Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Gespeichert und verdammt in alle Ewigkeit

Wenn man möchte, dass etwas gut wird, muss man meistens entweder Geld in die Hand nehmen und jemanden bezahlen, der Ahnung und Zeit hat, oder man macht es selbst. Gutes braucht eine gewisse Sorgfalt, und die braucht eben Zeit, und wie es mit der Zeit und dem Geld ist, nun, das ist allgemein bekannt.

Deshalb wasche ich beispielsweise meine Strümpfe von Hand, vor allem die Guten aus Nylon, weil sie auch nicht ganz billig sind und die Waschmaschine ihnen nicht gut tut. Anfangs musste ich mich überwinden, denn ich bin eher praktisch veranlagt, und wenn ich schon eine Waschmaschine besitze, möchte ich sie eigentlich auch gerne verwenden. Aber die Ergebnisse –sowohl im negativen Bereich die der Maschinenwäsche, als auch die positiven mit der Handwäsche- haben mich überzeugt, und ich stelle mich regelmäßig ans Waschbecken und betrachte das Strümpfewaschen schon fast als meditative Übung. Sie dürfen sich das gerne klischeemäßig vorstellen, ich höre Musik und singe unter Umständen sogar mit. Vielleicht tanze ich auch um das Waschbecken herum, zu viel verraten soll man ja aber auch nicht.

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Ab und zu muss ich schmunzeln, wenn ich ein bestimmtes Paar zur Hand nehme, und hübsch aussehen tut es obendrein, wenn ich die Sachen zum trocknen aufhänge. Es macht mir wirklich mittlerweile Spaß, und trotzdem ist es Arbeit. Aber das Ergebnis lohnt, wie ich finde. Meine Strümpfe halten, seit ich sie von Hand wasche, mindestens drei Mal so lang. Ich mag es einfach, wenn etwas gut gemacht ist. Man muss sich halt nur etwas Mühe geben.

Deswegen habe ich auch vorhin Strümpfe gewaschen. Wegen der Notwendigkeit einerseits, aber auch wegen des meditativen Aspekts und des sich angesichts der ordentlich auf der Leine hindrapierten Strumpfwaren einstellenden Wohlgefühls.

Besonders gut war es nämlich um mein Wohlbefinden nicht bestellt, nachdem ich zur Kenntnis genommen hatte, worauf sich die Regierenden in Sachen Prostitutionsgesetz, das ja wahrscheinlich bald Prostituiertenschutzgesetz heißen wird, geeinigt hat.
Ich will jetzt nicht sagen, dass man sich nicht bemüht hätte.
Bei neuer Kleidung liest man halt den Waschzettel, oder man hört auf jemanden der sich auskennt. Ich habe ja keine Ahnung, wie man das macht, wenn man ein Gesetz entwirft. Auf jeden Fall sicher anders.

Wie dem auch sei, ich und meine geschätzten Kolleginnen, wir bekommen jetzt endlich „Schutz und Schirm“ für unsere beglückende Tätigkeit, zumindest wenn ich dem Herrn Weinberg von der CDU glauben schenke.  Für mich sieht das von Ferne momentan noch eher aus, als legte man den Huren doch eher Steine in den Weg, vor allem, falls sie jemals wieder in einem anderen Bereich Fuß fassen möchten, aber es ist ja auch alles noch ganz frisch und ich bin sehr gespannt, was genau in diesem Gesetzesentwurf stehen wird.

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Das mit den Steinen, die einem für einen eventuellen Ausstieg in den Weg gelegt werden, kann mir persönlich relativ egal sein, ich fühle mich mit meinem Job wohl und werde wohl im Rotlicht alt und runzlig werden und niemals nicht in ein bürgerliches Angestelltenverhältnis zurückkehren. All jenen, die aber irgendwann mit der Sexarbeit abschließen wollen, vielleicht weil ihnen die eben doch spezielle Arbeit mit Sex doch nicht so gut tut, wie sie dachten, oder das Studium irgendwann nun mal vorbei ist, kann das aber nicht egal sein. Denen, die immer fordern, der Ausstieg aus der Sexarbeit müsste erleichtert werden, eigentlich auch nicht.

Der mir angedachte Schutz und Schirm schaut also so aus, dass ich mich nach einer verpflichtenden „Gesundheitsberatung“, welche durch einen Arzt oder vielleicht auch beim Gesundheitsamt, aber eben ganz sicher nicht mehr anonym erfolgen kann, bei einer noch nicht näher bezeichneten Behörde anzumelden habe, um legal arbeiten zu können. Diese Behörde wird wohl kaum keine geringere sein wird als die jeweils örtlich zuständige Polizei, hätte man nicht auf eine Sonderregelung abgezielt, man hätte ja das Gewerberecht bemühen können. Über meine Anmeldung bekomme ich dann eine Bescheinigung, die ich auf Verlangen vorzeigen muss, um nachzuweisen, dass ich eine aufgeklärte, selbstständige und freiwillig handelnde Person bin.

Sollte jemals eine Kundschaft sich erdreisten, nach dieser Unsäglichkeit zu verlangen, werde ich der Bitte selbstverständlich gerne nachkommen. Nachdem ich den Personalausweis der Gegenseite zum Zwecke der korrekten Rechnungslegung abfotografiert habe, natürlich. Es soll ja alles seine Ordnung haben, nicht wahr? Nein, Papierrechnung per Post nachhause kostet nicht extra, ich werde schließlich nach Zeit bezahlt, und habe als kluge Geschäftsfrau den Verwaltungsaufwand mit einkalkuliert.

Dankenswerterweise bin ich alt genug, um nur alle zwei Jahre vorstellig werden zu müssen, Kolleginnen unter 21 dürfen sich jedes Jahr neu anmelden. So hält man den Datenbestand aktuell, die jungen Dinger sind ja so unglaublich sprunghaft und wissen nicht, was sie wollen.

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Durch die Verknüpfung von relativ engmaschiger „Gesundheitsberatung“ und Anmeldepflicht entstehen also hübsche Datensätze, sogar mit detaillierten Bewegungsprofilen, weil die Sexbranche nun mal eine ist, in der die Dienstleistenden relativ mobil sind. Manche, so habe ich gehört, fährt gerne zum arbeiten in eine andere Stadt, wegen der vielgerühmten Toleranz und Anerkennung, die unsereinem ja ständig entgegengebracht wird.

Wissen Sie, ich bin von wenigen Dingen so überzeugt, wie davon, dass diese umfangreichen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wohl auch in finanzieller Hinsicht auf Kosten der Betroffenen erstellten Datensätze bei jeder Gelegenheit gegen sie verwendet werden. Ich denke mit Schaudern zum Beispiel an die Alleinerziehende, die vom nichtzahlenden aber rach- oder eifersüchtigen Expartner im Namen der moralischen Reinhaltung an den Karren gefahren bekommt, wenn sie das Geld für die lieben Kleinen zusammenvögelt, weil der Mindestlohn nach Abzug der Kitagebühren kaum mehr für die Miete, geschweige denn für den Sportverein oder die Klassenfahrt reicht. Da wird sicher einiges an schmutziger Wäsche gewaschen werden, nur sicher weniger zartfühlend als bei mir daheim.

Und das ist noch eine Kleinigkeit, ich mag mir gar nicht vorstellen, vielleicht bin ich auch einfach nicht boshaft genug, das zu können, welchen Missbrauch man mit diesem perfiden Konstrukt aus scheinheilig-pseudofreiwilliger Beratung, Sonderregistrierung und durchgängiger Kontrolle treiben kann. Personenbezogene Gesundheits- und Sozialdaten womöglich bei der Polizei, früher oder später aller Wahrscheinlichkeit nach länderübergreifend vernetzt gespeichert und laufend aktualisiert. Und das auch noch flächendeckend als Schutz, Fürsorge und Empowerment verkauft. Respekt. Keinem anderen Berufsstand würde man solche Arbeitsbedingungen zumuten. Schon gar nicht Politikern, die sich für Vorträge bei Banken und Lobbyistenvereinen bezahlen lassen. Oder Lobbyisten, die Politikern gern in vielfältiger Weise zu Diensten sind, wenn die Gegenleistung passt.

Hauptsache aber, es erklärt den armen Frauen mal jemand, wie man Kondome benutzt. Weil, dass man das jetzt muss, steht ja dann auch im neuen Gesetz, und wer weiß, ob die Kolleginnen im Bordell das mit den Kondomen so drauf haben.

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Und damit komme ich zu einem der Punkte, die ich loben muss: Die Kondompflicht. Für die Kunden. Endlich. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es genug Wahnsinnige gibt, die ungeschützten Verkehr nachfragen, und leider zu viele arme Seelen, die diese Nachfrage zu bedienen bereit sind, weil sie solch unangenehmer Kundschaft (es sträubt sich etwas in mir, dieses Wort zu verwenden) nichts entgegenzusetzen, dafür aber einen wahnsinnigen Erwerbsdruck im Rücken haben. Wenn da nur eine mit dem Verweis auf die neue gesetzliche Regelung ihrer Kundschaft die Lümmeltüte aufzwingt und sich vor welchem Unbill auch immer, der mit ungeschütztem Verkehr nun mal einhergehen kann, schützt, ist es ein Gewinn.

Und es wird niemandem schaden, wenn der Gesetzgeber klar stellt, dass die holde Männlichkeit in Gummi zu packen gefälligst in der Pflicht und Verantwortung des Kunden selbst liegt, weil alles andere einem körperlichen Angriff auf die Sexdienstleisterin gleich kommt.

Die bisher beispielsweise in Bayern bestehende Regelung, Sexdienstleistende für ungeschützten Verkehr zu bestrafen, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, weil sie dafür sorgt, dass je schwächer, also abhängiger von dem verdienten Geld die Dienstleistende ist, um so höher ihre Erpressbarkeit durch bösartige Kunden. Gerade in Kombination mit den Sperrbezirksverordnungen entstehen da Konstrukte, bei denen man sich nur die Haare raufen kann, weil immer die Sexarbeitenden die Zeche zahlen, während übergriffige Kunden beruhigt nachhause gehen und ihre weiter ihre Keime verteilen können, weil sie weder von Bußgeldern noch Haftstrafen bedroht sind.

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So schaut das aus, das ist nicht schön, aber das ist die Realität und der Arbeitsalltag der ach so anerkannten und super geregelten Prostitution in Bayern, das ist Schutzpolitik nach christsozialem Verständnis, zur Not eben zu Lasten des zu Schützenden.

Ich bin ja sehr dafür, es bei den Sperrbezirken, wenn man wirklich seitens der Politik glaubt, dass man sie braucht, genau so zu handhaben, wie man es jetzt bei den Kondomen zu tun gedenkt: Wer die Musik bestellt, der zahlt. Wer eine Sexdienstleistung im Sperrbezirk nachfragt, wird bestraft. Insgesamt bin ich dafür, das diejenigen, die Verwerfliches tun, dafür zur Rechenschaft gezogen werden. So kompliziert ist das eigentlich doch gar nicht.

Mir deucht aber, dass es bei dem, was man sich für die Prostituierten jetzt ausgedacht hat, eben wieder nicht darum geht, die Sexdienstleistenden besser zu stellen. Die Kondompflicht für Freier ist ein Bonbon, mehr nicht, hingeworfen um sagen zu können: „Schaut, wir stärken die Dienstleistenden gegenüber den Freiern!“ Der Rest ist Kontrolle, Sonderbehandlung und Ausgrenzung aus dem normalen Wirtschaftsleben, ist Datensammelei und ganz sicher nicht das, was man als einen mutigen Schritt hin zu Normalisierung, Anerkennung und Entkriminalisierung -also schlicht heraus aus der Grauzone und hinein in die Gesellschaft, zu der wir eh gehören, bezeichnen hätte können.