Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Das Wirtschaftsprinzip Hoffnung

Kostenlos in der Herstellung und von allein heiss begehrt: Allein mit Hoffnungen lassen sich blendende Geschäfte machen, ohne Rücksicht auf Verluste anderer Leute und Angst, dass jemand solche Erwartungen einklagen könnte.

Hope
Wahlversprechen von Obama 2008

Ich hätte gern eine Geldanlage in Bestlage, Stadtmitte, nahe am Viktualienmarkt, an der Isar und mit bestem Freizeitangebot natürlich, sagte der Kunde zum Makler.

Und der Makler griff dann wohl lächelnd zum Computer, zeigte Bilder und Grundriss und sagte, das Objekt wäre fraglos ideal. Was er nicht sagte, war der kleine, aber nicht ganz unwichtige Umstand, dass ihm diese Wohnung nicht gehörte, und er auch keinerlei Auftrag hatte, sie an den Investor zu verkaufen. Ja, die Wohnung war noch nicht einmal verkäuflich. Sie wurde nur vor sechs Monaten privat vermietet. Von mir, für die Familie, ohne Maklerprovision, an einen netten Herrn, den ich gleich nach seiner Anfrage einbestellte und erfreut zur Kenntnis nahm, dass er jung, sympathisch, locker und keiner diesen Typen war, die einem gleich im ersten Satz sagen, dass sie über 4000 Euro im Monat verdienen, wichtige Jobs und deshalb genau diese AAA-Lage verdient haben. Natürlich ohne Maklerprovision.

Aber bis zum Abschluss per Handschlag waren meine Nummer, mein Name und das Exposee im Internet, und sie sind im Rahmen einer von mir nicht gewünschten Vorratsdatenspeicherung bei diesem Makler auf dem Rechnet gelandet. Und nun also, mitten im heissen Sommer, klingelte das Telefon, und der Makler teilte mir mit, dass er einen Kunden für das Objekt hätte, und ob ich es nicht verkaufen wollte. Über ihn natürlich. Er könnte mir für diese Toplage natürlich auch einen Toppreis garantieren, dem Kunden hätten die Bilder sehr zugesagt und das könnte ganz schnell über die Bühne gehen, würde ich nur Ja sagen. Ich sagte natürlich Nein, weil es weder meine Wohnung war, noch ist sie zu verkaufen – würde man das tun, müsste man das Geld wieder irgendwo unterbringen, und sich einreihen in die Schar derer, die verzweifelt nach guten Anlagen suchen, die andere, so hofft man, noch nicht gefunden haben.

Hätte er mich dazu mit einer Email belästigt, wäre meine Reaktion vermutlich harsch und unerfreulich gewesen, aber am Telefon habe ich zum Nachdenken wenig Zeit, und so verlief das Gespräch in einem freundlichen Klima, um nicht zu sagen, dass ich mich fast ein wenig habe einwickeln lassen. Immerhin weiss ich jetzt, wie aberwitzig teuer Innenstadtlagen in München sein können, dass das Geschäft in Zeiten des knappen Angebots für enorme Nachfrage halt so fadenscheinig läuft, und im Kern kann ich es auch nachvollziehen. Wo nichts da ist, was man braucht, greift man eben zu ungewöhnlichen Methoden, um es dennoch zu erschaffen. Trotzdem wäre meine schriftliche Antwort nicht frei von jenen Worten gewesen, mit denen man vor 100 Jahren einen betrügerischen Lehrling davongejagt hätte. Wie zum Teufel kann der es wagen, diese Wohnung anzubieten?

Aber da bin ich vielleicht etwas altmodisch, ja, vielleicht sogar nicht mehr fit für die Moderne, denn so einsam steht der Makler mit seinem Verhalten gar nicht da: Die gesamte Subprimekrise mit ihren in Derivaten neu verpackten Schulden war nichts anderes als der Handel mit Erwartungen und Hoffnungen über das Leben und die Finanzierung anderer Leute, die gar nicht verstanden haben, was sie da als Kredit angenommen haben. Die Einschätzungen, die Vorhersagen der Entwicklung, das war auch nur Wunschdenken wie das Abspeichern meiner Daten. Und all die Geschäfte des Cross Border Leasings, mit denen deutsche Stadtkämmerer üppige Gewinne einfahren wollten, waren auch nur Käufe von Hoffnung mit dem Geld anderer Leute, die weder ahnten noch verstehen konnten, was die Kämmerer da mit ihren Gebühren und Abgaben angeblich zugunsten der Gemeinschaft taten. Nicht immer muss das Geschäft mit der freudigen Erwartung scheitern; am Schönsten ist es natürlich, wenn man Solarbetriebe börsenreif fördern kann und auf Basis dieses Geschäfts mit anderer Leute Geld das eigene Vermögen mehrt: Das alles mag vollkommen irreal erscheinen, aber es sind echte Geschäfte, und die Realität des folgenden Zusammenbruchs kosten die Profiteure natürlich nichts, wenn sie rechtzeitig ausgestiegen sind.

Oder nehmen wir das Freihandelsabkommen der EU mit den USA, dessen Aushandlung gerade beginnt, und auf das die Gentechniker von Monsanto ebenso hoffen, wie die Datenkraken und ihre angeschlossenen Grundrechtsverletzer des amerikanischen Überwachungsregimes: Das Abkommen soll viele Milliarden jedes Jahr einsparen und Arbeitsplätze sichern, erzählt man uns. Was man uns aber nicht erklärt, ist Folgendes: Verschwinden werden die angeblichen Handelshemmnisse, die Geld kosten, also beispielsweise die Zulassung von amerikanischem Gengetreide oder Medikamenten in Europa, wo dann viele Leute nicht mehr Kosten verursachen, vulgo nicht mehr arbeiten. Die gehen dann wohin? Zu den profitierenden amerikanischen Firmen betteln, oder müssen das die Staaten zahlen? Etwa von den Zöllen, die sie dann mit dem Abkommen nicht mehr einnehmen? Sind vielleicht diese Einsparungen für die Firmen dann nichts anderes als Mehrkosten für die Steuerzahler, die sich nicht wie die Konzerne bei steigenden Erträgen durch das Abkommen dennoch vor dem Steuerzahlen drücken können? Eine Subvention durch die Hintertür? Es mag ja sein, dass mir “mein” Makler das Blaue vom Münchner Himmel heruntergelogen hat, und einen Idioten suchte, dem er eine Wohnung abdrücken könnte – aber das sind Petitessen gegen die Versprechungen des Segens solcher Abkommen, bei denen es angeblich immer nur Gewinner gibt.

Hoffnung und Erwartung haben als Handelswaren den entscheidenden Vorteil, dass ihre Herstellung in geförderten Studien billig ist, ihr Vertrieb wird zumeist kostenlos durch die nicht hinterfragenden Medien besorgt, sie benötigen keinen Stauraum und keine Logistik, sie sind einfach so lange da, bis sich die Verantwortlichen davon stehlen und andere neue Hoffnungen produzieren. Daran ändert kein Stuttgart21, keine Elbphilharmonie und kein BER etwas, und am Ende wurde Vermögen neu verteilt und manche sind reich. Zwar häufig nicht auf die Art und Weise, wie es in den Studien stand, aber doch so, wie sie es sich erhofft haben. Vermutlich ist die Hoffnung, etwas zu bekommen, in einer Welt des Rekordgelddruckens die einzig sinnvolle Massnahme, dieses Geld einzufangen, und weil Hoffnung auch kein Rechtsbegriff und kein einklagbarer Gegenstand ist, ist die Abwicklung derselben auch vergleichsweise einfach: Es ist das ideale Produkt für unsere Epoche und das beste aller möglichen Gegenstücke zu Geld, das mit Knopfdruck im Computer entsteht.

Und so wird der Makler dann andere angerufen haben und dem Kunden erzählen, dass dieses Objekt nun leider doch nicht verfügbar ist, und beim anderen werde er noch hingehalten, aber vielleicht hätte er da noch etwas – und so wird dann der Preisrahmen erweitert, bis dann wirklich jemand einwilligt, und in der Zeitung steht, dass 10.000 Euro jetzt schon fast die Untergrnze für den Quadratmeter sind, und wieder andere hoffen, jetzt vielleicht auf den letzten Drücker noch mitspielen zu können… meine Telefonnummer wird vermutlich auch noch bei anderen Maklern sein, und es macht nichts, wenn ich nicht verkaufe: So, wie ich bin, bin ich wenigstens die Hoffnung, doch noch etwas erwerben zu können. Und allein das ist schon viel wert.

Wie gesagt, vor hundert Jahren hätte man den Ochsenziemer genommen und solche Leute vom Hof…. aber wer hat so eine Peitsche heute noch und wenn man damit anfangen würde, hätte man viel zu tun. Ausserdem würde niemand mehr so eine antiquierte Haltung verstehen: Das System läuft nun mal mit Hoffnung, und sie ist erheblich schöner als die Realität, die, das muss man leider sagen, durch die Hoffnung erschaffen wurde, dass sich alle Eurostaaten an die Absprachen halten, keine Banken gerettet werden müssen, und nach der Wahl keinerlei Schuldenschnitte kommen.

HINWEIS:

Mir bleibt die Hoffnung, dass die Kommentare im dafür speziell eingerichteten Blog besser abzuschicken sind, als in  dem hiesigen SubJavaprimescript, das immer wieder Aussetzer hat.