Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Autonome in Berlin und Brüssel

Ihr habt die Macht, uns gehört die Nacht
aus einem Bekennerschreiben der Revolutionären Zellen, 1995

Es mag sein, dass es nur der Versuch einer Schikane gegen die Bewohner der Rigaer 94 ist, wenn in den besetzten Räumen eines Treffpunkts der autonomen Szene und einer Werkstatt Asylbewerber untergebracht werden sollen. Wenn die Räumung für Migranten ein Test gewesen sein sollte, wie weit Berlins linke Szene zum Zusammenrücken bereit ist, ist er in gewisser Weise gelungen: Die geplante Einquartierung quittierte die Szene zuerst mit Demonstrationen. Dann verabschiedete die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg eine Solidaritätserklärung mit den Besetzern und kritisierte den für den Polizeieinsatz zuständigen Innensenator Henkel. In der Nacht begannen dann massive Ausschreitungen, und bei Indymedia erklären Unterstützer, dass sie bereit sind, alle Mittel einzusetzen. Was damit gemeint sein dürfte, sah man beim Anschlag auf ein Polizeiauto. Wie sich der autonome Terror für Bewohner anfühlt, kann man hier nachlesen.

brue

Aber vor den brennenden Autos steht die Solidarisierung der Lokalpolitiker von Grünen, Linken und Piraten.

Das ist vermutlich noch nicht einmal in diesem Bezirk der Mehrheit der Bewohner zu vermitteln, von denen angenommen werden darf, dass sie ihren Kindern nicht zwingend ausgebrannte Autos auf dem Weg zur Schule zumuten wollen.

In den Landesparteien scheint nach meiner Recherche auch niemand bereit zu sein, den Kollegen von derartiger Solidarität abzuraten, wenn gegen Bürgerämter und Kollegen anderer Parteien vorgegangen wird. Ich schaue mir die Sache nun schon etwas länger an, so als Betroffener, der zu weit im Süden wohnt, als dass ihn mehr als Drohungen und Internettrolle erreichen könnten. Damit scheint man in Berlin leben zu wollen. Es ist eine ganz eigene Vorstellung von Demokratie und Rechtsstaat. Zusammen mit dem Wunsch der Grünen Jugend, deutsche Fahnen und Patriotismus madig zu machen, zusammen mit den Beschimpfungen des Landes als Kaltland muss man wohl konzedieren, dass die Einschätzungen einer wünschenswerten staatlichen Organisation in Deutschland sehr pluralistisch sind. Von No Borders, No Nations, 100% Erbschaftssteuer und bedingungslosem Grundeinkommen bei Abschaffung der staatlichen Repression bis zu eben jenen konservativ-reaktionären Zuständen, unter denen ich lebe, und die meine Wünsche einer Anpassung an Aufklärung und Säkularismus als links auffassen.

brua

Ein weiterer Akteur ist die EU, die von dieser Linken wegen ganz ähnlich aggressiver Verhaltensweisen massiv kritisiert wird. Eine EU, die es gerne den Lobbyisten recht macht, und deren Profiteure sich dann wie ein Haufen Randalierer benehmen; Steuertricks in Irland, Niederlanden und Luxemburg, die Bankenrettung, in der die Bankster die deutsche Nationalhymne anstimmen, Geheimverträge wie CETA und TTIP, die über Europa kommen wie eine Gruppe Autonomer in der Nacht, undurchsichtige Strukturen, die nicht ausgeleuchtet werden wollen, Vorgaben wie Gender Mainstreaming, die von irgendwelchen demokratisch nicht direkt legitimierten Gremien empfohlen und eingeführt werden, oder jüngst der Versuch von Frau Hohlmeier, europaweite Netzsperren durchzusetzen, und dann noch ein Herr Öttinger als Digitalkommissar, der die Daten der Menschen als Wirtschaftsfaktor und nicht als Recht der Selbstbestimmung betrachtet: Man muss nicht allein die Glühbirne betrachten, um zu erkennen, dass die EU zu weit von der Willensbildung des Souveräns entfernt agiert.

Auch in Brüssel sitzen Autonome. Auch diese Autonomen agieren überstaatlich, ohne Rücksicht und ohne Interesse, sich für ihre Taten vor dem Volk zu rechtfertigen. Am Ende gibt es eine Wahl, bei der eine Art grosse Koalition wie bisher weiter macht. Wie man bei den TTIP-Verhandlungen sah, respektieren sie auch keine nationale Parlamente. Es wird Staatsknete verteilt, das bedingungslose Grundeinkommen ist auf europäischer Ebene in einigen Bereichen längst da, und mit der Flüchtlingskrise hat sich nun auch gezeigt, dass die EU in einer Haftungskrise steckt: Auf der einen Seite die Kommission und Merkel, die ihren Willen innerhalb von Europa gegen die Nationen erzwingen wollen, auf der anderen Seite nationalstaatliche Lösungen auf dem Balkan, die dann prompt funktionieren.

bruc

Beide Seiten, Linke und Brüssel und ihre Verbündeten, lehnen Patriotismus spätestens dann ab, wenn er sich und seinen Willen behauptet. Deutschland hat sich inzwischen mit brennenden Autos in Berlin und Anschlägen auf die AfD arrangiert, die Briten – bis gestern angesichts der Umfragezahlen noch als Verteidiger gegen den Populismus gefeiert– werden jetzt als Nationalisten in den Boden geschrieben. Besonders die Alten, die übrigens die Swinging 60ies und 68er repräsentieren, sollen sich was schämen, der Jugend den Weg zu verbauen. Brüssel und Linke vergessen einen Moment eigentlich unüberwindliche Gegensätze und sammeln sich zu einer Querfront gegen Nationalismus. Das kann man tun, Prinzipienlosigkeit und Flexibilität sind in Bürgerkriegen schliesslich die Grundtugenden von Warlords und Condottieri. Es sind nur, und darauf möchte ich hier verweisen, beides nicht die Gruppen, mit denen man sich im Bayerischen Oberland sehen lassen sollte. Da bietet keine breite Front einen Alternativentwurf zum Nationalismus an. Zwei radikale und allseits unbeliebte Gruppierungen versuchen, patriotische Gefühle und Zweifel an problematischen und so nicht gewünschten Entwicklungen zu diskreditieren. Oder unpassend abstimmenden Alten gleich das Wahlrecht einzuschränken, wie es hier Mario Sixtus, ein Auftragnehmer des Gerontokratensenders ZDF, öffentlich andenkt.

Mir und vielen anderen normalen Bewohnern der glücklichen Zone könnte es egal sein, denn egal ob unter der CSU oder unter Brüssel: Wir sind die besseren Kreise. Wir haben Europa gesehen und schätzen es sehr. Wenn am Wochenende in Waakirchen ein grosses Schützentreffen unter Einschluss unserer früheren Sklaven aus Österreich stattfindet, dann sieht man auch, dass über 1000 Jahre zurückreichende Konflikte heute beigelegt sind. Aber in all unseren Regionen ist die Linke schwach. Sie klammert sich an die grossen Städte. Auf dem offenen Land mag niemand Brüssel:, und der Patriotismus macht hier keinem Angst: Im Gegenteil, die Leute wissen, dass kleine, überschaubare Strukturen funktionieren können. Wer das nicht berücksichtigt, wer darüber hinweg walzt und denkt, er könnte einen anderen Kurs verordnen, bereitet erst jenen das Feld, die dann den Nationalismus anbauen. Es wird hier, das darf ich öffentlich versichern, niemanden geben, der vor einem Graffiti der Rigaer 94 oder vor der Tasse von Juncker ehrerbietig den Hut zieht.

brud

Rational betrachtet könnte man auf die Idee kommen, dass es noch nicht zu spät ist, und die Siege und Niederlagen des Brexitlagers, der FPÖ und demnächst auch von Le Pen knapp ausfallen. Für die Mehrheit, die gute Demokraten akzeptieren sollten, muss man nicht jedem Bierdimpfl nach dem Mund reden. Es würde reichen, denen Garantien für ihren Lebensraum und ihre freie Entfaltung zu geben, die, um es mit Lampedusa zu sagen, genau wissen, dass sich alles ändern muss, damit alles so bleiben kann, wie es ist. Das Versprechen, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, wenn die jeweilig begünstigten Horden durchziehen, ist keines, das jemand unterstützen würde, wenn er seinen Hauskredit abbezahlt und nicht in die nächste Mietwohnung einer anderen Stadt ziehen kann. Die Berlinbrüsseler Haltung, man wisse schon, was gut für die anderen ist, wird hier nicht vollumfänglich geteilt, ja sie stösst sogar auf Ablehnung. Händchenhalten vor dem Brandenburger Tor ist da nicht mehr als eine Flucht vor einer Realität, in der man eigentlich ganz gut leben kann, und die sich viele auch genau so wünschen, selbst wenn der Grillabend zum 125-jährigen Bestehen der Freiwilligen Feuerwehr Schaftlach weniger netzwirksam sein mag.

Es gibt, einfach gesagt, eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was Menschen von ihrem Leben gern hätten, und dem, was ihnen dafür als politischer Lösungsansatz offeriert wird. Bei uns brächte man dringend Wohnungen für sozial schwächere Mieter – gebaut wird für Migranten, von denen die meisten aber nicht ihre Zukunft im Oberland mit 6 Monaten Winter sehen, auch wenn sie das neue Integrationsgesetz dazu zwingen sollte. Das wird von oben so bestimmt, die Bundespolitik macht das bei uns, und Brüssel mit den Osteuropäern. Das kann man machen, wenn man so alternativlos ist, wie Brüssel bis gestern gewesen ist, oder so unkontrollierbar wie die Verbrecher aus dem Umfeld der Rigaer 94.

brub

Privat glaube ich, bei aller Sympathie für die Ideale Europas und der Linken, dass sich dort alles ändern muss, und trotzdem nichts bleiben kann, wie es ist. Es muss ganz schnell anders werden, sonst endet die EU wie der Warschauer Pakt. Es sind noch genug nationalstaatliche Strukturen da, um diesen Zerfallsprozess glimpflich verlaufen zu lassen, und ob ich zur Oberschicht Deutschlands oder Europas gehöre, ist mir egal, solange ich nur einen Platz im Biergarten finde. Das Problem ist nicht der Nationalismus, sondern der immense Raum, der sehenden Auges und unter Begleitung des lobpreisenden Medienchores dem Nationalismus überlassen wird.

Und dass man in Berlin schon als Nazi gilt, wenn man das nicht linientreu so aufschreibt, und hier vielleicht wieder ein Troll mit NDR-IP auftaucht.