Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Milton Friedmans Glanzzeit

| 17 Lesermeinungen

Bücherkiste (20): Edward Nelson rekonstruiert das theoretische und empirische Werk des berühmten Monetaristen und  Ökonomie-Nobelpreisträgers.

Das Interesse am Werk Milton Friedmans (1912 bis 2006) nimmt nicht nur in den Vereinigten Staaten aus zwei Gründen zu. Die steigenden Inflationsraten werfen die Frage auf, ob an der von Friedman wortmächtig vertretenen, vom ökonomischen Mainstream aber verbannten These eines engen Zusammenhangs zwischen Geldmenge und Inflationsrate vielleicht doch etwas dran ist. Zudem erinnern sich in einer Zeit zunehmenden Staatsvertrauens Freiheitsfreunde an Friedmans Lobpreisung von Liberalismus und Marktwirtschaft in seinen auch in deutscher Sprache erschienenen internationalen Bestsellern „Capitalism and Freedom“ („Kapitalismus und Freiheit“) und, zusammen mit seiner Frau Rose verfasst, „Free to Choose“ („Chancen, die ich meine“).


Mit Friedmans Werk und Wirken als Ökonom zwischen 1932 und 1972 befasst sich ein von dem Wirtschaftswissenschaftler Edward Nelson verfasstes zweibändiges voluminöses Werk (hier und hier). In zwei weiteren Bänden soll Friedmans Wirken in den Jahren nach 1972 behandelt werden – also jene Zeit, in der eine an der Geldmenge ausgerichtete Politik in mehreren Ländern ausprobiert und überwiegend bald wieder verworfen wurde. Das Jahr 1972 als Endpunkt für die ersten beiden Bände begründet Nelson mit der Ansicht, zu diesem Zeitpunkt habe Friedmans Laufbahn als innovativer ökonomischer Denker ein Ende gefunden. Im Jahre 1976 erhielt der Amerikaner für seine Arbeiten den von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften vergebenen Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. 


Über Friedman als bekanntestem Vertreter der liberalen Chicago-Schule, die dem interventionistischen keynesianischen Geist entgegen trat, wurde viel geschrieben. Weniger bekannt ist, wie sehr Friedman seine Laufbahn als ein im Geiste von Keynes arbeitender Ökonom begonnen hatte und sich auch noch später eine Wertschätzung für den britischen Ökonomen bewahrte – allerdings weniger für dessen Nachfolger.


Seine eigenen Akzente begann der in New York geborene Ökonom in den fünfziger Jahren in Chicago zu setzen. Er distanzierte sich von der damaligen Mehrheitsmeinung der Ökonomen; stattdessen befürwortete er eine auf der alten Quantitätstheorie beruhende Renaissance der Geldpolitik. Die Quantitätstheorie postuliert einen engen Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflationsrate. Später wurde hierfür der Begriff Monetarismus geprägt.


Aufmerksamkeit erlangte Friedman anfangs durch empirische Arbeiten wie dem mit Anna J. Schwarz verfassten Buch „A Monetary History of the United States“. Darin vertraten die Autoren die Idee, die verheerende Depression der dreißiger Jahre sei das Ergebnis einer zu straffen Geldpolitik gewesen, nicht aber Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Versagens, das eine aktive Finanzpolitik begründe. Auch für die Nachkriegszeit legte Friedman Arbeiten vor, die in einer an strengen Regeln ausgerichtete Geldpolitik im Vergleich zu aktiver Finanzpolitik die bessere Konjunktursteuerung sahen.


Nelson zeigt, wie schwer sich die Keynesianer lange Zeit taten, diese Kritik überhaupt ernst zu nehmen. Friedmans Empirie war hinterfragbar, vor allem aber schien er auch aus Sicht mancher Anhänger kein konkurrenzfähiges theoretisches Arsenal zu besitzen. Nelson verwendet viel Platz und Mühe, um ein solches Arsenal zu rekonstruieren, aber er räumt ein, dass es hierfür auch der Analyse wenig bekannter Arbeiten Friedmans bedarf.


Friedman selbst hielt seinen Konkurrenten Paul Samuelson aus dem Blickwinkel mathematisch formulierter Wirtschaftstheorie für überlegen; für sich beanspruchte er jedoch, den für eine gute Wirtschaftspolitik besseren Rahmen zu liefern. Respekt schuf sich Friedman durch einen sehr aggressiven und pointierten Diskussionsstil, hinter dem sich nicht nur ein sehr wacher Intellekt verbarg, sondern auch eine beneidenswerte Gabe, komplizierte ökonomische Sachverhalte nachvollziehbar zu erläutern.


Friedmans theoretisches Meisterstück war das Konzept der „natürlichen Rate der Arbeitslosigkeit“, die durch expansive Geldpolitik nicht gesenkt werden kann. (Zusammengefasst hat Friedman diese Analyse in seiner Vorlesung anlässlich der Vergabe des Nobel-Gedächtnispreises.) In diesem Zusammenhang zeigte er die Bedeutung von Erwartungen für die Wirksamkeit von Geldpolitik. Nelson analysiert einprägsam, wie sehr dieses Konzept die wirtschaftswissenschaftliche Forschung in den siebziger und achtziger Jahren befruchtet hat und in welch starkem Maße die moderne makroökonomische Theorie, obgleich sie sich wieder auf Keynes beruft und völlig andere Modelle verwendet, auch durch Gedanken Friedmans geprägt ist. Eine Renaissance der Orientierung der Geldpolitik an der Geldmenge ist daraus allerdings nicht gefolgt.


Friedman vertrat die Auffassung, seine Arbeit als Ökonom stehe gänzlich unabhängig von seiner Arbeit als Herold des Liberalismus. Selbst ein keynesianischer Widersacher wie Franco Modigliani schien dem mit seinem berühmten Satz zuzustimmen, man könne im Prinzip gleichzeitig Monetarist und Sozialist sein. Nelson äußert begründete Zweifel an dieser These: Die Wirksamkeit Friedmans als Ökonom erklärt sich nicht nur mit seinen Arbeiten zur Geldpolitik, sondern auch mit seiner Strahlkraft als Befürworter der Marktwirtschaft, die ihm Anhänger unter Fachkollegen wie unter Politikern zuführte. 

 

In FAZIT haben wir uns schon häufiger mit Milton Friedman befasst, unter anderem hier und hier und hier.

 

 

Die bisherigen Beiträge der Reihe “Bücherkiste”:

Bücherkiste (19): Wichtige Lehren alter Meister

Bücherkiste (18): Der Einfluss der Wirtschaftsweisen

Bücherkiste (17): Resilienz ist Bürgerpflicht

Bücherkiste (16): Ökologische Krisen

Bücherkiste (15): Moderne Wirtschaftslehre

Bücherkiste (14): Eine demografisch-ökonomische Abwärtsspirale

Bücherkiste (13): Sind Finanzmärkte effizient oder ineffizient?

Bücherkiste (12): Das geheime Erbe Ludwig Erhards

Bücherkiste (11): Alles Egoisten!

Bücherkiste (10): Weg mit den Schulden!

Bücherkiste (9): Die Festung der Makroökonomen

Bücherkiste (8): Dollar-Dominanz

Bücherkiste (7): Die Rückkehr der Erben

Bücherkiste (6): Die Rückkehr der Meister (Smith, Marx, Hayek)

Bücherkiste (5): Geld hilft selten aus der Armut

Bücherkiste (4): Die Bankenlobby redet Schwachsinn

Bücherkiste (3): Warum Nationen scheitern

Bücherkiste (2): Ökonomen für jedermann – Eine Reihe im F.A.Z.-Buchverlag nimmt Gestalt an

Bücherkiste (1): Wie uns Ökonomen vom Dunkel ins Licht führen – Anmerkungen zum neuen Buch von Sylvia Nasar

 


17 Lesermeinungen

  1. Heismann sagt:

    Friedman: "Extremely small in Magnitude"
    Das Zitat aus dem verlinkten Paper von Milton Friedman lautet vollständig:

    „6. Whether my conjecture on this score is right or wrong, the Euro-dollar market has almost surely raised the world’s nominal money supply (expressed in dollar equivalents) and has thus made the world price level (expressed in dollar equivalents) higher than it would otherwise be, Alternatively, if it is desired to define the money supply exclusive of Euro-dollar deposits, the same effect can he described in terms of a rise in the velocity of the world’s money supply. However, this effect, while clear in direction, must he extremely small in magnitude.“

    Mit anderen Worten: Der Euro-Dollar-Markt hat in der Tat Auswirkungen auf die Geldmenge. Die quantitativen Effekte sind allerdings vernachlässigbar klein.

    Der Euro-Dollar-Markt war also aller Wahrscheinlichkeit nicht dafür verantwortlich, dass es nach der unkonventionellen Entscheidung der Fed keine heftige Inflation gab.

    Es kann also keine Rede davon sein, dass Friedman 1984 „vergessen“ hätte, was er 1971 geschrieben hat.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Ja, es hat ab den siebziger Jahren zahlreiche empirische Untersuchungen zu dem Thema gegeben, übrigens auch zum Euro-DM-Markt, der in Deutschland besonders interessierte. Das war, ähnlich wie die Sonderziehungsrechte, ein Thema, mit dem bis in die neunziger Jahre viele Doktorhüte vergeben worden sind. Auch die Zentralbanken waren natürlich an der Empirie interessiert – aber dann stellte sich heraus, dass die Daten nicht viel her gaben.

      Gruß
      gb

    • Gerald Braunberger sagt:

      Im Nachhinein boten vor allem nationale Regulierungen Anreize für die Entwicklung der Euromärkte – im Falle des Dollars nicht zuletzt die berühmte “Regulation Q” in den Vereinigten Staaten, aber auch die damals ja zum Teil sehr hohen Mindestreservesätze. Als in den frühen siebziger Jahren Bretton Woods kollabierte, die Inflation stieg und die internationalen Kapitalbewegungen stark zunahmen, sorgte das in manchen Zentralbanken schon für Unruhe und für Regulierungen. In Deutschland wollte man 1972 mit dem Bardepot das Wachstum des Euro-DM-Marktes bremsen, aber das wurde 1974 wieder abgeschafft. Interessant ist übrigens, dass etwa zu dieser Zeit die Bundesbank das Interesse an der Geldmengenpolitik entwickelte – also gerade zu einer Zeit, als die Euromärkte kräftig wuchsen, denn mit dem starken Wachstum der nationalen und internationalen Geldmärkte gelang es der Bundesbank nicht mehr, ihre alte Strategie, Geldpolitik über Steuerung der freien Liquiditätsreserven zu betreiben.

      In den frühen wilden Jahren gab es, vielleicht nicht erstaunlich, sehr unterschiedliche Schätzungen des Eurogeldmultiplikators. Dass damals in London ein Markt für DM-Auslandsanleihen deutscher Unternehmen entstand, besaß seine Ursache in einer im Nachhinein abwegigen, von der Bundesbank maßgeblich unterstützten Ablehnung inländischer Unternehmensanleihen. Auch wollte man nichts von inländischen Geldmarktfonds wissen. Im Laufe der Zeit sanken die Mindestreservesätze deutlich, inländische Unternehmensanleihen wurden zugelassen, ebenso Geldmarktfonds. Die Euro-DM-Märkte waren mal alles andere als klein, aber natürlich bei weitem nicht so groß wie die Eurodollarmärkte. Aber ein Thema waren die Märkte damals schon, übrigens auch für den Sachverständigenrat.

      Gruß
      gb

    • Gerald Braunberger sagt:

      Gelegentlich wird ja behauptet, die Eurodollarmärkte wären riesig, aber niemand wisse, wie groß sie eigentlich seien. (Dieses Geraune soll natürlich den Eindruck erwecken, sie seien so riesig, dass sie alles in den Abgrund reißen können, und die Teilnehmer seien intransparent.)

      Da hilft zum Beispiel ein Blick in die Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Dort findet man – seit vielen Jahren – nahezu aktuelle Quartalsdaten. Die im Augenblick aktuellsten betreffen das III. Quartal 2021.

      (Es gab mal eine Zeit, da lernten Finanzjournalisten, die sich mit solchen und ähnlichen Themen befassen, regelmäßig die Berichte der Bundesbank und der BIZ zu studieren. Dann kam die EZB dazu, deren Statistikteil allerdings keinen leichten Zugang bietet (soll verbessert werden), und auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es natürlich die Federal Reserve Bank of St. Louis (Fred) und den IWF. Auch das internationale Bankeninstitut IIF ist für manche Daten gut. Wer auf dem Gebiet ernsthaft arbeiten will, kann sich schon austoben. )

      Gruß
      gb.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Noch eine letzte Bemerkung zum Thema Intransparenz der Euromärkte:

      Im Jahre 1969 wurde das heute noch existierende, zumindest früher in der internationalen Finanzszene und in Medien gerne gelesene Magazin “Euromoney” in London gegründet. Ich kann mich noch an eine Welle damals neuartiger Kredit- und Anleihekonstruktionen an den Euromärkten in den frühen neunziger Jahren erinnern, die verfremdete Tiernamen trugen und nach einiger Zeit wieder verschwanden. Es gab noch kein Internet; wer wissen wollte, was sich an diesen Märkten tat, las seinerzeit “Euromoney”. Those were the days…

      Gruß
      gb

    • vcaspari sagt:

      Danke den Herrn Heismann und Braunberger
      er war also nicht vergesslich geworden, sondern die Effekte waren klein und deshalb zu vernachlässigen – second order of smallness – wie Marshall zu sagen pflegte.

      Aber Herr Braunberger, dass wir keine Ahnung haben und nur Ideologie verbreiten, ist doch received wisdom!

    • michaelstoecker sagt:

      Titel eingeben
      Zur Größe der Eurodollarmärkte schreibt die BIZ:

      International bank credit has tended to grow faster than domestic credit, driving the build-up of financial imbalances during booms in borrower countries (CGFS (2011); Borio et al (2011)). Its interbank component is especially volatile, swinging in sync with global booms and busts (Graph 6, top panel). Indeed, financial crises became more frequent after the 1970s owing in part to the credit excesses enabled by international banking. Three peaks in the growth of international claims after 1980 coincided with post-war crises: the Latin American debt crisis in 1982, the Asian financial crisis in 1997, and the GFC in 2007–09 (top panel). The ascendant national banking systems of the day played a key role (bottom panel). https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt2109e.htm

      Wenn man sich dann dazu noch die Graphik 6 anschaut, dann findet man auch eine Lösung für Friedmans Interest Rate Inflation Puzzle. Von 1982 bis 1985 ist die Kreditexpansion eingebrochen. Ich kann nur vermuten, dass Friedman diese Zahlen damals nicht vorlagen und er die Größe dieses Marktes völlig unterschätzt hatte.

      Zum Thema „ein paar deutsche Privatgelehrte“:

      Bofinger hatte das Rückgrat, diesen blinden Fleck einzugestehen: https://youtu.be/wCGzYJ-ZloE?t=2220 , während Straubhaar & C0. auch 2013 noch immer das Inflationsgespenst an die Wand malten.

      Zu den zahlreichen Irrtümern und Fehleinschätzungen der Ökonomen gibt es eine ausgezeichnete 7-teilige Serie von Robert Breedlove im Gespräch mit Jeff Snider. In Teil 2 geht es explizit um die Entwicklung der Eurodollarmärkte: https://youtu.be/jwGHV8AxsUc?list=PL2jAZ0x9H0bR7K5mlncgcR1DujGsA0Ob8 . Snider analysiert dieses Thema seit über 20 Jahren. Ich konnte sehr viel von ihm lernen.

      LG Michael Stöcker

    • Heismann sagt:

      Gelehrte und Privatgelehrte
      „Von 1982 bis 1985 ist die (internationale) Kreditexpansion eingebrochen. Ich kann nur vermuten, dass Friedman diese Zahlen damals nicht vorlagen und er die Größe dieses Marktes völlig unterschätzt hatte.“

      Milton Friedman war von 1980 bis 1988 wirtschaftspolitischer Chefberater des amerikanischen Präsidenten. Es dürfte ihm schwerlich entgangen sein, dass Mexiko 1982 spektakulär die Zahlungsunfähigkeit erklärte hatte, woraufhin die lateinamerikanische Schuldenkrise mit verheerenden Folgen für die westlichen Banken ausbrach. Vermutlich war seinerzeit niemand besser über die internationalen Finanzmärkte informiert als Friedman.

      Im Übrigen lässt sich aus den Daten der BIS m. E. keine statistische Korrelation zwischen internationaler Kreditexpansion und nationalen Inflationsraten herleiten. Plastisch zeigt dies die Pandemie: Der Eurodollarmarkt schrumpft und die Inflation klettert auf fünf Prozent.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Ohnehin wird hier die Geschichte um Friedman und Volcker auch nicht richtig erzählt.

      – Volcker hatte im Herbst 1982 die Geldmengensteuerung aufgegeben und er war zur Zinssteuerung übergegangen – zum Ärger von Friedman. Daraufhin senkte er den Diskontsatz, was aus monetaristischer Sicht grundfalsch war. In dieser Situation prognostizierte Friedman hohe Inflationsraten, die nicht kamen, stattdessen sank die Inflationsrate. Das ist die erste, die berühmte Fehlprognose.

      – Im Jahre 1983 dann FIEL die Wachstumsrate der amerikanischen Geldmenge M3, worauf Friedman für das Jahr 1984 eine Rezession voraussagte. Auch diese Prognose war falsch.

      Mit Blick auf BEIDE Fehlprognosen sagte Friedman dann die berühmten Worte: “I was wrong, absolutely wrong. And I have no good explanation as to why I was wrong.”

      Die zweite Episode belegt, dass überhaupt keine Rede davon sein kann, Friedman habe von der monetären Verlangsamung Mitte der achtziger Jahre, die ja schon alleine in den amerikanischen Zahlen sichtbar war, nichts mitbekommen. Gerade auf ihr gründete doch seine damalige falsche Rezessionsprognose.

      Quelle: Wapshott: Samuelson. Friedman: The Battle over the Free Market. 2021

    • Gerald Braunberger sagt:

      Eine Verlangsamung des Geldmengenwachstums ab 1983 war auch in Deutschland anhand der Zentralbankgeldmenge erkennbar – ganz ohne Euromärkte:

      https://files.stlouisfed.org/files/htdocs/publications/review/05/03/part2/Issing.pdf

      Gruß
      gb

  2. vcaspari sagt:

    The proof of the pudding is in the eating
    Es dauerte schon einige Zeit, bis Friedmans Monetarismus verschwand, wobei er in den Lehrbüchern schneller als in den Zentralbanken verloren ging. In den USA fand während der Ära des Vorsitzenden der US-amerikanischen Zentralbank (FED) Paul Volcker die Einführung und Abkehr vom Monetarismus statt. Volcker war es, der im Oktober 1979 verkündete, von der Zinssteuerung zur Geldmengensteuerung überzugehen und die Zunahme der Geldmenge deutlich zu begrenzen, um die hohe Inflation in den USA zu bannen. Das gelang auch, freilich war der Preis ziemlich hoch, denn die die Arbeitslosenquote stieg von 5,8% im Jahr 1979 auf fast 11% am Ende des Jahres 1982. Die Inflationsrate war im gleichen Zeitraum von 11,2% auf 6,2% im Jahresdurchschnitt gefallen. Es kam im Oktober 1982 zu einer Krisensitzung des Federal Open Market Committees, in der beschlossen wurde, den Diskontsatz zu senken. Exakt das Gegenteil der monetaristischen Empfehlung und Friedman prognostizierte einen Wiederanstieg der Inflationsrate in den zweistelligen Bereich und eine dann nachfolgende schwere Rezession. Als beides 1984 nicht eingetreten war, sagte er:
    “I was wrong, absolutely wrong, (…) and I have no good explanation as to why I was wrong.”
    Faktisch war damit das monetaristische geldpolitische Experiment in den USA beendet.

    • michaelstoecker sagt:

      You can’t eat what’s offshore in the shadows
      Friedman schrieb 1971 über den Eurodollar:

      6. Whether my conjecture on this score is right or wrong, the Euro-dollar market has almost surely raised the world’s nominal money supply (expressed in dollar equivalents) and has thus made the world price level (expressed in dollar equivalents) higher than it would otherwise be. https://files.stlouisfed.org/files/htdocs/publications/review/71/07/Principles_Jul1971.pdf (Seite 22).

      Hätte er diese Einsichten 1984 in umgekehrter Richtung bedacht, dann hätte er auch eine Begründung gehabt, warum er falsch lag.

      LG Michael Stöcker

    • vcaspari sagt:

      Herr Stoecker
      Glauben Sie, dass Friedman vom Eurodollar Markt nichts verstand???

      https://files.stlouisfed.org/files/htdocs/publications/review/71/07/Principles_Jul1971.pdf

      Jedenfalls hat er 1971 schon darüber publiziert. Aber vielleicht hatte er das 1984 vergessen.

    • michaelstoecker sagt:

      Lieber Herr Caspari,
      Sie verlinken das gleiche Paper von Friedman, das auch ich zuvor verlinkt hatte. Insofern kann ich nicht so recht verstehen, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen. Oder kam es zu einer zeitlichen Überschneidung bei der Freischaltung unserer Kommentare und Ihre Antwort bezog sich auf meinen gestrigen Kommentar?

      Wie auch immer teile ich Ihre Vermutung, dass Friedman seine Einsichten von 1971 1984 wohl wieder aus dem Blick verloren hatte.

      LG Michael Stöcker

    • vcaspari sagt:

      Lieber Herr Stoecker
      das kam bei mir dann nicht so an. Aber danke, jetzt ist mir klar, dass wir einer Meinung sind. Aber mich wundert schon, dass er das 1984 “vergessen haben soll”. Zumal Gurley und Shaw ja aus Chicago (1960 !!!) kamen und Keynes die zwei Kreisläufe im Treatise beschrieben hat. Nun Ja!
      Heute macht man Geldpolitik ohne Geld! Auch lustig.

    • Gerald Braunberger sagt:

      Lieber Herr Caspari,

      hier wiederholt sich gerade die Geschichte.

      Nach der Finanzkrise wurde, ausgehend von Beiträgen im englischsprachigen Internet, von ein paar deutschen Privatgelehrten jahrelang die These vertreten, die Wissenschaft verstehe nicht, was Geld sei. Diese Debatte hat sich mittlerweile totgelaufen.

      Jetzt wird gerade die These ausgegraben, die Fachwelt verstehe die Eurodollarmärkte nicht. Das Thema wurde vor der Jahrtausendwende von Ökonomen und Zentralbanken in unzähligen Arbeiten behandelt mit dem Schluss, dass es für nationale Inflationsraten keine große Bedeutung hat. (Übrigens wurde es auch an unserer alten Uni in Frankfurt ausgiebig behandelt, unter anderem von Wolfgang Gebauer und Karl Häuser am Institut für Kapitalmarktforschung; ich habe mich damit nach meiner Erinnerung auch bei Bernd Spahn befasst.) Die Vorstellung, Friedman habe seine Arbeit von 1971 einfach vergessen, ist absurd.

      Wenn sich dieses Thema totgelaufen hat, wird sicherlich jemand kommen, der behauptet, die Bedeutung der Sonderziehungsrechte des IWF werde völlig unterschätzt. Selbstverständlich wurde auch das schon tausendmal behandelt.

      Aber irgendwie muss doch der Nachweis zu führen sein, dass die etablierte Wissenschaft keine Ahnung von fundamentalen Zusammenhängen im Geldwesen hat…

      Gruß
      gb

  3. michaelstoecker sagt:

    The missing M in the M&M’s is the €$-M
    Friedmans theoretisches Meisterstück ist für mich seine Interest Rate Fallacy. Und die passt ganz wunderbar zu seinem berühmten Diktum:

    Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon in the sense that it is and can be produced only by a more rapid increase in the quantity of money than in output.

    Die Frage ist allerdings: Was ist die relevante Geldmenge und (wie) kann man sie messen?

    Die Zentralbanken sind in den 80er Jahren vom Geldmengenkonzept abgerückt, weil sie nicht mehr in der Lage waren, die ökonomisch relevante Geldmenge zu messen. Ursächlich hierfür war die Entwicklung des Eurodollarmarktes seit den 60er Jahren; ein Markt, auf den keine Zentralbank/Regierung dieser Welt Einfluss hatte und zu dem auch keine Daten vorliegen, da dieser Markt sich Offshore entwickelte. Dieser Markt ist seit 2007/2008 dysfunktional und sorgt trotzt einer steigenden Geldmenge M2 für disinflationäre Tendenzen; weil… ja weil die Eurodollar-M’s nicht mehr wie gewohnt wachsen. Insofern ist das Diktum von Friedman auch heute noch gültig und erklärt die drei zentralen Mainstream Conundrums (Growth, Interest Rate, Inflation/Deflation)

    Mehr dazu
    hier: https://alhambrapartners.com/2020/09/22/taking-you-the-feds-bank-reserves-and-banks-checkable-deposits-for-a-quick-stroll-in-the-monetary-zoo/
    hier: https://alhambrapartners.com/2021/11/15/is-m2-the-money-behind-inflation-if-not-what-is-or-isnt/ und
    hier: https://zinsfehler.com/2021/08/31/qe-mythen/

    LG Michael Stöcker

Kommentare sind deaktiviert.