Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Als Gaffer in besseren Flutkreisen

Ein überfluteter Auwald ist, lamdschaftlich betrachtet, ein Ort der Idylle und des Friedens. Damit es auch so bleibt, sollte man allgemeine Regeln der Höflichkeit im Umgang mit den oft gut situierten Anwohnern beachten.

I’m living in a world, where sex and horror are the new gods.
Frankie goes to Hollywood

Nach einigen weniger schönen Maientagen machen sich nun Menschen in Scharen auf, um an den Ufern von Flüssen und Bächen nach dem Rechten zu sehen, ohne dass sie dafür ein Recht hätten. Das kommt daher, weil an besagten Flüssen und Bächen sehr oft jene Wohnlagen befindlich sind, die man allgemein als „gut“ bezeichnet, und man, ehrlich gesagt, gar nicht auf Besuch eingestellt ist und man mit Anliegerstrassen auch dafür sorgt, dass er nicht so häufig kommt. Quod non licet Bovi, licet Danubi: Dass die Donau in das idealtypisch beschriebene Westviertel dieses Blogs, das dummerweise in der Region des ehemaligen Auwaldes errichtet wurde, mit Macht und Matsch kommt, dafür haben wir natürlich vorgesorgt. Wir haben Pumpen. Aber leider keine Käseigel für all jene, die nun kommen und zuschauen wollen, wie wir jämmerlich in den Fluten ertrinken. Und nein, Eierlikör haben wir auch nicht.

Aber wenn Sie schon einmal da sind, möchte ich es nicht fehlen lassen, Sie ein wenig in die guten Sitten und das Benehmen hier einzuführen. Das beginnt schon bei der Anreise: Wir fänden es ganz reizend, wenn Sie nicht mit dem Automobil kommen. Das Wetter ist schön, nehmen Sie lieber das Fahrrad und haben Sie nachher auch keinerlei Probleme, einen Parkplatz zu finden. Hier ist es nämlich so, dass die Ausfahrten in aller Regel breit und die Parkplätze auf der Strasse schon voll sind, weil die gefährdeten Kellerinhalte teilweise in die Garagen verbracht wurden. Und sollten Sie doch einmal ihre Unterschichtschleuder 1 cm in die Einfahrt ragen lassen, so sind wir hier der Meinung, dass Sie die Anfahrtswege für die Feuerwehr versperren, und hier wohnen auch führende Mitglieder der örtlichen CSU mit direktem Draht zur Polizei und ich sage mal: Sollte ein Deich brechen, das Wasser kommen und Sie ihren Wagen nicht mehr vorfinden, ist das sicher ein interessanter Heimweg. Und so geschmackherzlos, dass wir Ihren aufgedunsenen Kadaver als Sandsack nähmen, sind wir auch nicht.

Natürlich ist uns hier auch bewusst, dass es beim Befahren überfluteter Strecken so schön spritzt wie sonst nur in der Übertragung einer Motorsportveranstaltung, für die Sie selbstredend ein TV-Abo haben, natürlich ist uns bekannt, dass es vorgebliche Nachrichtenportale gibt, die Filmchen wie „Wakeboarden im Strassengraben“ oder „Drifts in der Flut“ verbreiten. Aber diese dreckgen Aasgei Angebote werden Sie fraglos auch ganz gross rausbringen, wenn dabei etwas Schlimmes passiert und genau dann alle Telefonleitungen belegt sind, weil man gerade andere falsch geparkte Autos abschleppen lässt. Kurz, die Entdeckung der Flut als Freizeitpark ist etwas, das Sie vielleicht in schlechteren Wohngegenden versuchen sollten; aber hier gilt das nicht als wünschenswert.

Wir begrüssen natürlich, dass Sie sich von der Lage selbst ein Bild machen wollen. Aber dieses Bild sind nicht irgendwelche herumliegenden Gartenschläuche oder sonst etwas, das den Eindruck vermittelt, hier stünde die Apokalypse bevor. In den meisten Regionen, wie auch hier, haben wir überflutete Auwälder und Überlaufgebiete, und dort ist es sicher leichter, spektakuläre Aufnahmen für Ihr Facebook zu machen. Anhaltendes, angestrengtes Gaffen durch Gartentore und über Zäune sehen wir eher kritisch und nicht als Anzeichen echter Anteilnahme. Sie werden sicher verstehen, dass es bei uns als möglicherweise Betroffene nicht eben die Bereitschaft für Kommunikation erhöht. Ausserdem, was sollen wir sagen? Eine Ecke im Keller ist feucht. Das Grundwasser ist aber noch nicht hoch genug. 1999 war schlimmer, 2005 auch, aber damals hatte es keine Folgen und so wird es auch diesmal sein. Nein, wir können nicht mit Passauer Bildern aufwarten, auch wenn das natürlich spektakulärer als die Rosenurwälder der Anwohner ist.

Auch ist es nicht wirklich ratsam, halb enttäuscht dann nachzufragen, ob wir den wissen, wie es in Passau aussieht, in Deggendorf oder in Niederaltaich, und dann sogleich das nachzutragen, was Sie in Ihren Medien so aufgelesen und in Ihrem Kopf noch aufgebauscht haben. Natürlich verfolgen wir die Meldungen, wenn es uns nötig erscheint, aber wenn der Onkel Toni vom Kettenrauchen Lungenentzündung hat, haben Sie ja auch vielleicht noch andere Gesprächsthemen als den Lungenkrebs von der Theres und den Hirntumor vom Alfred. In diesem Viertel ist man aufgeschlossen, man hat durchaus weitere Themen und ganz ehrlich, nach drei, vier Tagen ist so eine Flut zwar immer noch gefährlich, aber auch irgendwie ausdiskutiert. Auch alle Erinnerungen an 99 sind schon durch, und alle Debatten zur Sinnlosigkeit des Bauens im alten Weg des Flusses.

Ansonsten, wenn da irgendwo ein rotes Band ist: Gehen Sie nicht weiter. Wenn die Anwohner so nett sind und erklären, dass da unten im Gries ein paar tiefe Löcher sind, die man jetzt im ablaufenden Schlamm nicht sieht: Versuchen Sie es nicht und schicken Sie auch keine Hunde und Kinder zum Testen vor. Uns ist auch durchaus bewusst, dass einige, der örtlichen Elite vorbehaltene Sporteinrichtungen gerade bis zur Decke im Schlamm stehen, auf der anderen Seite des Damms: Warten Sie mit dem Sozialneid bitte, bis Sie unsere Gegend verlassen haben. Sicher, der Damm gehört allen und die Rede ist frei und die Neugier des Menschen ist unersättlich: Aber wir fahren ja auch nicht zu Ihnen und lachen Sie aus, wenn die Jahresabrechnung für Strom und Wasser die Dämme Ihrer Dispokredite einreisst. Ein jeder trage sein eigenes Leid und schippe dem anderen nichts drauf, wenn der es merkt.

Nehmen Sie als Erkenntnis mit, dass es ist, wie es ist, dass man nichts machen kann, dass man sich eben mal niederlegt und nicht mehr aufsteht und wenn er einmal kommt, wie man in Bayern sagt, dann geht man eben mit. Seien Sie dankbar, dass sie heute auf dem Hochufer mit Blick auf Häuser oder die Fabrik gemietet haben, und nicht Nachlässe von drei Generationen aus dem Keller retten müssen, die in die Garage gewuchtet werden, und all die Agapanten, die vom Kellerabgang in den Garten sollen. Mal ist das hier Wohnen am Naherholungsgebiet, mal ist es eben Katastrophengegend, aber deshalb ist hier noch keiner weggezogen. Nur das teuerste Haus der Stadt, das hier gerade zum Verkauf steht, nun, da haben sich die Besitzer nicht den idealsten Zeitpunkt für den Scheidungskrieg herausgesucht: Ich denke, es wird noch ein paar Wochen dauern, bis das alles vergessen ist, und wieder Menschen in die allerbeste Lage der besten aller möglichen Welten ziehen, und dafür auch den ein oder anderen Preis zahlen. Denn mit der Flut geht auch der Gaffer, dann ist es hier wieder ruhig und angenehm, und die Katzen schalten vom Alarmzustand auf Verwöhnprogramm zurück.

Und sollten Sie sich über die Gelassenheit wundern, mit der man hier sogar noch in solchen Situationen anderen Vorschriften macht und sie zurechtweist: Ja, das ist eben so und schon immer so gewesen. Sollte man tatsächlich Angst haben und mit den Nerven runter sein, dann wäre das eben so. Aber man zeigt das nicht. Wir machen vielleicht ein paar derbe Spässe, über die Sie gerne lachen und daheim erzählen dürfen, dass diese Menschen dort gelassen auf die Fluten blicken, die diesmal andere schlimmer treffen, und denen man nur wünschen kann, dass ihr Besuch sehr viel hilfreicher ist.

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