Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Von der Urkatastrophe zur Urpeinlichkeit hohenzollern’scher Fassaden

Auferstanden aus den Sümpfen, trotz enger Gürtel für das Volk: Preussen Blut- und Flittergloria darf sichi n Form einer Fassade in Berlin wieder breit machen. Es bleibt zu hoffen, dass man rechtzeitig an einen leichten Rückbau denkt.

Keiner der 30 Entwürfe in der Endrunde des Architektenwettbewerbes zum Neubau des Humboldtforums blieb im festgelegten Kostenrahmen.

Sehr geehrte Stadtpalastfassadenbauer,

heute ist im schönen Gmund am Tegernsee eine Adelshochzeit, mit allem, was dazu gehört: Die Tölzer Knaben singen, die Braut fährt im Adenauer vor, die Herren tragen Cut und die Damen üppige Hüte und es ist nicht nur, wie beglückt ich bin, dass mich dieses Schicksal nie ereilen wird, nein: Diese Veranstaltung könnte Ihnen auch zwei Lektionen auf Ihren weiteren Lebensweg mitgeben: Der Adel hat gar keine Lust mehr auf allzu auffällige Repräsentanz, denn die Medien sind da nicht geladen. Und die meisten von Ihnen hätten vor 100 Jahren vielleicht jubeln dürfen, oder den Fussboden schrubben, oder die Säue hüten, deren Filet man an der Tafel gereicht hätte. Und ein Jahr später hätten Sie sich zur angeblichen Ehre des Hauses Hohenzollern in Flandern abschlachten lassen müssen.

Ich weiss natürlich, Ihnen steht mehr so der Sinn nach Grösse und einem wichtigen Denkmal im Zentrum der Operettendemokratur, die wir als Berliner Republik zu bezeichnen belieben (Wer im Stadtschloss bildet, hört auch Musik in der Elbphilhrmonie und urlaubt wie ein deutscher Kaiser und Immobilienfondspleitier in Heiligendamm), aber hier oben, gleich oberhalb der Kirche, stellte vor ebenso 103 Jahren August Macke seine Stafflei auf und malte schöne Landschaften. Unten in Tegernsee an der Schlosspromenade malte er zufriedene Menschen, nachdem 1908 sein Wehrdienst für den preussischen Staat sein Schaffen ein volles Jahr brutal unterbrochen hatte. Und 1914 war er dann, um im Stile der von Ihnen so gewürdigten Zeit zu bleiben – früh vollendet. In der Champagne ist er unter den preussischen Farben gefallen, könnte man sagen, wenn man seine Briefe nicht kennen würde und wüsste, wie er unter dem Schrecken des Krieges, der ein preussenköniglicher war, gelitten hat. Das Schicksal teilte er, würden vielleicht Schlächter und Massenmordverharmloser bemerken, mit Millionen Untertanen der Preussen vor und nach ihm. Ich dagegen komme aus Bayern und würde meinen, dass er von einem verbrecherischen Regime in den Tod getrieben wurde. Das war kein Schicksal, das wäre heute für die Schuldigen Anlass für ein Restleben in Den Haag bei anderen Kriegsverbrechern. Hohenzollern, eine deutsche Urkatastrophe.

Und Sie möchten also die Fassade des Stadtschlosses wieder errichten. Immerhin, es ist Ihnen beim Nachbau nicht mehr existierender Substanz auch nicht daran gelegen, in bester Tradition, nicht aber in schlechter Realität wieder zurück zu den Schweinen zu gehen, oder in einen Schützengraben, oder in eine Kaserne, oder in eine Dachstube mit Typhusgefahr und wechselnder Bettbelegung. Es geht ja nur um eine Fassade, für die Sie selbst zahlen möchten, wenn denn genug Spenden von anderen Leuten kommen, oder vom Staat, also von uns allen, wenn dem nicht so ist. Denn so obrigkeitsartig ist dieser Staat dann immer noch, dass er mich dafür mitzahlen lässt, auch wenn meine Meinung zur Wiedererfindung der gebauten Glorie Preussens so ist, dass unter den vielen Gebäuden, die in den letzten hundert Jahren verschwanden, dieses Konglomerat im Sumpf nicht sonderlich bedauernswert ist. Da gäbe es anderes, was die Neuschöpfung mehr verdiente.

Ach so, und den ein oder anderen historischen Raum innerhalb des Schlosses hätten Sie gern auch wieder rekonstruiert, so einen Rittersaal etwa, wo man auch repräsentieren kann, damit hier nicht nur die Völkerkunde einen Ort hat, die, im Gegensatz zu Ihnen durchaus schockiert von der eigenen Vergangenheit, heutigentags ja vorsichtig mit der Ausstellung von Schrumpfköpfen ist. Ja, so ist das, das eine wird einem peinlich und aufgearbeitet und das andere gilt als Tradition und muss wieder auferstehen aus gesprengten Ruinen. Gespenstisch mag das vor allem anderen Europäern erscheinen, denn Deutschland diktiert wieder Sparpläne und Ziele und ist reich genug, Schlösser zu bauen – wenn ich mich nicht irre, sogar den grössten Schlosskomplex in Europa. Seit Ceauescus Haus des Volkes in Rumänien.

Nun hatte Ceaucescu einen Sohn und designierten Nachfolger, der mit wahrhaft prinzlichen Eigenschaften aufwartet und sich in bester alteuropäischer Tradition auch in den Tod gefeiert hat; die Staatstheorien ändern sich, aber das schamlose Verhalten der absoluten Machthaber bleibt. Es ist genau diese Attitüde, diese Haltung, die derartige Fassaden früher gebraucht hat, eine gebaute Panegyrik auf eine Familie, deren Steinglanz kaschiert, dass es dahinter drüber und sehr oft auch drunter geht. Diese neue Fassade in Berlin kaschiert nur jede Menge Beton, überzogene Kostenrahmen und vielleicht später auch den ein oder anderen Skandal BER’schen Ausmasses. Es ist kein Feudalismus, der da mit keiner bürgerlichen Attitüde errichtet wird, es ist, mit Verlaub, eigenartig. Ausser ein paar handelsüblichen Subventionsmissbräuchen werden wir nichts dahinter verbergen zu verbergen haben, was nicht ohnehin schon laufend öffentlich geschieht. Und den Mut, die einzige Euro Hawk Drohne in den Ehrenhof zu stellen, statt sie in Manching verrotten zu lassen, werden Sie vermutlich auch nicht haben, selbst wenn die noch weniger Sinn als die Fassade machte, und so als Entschuldigung herhalten könnte.

Kurz, es fehlt diesem Land einfach an der lustvollen Prúnkentfaltung, für die man so eine Fassade bräuchte. Man sah das ja heute hier in Gmund, wie dort eine ganze Reihe von Bussen am Osterberg warteten: Das ist kein Auftritt der Kutschen und Pagen mehr, die Frisuren sind normal und bei den Juwelen hält man sich auch zurück. Nett, aber Gottesgnadentum geht anders, das ist heute Kontrolle in den Rechenzentren und beizeiten eine Stingerrakele aus einer Drohne. Die mickrigen Reste des Höfischen nochmal ein paar Nummern kleiner, auf den Berliner Politikbetrieb mit schlecht sitzenden Anzügen übertragen, mit der Einladung von Oberstaatsdirektoren, langwierigen Reden und musikalischer Begleitung durch Quartette, bis es dann zu den bis auf den letzten Cent durchgerechneten Buffets geht: Sie kriegen Ihre passende Fassade, vor der das alles in etwa wie der kleinliche Klimbim wirkt, der es auch ist. Vielleicht bekommen Sie auch eine Panegyriker, wie Ceaucescu sie hatte, ein paar Provinzpolitiker als Claquere, die daheim als erstes den Schlips abreissen und den Gürtel öffnen, und eine Installation eines Medienkünstlers, der Geld braucht.

Immerhin, ein Solitär der deutschen Baugeschichte wird es zweifellos sein. Die Kunstgeschichte wird später natürlich rätseln, wie man das bezeichnen soll: Gesunkenes, niedergebombtes und auf niedrigem Niveau wiederaufgebautes Kulturgut vielleicht? Zweite Wilhelminische Epoche? Oder einfach nur die Architektur des Traumas? La Serva Padrona im gebauten “Der Schweinehirt als Schlossherr”-Extempore? Inverses Schäferspiel für Niedrigwohlgeboren?

Ich weiss es nicht. Aber ganz ehrlich, lieber wäre ich heute an einem Altar gestanden und hätte zu einer dummen Lebensplanung Ja gesagt, als dass man in dreissig Jahren fragt, wer eigentlich für diese vom Abgas angefressene Disneyfassade verantwortlich ist, und man unter anderem meinen Namen damit in Verbindung brächte. So eine Ehe lässt sich heute zum Glück – wir haben die Epoche der Hohenzollern ja entsprechend weggeputzt – schnell scheiden, aber schon der Abbruch des Palastes der Republik war eine schwierige Sache. Mein Tip: Seien Sie wenigstens hier modern, gehen Sie mit den Zeiten und denken Sie an die leichte Rückbaubarkeit. Spätere Generationen werden es Ihnen danken.

Wenn Sie erst mal mit dem Lachen über den Irrsinn alter Zeiten aufgehört haben, um eigene Fehler zu begehen.

Ihr

Don Alphonso

Hinweis und Begleitmusik:

Die bessere Version zum Kommentieren (mit Schlossansicht!1!!elf!) ist hier, und die italienische Mezzosopranistin Marina de Liso singt auf der Pan-Classics-CD Aminta ganz vorzügliche Schäferidyllen von Nicola Porpora, die ich jeder Berliner Installation vorziehen würde.