt. Das heißt vor allem, dass die Regelbindung der Geldpolitik wünschbar bleibt, aber gegenwärtig keine theoretisch streng hergeleitete akzeptable geldpolitische Regel existiert. 2) Schwierigkeiten entstehen auch dadurch, dass es neben dem herkömmlichen Konjunkturzyklus einen sogenannten Finanzzyklus gibt, aber beide Zyklen nicht synchron laufen. Auch aus den reichen Erfahrungen der Finanzgeschichte lassen sich keine Patentrezepte ableiten.
4) Auch wenn das europäische Finanzsystem stark auf Banken beruht, ist dies international nicht der Fall. Andere Finanzhäuser wie Versicherungen, Pensionsfonds oder Schattenbanken sind aus der Perspektive der Stabilität ebenfalls sehr wichtig – gerade in der Zeit der “zweiten Welle der Liquidität”. Daraus entstehen für Regulierer schwierige Fragen, zum Beispiel: Wie viel Regulierungsarbitrage ist hinnehmbar? Und sind sehr einfache Regeln nicht besser als sehr komplizierte? Schließlich: Wenn als Folge von Regulierungen die Liquidität an Finanzmärkten verschwindet, entstehen daraus Gefahren für die Finanzstabilität?
5) Die internationalen Wirkungen der Geld- und Finanzmarktpolitik großer Staaten beziehungsweise Währungsräume sind gerade in kleineren offenen Volkswirtschaften spürbar. Das Studium der Übertragungswege – vor allem die Rolle der Banken mit Blick auf das Eingehen von Risiken – ist sehr aufschlussreich. Früher sprachen Ökonomen vom “Trilemma” – der Unmöglichkeit, freien Kapitalverkehr, feste Wechselkurse und geldpolitische Autonomie zu verbinden. Vor Jahrzehnten wurden flexible Wechselkurse als Lösung empfohlen. Heute stellt sich die Frage nach dem “Dilemma” – weil selbst bei flexiblen Wechselkursen die Freiheit des Kapitalverkehrs nicht zwingend mit geldpolitischer Autonomie einhergeht. Damit landet man bei der grundsätzlichen Frage, ob freier Kapitalverkehr immer und überall segensreich ist.
1) Keynes selbst war ein exzellenter Kenner der Theorie und Praxis von Finanzmärkten. Die meisten – aber nicht alle – Spielarten des Keynesianismus haben Finanzmärkte dagegen unterschätzt. Zu den Ausnahmen zählen Hyman Minsky und James Tobin.Heute spielen Finanzmärkte auch in (manchen, aber nicht allen) modernen neokeynesianischen Modellen eine größere Rolle als vor der Krise.
2) Das erklärt unsere in FAZIT häufiger geäußerte Distanz gegenüber der Taylor-Regel und dem “Inflation Targeting” und gleichzeitig unsere Sympathie für die pragmatische Zwei-Säulen-Strategie, die Otmar Issing für die EZB entwickelt hatte.
[…] 1) Dieses “Macrofinance” genannte Gebiet haben wir häufig behandelt; eine Zusammenfassung befindet sich hier. […]
Danke
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich für die interessanten Artikel hier zu bedanken. Sachliche Debatten um aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen vermisst man in den hiesigen deutschsprachigen Medien nur allzu oft. Weiter so.
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Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank! Ich verspreche Ihnen, dass wir uns weiterhin bemühen werden. An interessanten Themen dürfte es auch in den kommenden Jahren nicht fehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerald Braunberger
Minsky Moment
Im Grunde genommen ist das alles doch gar nicht so kompliziert, wie es immer dargestellt wird: Ist die allgemeine Verschuldung zu groß (d.h. die Ansprüche von jemanden an einen anderen – also Staats- und Privatverschuldung sowie Ansprüche an das Sozialsystem) dann fließt immer mehr Geld ohne eine produktive Gegenleistung in der Gegenwart. Das ist erst einmal kein Problem, solange das nicht überhand nimmt.
Zu dumm:
– seit 43 Jahren reines Fiatgeld – ohne Deckung beliebig vermehrbar.
– Regierungen kaufen Stimmen mit “gedruckten Geld”- d.H Schulden
– sie gönnen ihren Untertanen kein Eigentum – d.h. Kapitalakkumulation (ok, die Cronies dürfen das, aber der Existenzgründer und Unternehmer muß sich verschulden)
– Teilreserversysteme für alles – nicht nur für Geld sondern auch für Gold (“Gold und Goldforderungen” , Aktien – Leerverkäufe, sonst. Derivate, ABSse auf alles)
– Schulden wachsen exponentiell (darum verbannen Bildrungsreformer die Exponentialfunktion so gerne aus dem Mathematikunterricht)
– Shop, Shop until you drop – auf Kredit natürlich
– Alle Assetpreise (Unternehmen, Wohnungen- sind ja nix anderes, Kapitalanlagen) werden immer höher bewertet -> mehr Geld im Umlauf = des anderen seine Schulden im Fiatgeldsystem
Irgendwann kommt mal das Kind, was sagt, daß der Kaiser unbekleidet umherläuft und die ganzen Assetpreise korrigieren massiv nach unten – das ist dann der “Minsky Moment” . Kommt bald.
Und die Regierungen können nichts dagegen tun. Sie richten ja auch schon jetzt mit ihren billigen Stimmenkauf (schuldenfinanzierte Sozialprogramme) Regulierungen usw. schon Schaden an.
Eher hebt vom BER ein Flieger ab, als daß die Regierung den Finanzmarkt im Griff haben kann.
Sie scheinen auf Verschwörungskurs.
“– seit 43 Jahren reines Fiatgeld – ohne Deckung beliebig vermehrbar.”
Entscheident ist, dass Geld funktioniert und nicht, ob es gedeckt ist oder nicht. Wir leben mit seit Einführung der D-Mark mit ungedeckten Geld!
“– Regierungen kaufen Stimmen mit “gedruckten Geld”- d.H Schulden”
Schulden an sich sind noch kein Problem. Problematisch ist, wofür Schulden gemacht werden.
“– sie gönnen ihren Untertanen kein Eigentum – d.h. Kapitalakkumulation (ok, die Cronies dürfen das, aber der Existenzgründer und Unternehmer muß sich verschulden)”
Dass sich Existenzgründer und Unternehmer verschulden, ist doch nicht schuld des Staates, sondern ist ein gegebener Umstand, an den einfach niemand schuld hat. Und Unternehmer verschulden sich aus praktischen Gründen, denn die haben nicht so viel Geld auf dem Konto liegen, sondern sehr viele Sachwerte in Form von Maschinen, Fahrzeugen, Computern usw. Verschuldet heißt nunmal nicht überschuldet.
“– Schulden wachsen exponentiell (darum verbannen Bildrungsreformer die Exponentialfunktion so gerne aus dem Mathematikunterricht)”
Bullshit. Solche simplen mathematischen Funktionen nach wie vor Teil des Mathematikunterrichtes.
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Der Diskurs greift viel zu kurz. Unsere freie Marktwirtschaft konterkariert sich z.T selbst, was originaere Definition und deren tatsaechliche Ausfuehrung angeht, siehe Aspekte wie Markttransparenz fuer alle Beteiligten oder Verhinderung von Oligopolen. Auch ist diese Form der Marktwirtschaft nur EINE Spielart – man koennte hier sehr gut anders und weiter interpretieren. Eine sehr gute Einfuehrung hierzu ist “The great transformation” von von Polanyi. Auch ist die Frage zu stellen nach den Grenzen des Wachstums durch Firmenfusionen und wieviel Marktmacht durch einzelne Firmen unser System eigentlich verkraftet. Deregulierungen sind hier auf alle Faelle genau die falschen Loesungen.
Regulierung der Notenbanken
Ein Aspekt, der in einer um die monetäre Dimension erweiterten Betrachtung Aufmerksamkeit verdient, ist die weitgehende Selbststeuerung und Selbstermächtigung von Notenbanken. Gerade am Beispiel der EZB wäre es interessant, mehr über die bestehende und/oder wünschenswerte Regulierung der Notenbanken zu erfahren.
Dazu gibt es viele Debatten und viele Beiträge und das Thema ist so komplex, dass es einen eigenen Artikel in FAZIT wert wäre. Wenn Geld-, Finanzstabilitäts- und Finanzpolitik in der Praxis ineinander greifen, stellt sich immer die Frage, wie weit das gesetzliche Mandat einer Zentralbank reicht und inwieweit sie in Zielkonflikte gerät – zumal manche Maßnahmen einer Zentralbank gleichzeitig geld- und finanzpolitischen Charakter haben können.Klar ist, dass sich die Politik und die Wahrnehmung vieler Zentralbanken seit der Krise verändert haben. Aber klar ist beim heutigen Stand überhaupt nicht, was daraus folgt. Gruß gb.
[…] Fazit: Keynes oder die Ordoliberalen – und was wirklich wichtig ist […]