Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Gleichstellung ist Mord

Auf dem Eingang zu Dantes Inferno steht “Gerechtigkeit bewegte meinen Bauherrn”. Denken Sie mal drüber nach!

Früher war es bei der Fürstenausbildung unerlässlich, dass die hohen Herren mehr als nur Tanzen, Kriegskunst, Sprachen und Verwaltung erlernten. Ein oft künstlerisch angehauchtes Handwerk gehörte ebenfalls dazu.

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In waldreichen Bayern werden heute noch kunstvolle Schnitzereien und Drechselarbeiten aus Fürstenhand in Museen gezeigt, die den Betrachtern mehr als wurmstichige Urkunden und bröckelnde Siegel zusagen. Und sollte dereinst die FAZ die Server abstellen und mein Printwerk in Archiven verstauben, dann bleibt von mir auch nicht die Wörterschraubung, sondern ein solides Handwerk mit echten Schrauben und viel sauberem, funkelndem Metall. Zur Entspannung von der mir mangels Verstand gar nicht liegenden Schreibarbeit brauche ich immer ein schrottreifes Altrad, das ich in neuem Glanz erstehen lassen kann.

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Eine gute Quelle dafür ist der Wohlstandsmüll meiner zu Reichtum gelangten Mitmenschen. Die Jüngeren tauschen ihre Räder alle 5 bis 10 Jahre aus, die Älteren, die noch Qualität schätzten, steigen jetzt auf Elektrolurche Pedelecs um, und haben keine Verwendung mehr für alte Sporträder aus früheren Jahren. Das dort oben ist ein Villiger, aus einer längst verschwundenen Qualitätsfirma aus der Schweiz, und ein wirklich gutes Rad: Genau so eines habe ich schon einmal gekauft, restauriert, verschenkt, und inzwischen erobert es unter der neuen Besitzerin nach St. Gallen und Paris die City of London. Es ist also keine Überraschung, dass ich mir als durchaus hoch und wohlgeborener Sohn aus besserem Hause nunmehr die Finger daran schmutzig machen werde.

Ein gutes Schloss habe ich schon gekauft. Mit diesem Satz beginnt jetzt erst der eigentliche Beitrag, das davor war nur sinnentleertes Geplauder und einen ganzen Absatz Diskriminierung der Social Media Stasi habe ich gestrichen, weil jetzt mal wieder andere dran sind, aber ich habe Sie ja gewarnt: Schreibarbeit liegt mir nicht. Also, ich habe ein Qualitätsschloss zu diesem Rad gekauft. Denn ich übernehme nicht nur den Wohlstandsmüll der anderen Reichen, der in diesem früher enorm teuren und hochwertigen Rad zum Ausdruck kommt. Ich höre beim Übernehmen auch manch andere Geschichte über andere Leute. Wie man sich vorstellen kann, ist der Schrottplatz, ähnlich wie der Friedhof, das Oktoberfestzelt oder die Förderungspraxis des Familienministeriums ein Ort, wo auch mal das Unterste über dem Obersten zu liegen kommt.

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Hier ist es auch so. Denn dort, wo die einen nach fachmännischem Gespräch das Alte schätzend erwerben, gibt es auch welche, die Nachts um zwei lieber über eine Mauer klettern und sich das fahrbereit erscheinende Material widerrechtlich aneignen. Auch auf dem Schrottplatz wird geklaut, letzthin war erst wieder das Tor aufgebogen. Und da habe ich, nach Ansicht der dort herumstehenden Ruinen, unter denen auch wirklich viel minderwertiges Geraffel ist, gefragt, wer das tut. Und warum. Wieso um alles in der Welt riskiert man in der Nacht einen polizeilichen Zugriff wegen eines alten, rostigen Damenrades? Warum greift man nicht nach dem halb zerlegten MTB und verscherbelt die Anbauteile bei Ebay? Was sind das nur für Leute? Ich kenne solche Leute natürlich nicht, aber es gibt sie offensichtlich, und ich möchte verstehen, warum sie so anders sind als ich, das klapprige Damenbauhausrad nehmen und den glänzenden Dynamo von 1938 verschmähen.

Die Antwort war – zumindest für mich – enorm spannend und führte zum Kauf des Schlosses. Es ist nämlich so, erzählte der Betreiber. Menschen mit einem Alkoholproblem, von denen es doch einige gibt, stellen häufiger fest, dass sie noch etwas trinken oder rauchen möchten. Allerdings haben sie nichts mehr daheim. Nachdem sie sich in diesem Zustande jedoch nicht in ein Auto setzen, weil sie den Schlüssel nicht ins Schloss bekommen oder auch gar kein Auto mehr finden oder haben, präferieren sie das Rad. Mit dem Rad kommt man recht weit, selbst wenn die Füsse so weit nicht mehr tragen würden. Voraussetzung ist jedoch, dass das Rad spurstabil ist. Wie es alte Damenräder für unsichere Seniorinnen nun mal zu sein pflegen.

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Ein Gepäckträger ist wichtig, Licht würde nur auffallen und kostet Kraft, also sucht dort niemand einen Dynamo. Wichtig ist das Damenrad aber noch aus zwei anderen Gründen: Man kann tief einsteigen und muss nicht das Bein über den Sattel heben, was jenseits von 2 Promille schwierig ist. Und wenn man doch einmal stürzen sollte, knallt man nicht mit dem Primärgenital auf das Oberrohr eines Herrenrades, was auch nach einer Flasche Wodka noch schmerzhaft ist. Ausserdem ist ein altes, stabiles Damenrad sicher auch eine gute Gehhilfe, fällt mir ein. Deshalb gibt es ein Schrottplatzpublikum, das nächtens einsteigt und zu alten, unauffälligen, banalen Damenrädern greift, und gar nicht auf die Idee käme, jene nervösen Flitzer ohne Gepäckträger und niedrigem Lenker zu kaufen, die ich, Donnie Knoxville, im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und 100% Andrenalinanteil im Blut von der oberen Firstalm über Holperstrecken bis zum Spitzingseesattel und dann weiter nach Neuhaus jage (Senioren! Versucht das nicht im Altersheim!).

Ein, zwei Kasten Bier, wird mir gesagt, bekäme man schon für so ein altes Damenrad, beim entsprechenden Publikum. Das sind die Momente, in denen mir wieder bewusst wird, wie unendlich anders Menschen jenseits der Klassengrenzen sind. Es gibt Menschen, die nichts für blinkenden Chrom übrig haben, solange sie das Rad nur zur Tanke und wieder zurück bringt. Das Verletzungsrisiko, das ich einfach ignoriere, ist ihnen voll bewusst und fliesst beim Erwerb in die Entscheidung ein. Wir alle machen uns Gedanken über relevante Aspekte des Daseins und gelangen zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen, die innerhalb unseres Systems aber vollkommen logisch sind – egal ob Erschöpfung auf dem Alpenpass oder Delirium Tremens auf der Couch das Ziel sein mag. Meine Silberkanne von 1823 ist etwas anderen als die Obstlerflasche: Der Weg dorthin ist aber für uns alle das Ziel. Das ist Gleichberechtigung, abgesehen vom Umstand, dass ich ein Schloss kaufen muss, wenn ich nicht möchte, dass das Villiger geklaut wird.

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Die heute oft geforderte Gleichstellung wäre es, wenn man mir einige meiner vielen Rennräder abnähme, was ich vielleicht, das gebe ich zu, gar nicht merken würde. Und sie dann den Trunkenbolden gäbe, in der Hoffnung, dass sie sich dann auch sportlich betätigen und clean werden. Der DDR, die dem Westen Angela Merkel, Katrin Göring-Eckardt, Katja Kipping und Manuela Schwesig brachte, traute ich das sofort zu: Denn natürlich ist es irgendwo diskriminierend, wenn der eine Räder hat, und der andere im Halbsuff, marxistische Parolen skandierend auf Mauern klettern muss, und sich vielleicht beim Sturz auf die Räder verletzt. Nehmen wir also an, wir werden gleichgestellt und 20 Säufer bekommen top gepflegte, pfeilschnelle, hypernervöse Colnagos und Chesinis, hochaufragende Downhillmaschinen von Cannondale und Scott, oder historische La Perles und mit sogenannten Selbstmörderumwerfern, die man mit einem Hebel zwischen den Beinen bedienen muss, und dann würden sie damit und mit 1,7 Promille entlang einer viel befahrenen Hauptstrasse zur Tanke fahren. Und einhändig, die Flasche in der Hand, zurück. Das ist die Realität jenseits der Ideologie. Das ist Gleichstellung. Und Mord.

Gleichstellung tötet: Auch einem Social-Justice-NGO-Mitglied würde das Hirn platzen, wenn es so eine Fiesheit 10 mal im Monat liefern müsste, um meinen von ihm heiß begehrten Job auszufüllen zu kön Man muss sich einfach mit ein paar Realitäten anfreunden: Den einen interessiert ausschliesslich der Alkoholgehalt der Flasche, und den anderen der Reinsilbergehalt der Teekanne. Wenn man das erst mal akzeptiert und die Verschiedenheit der Bedürfnisse anerkannt hat, ist jede weitere Debatte um Quoten und Erbschaftssteuern überflüssig: Eine Feministin jammert gerade bei der Konkurrenz, weil es in Berlin in ihrem bevorzugten Bezirk keine für sie bezahlbare Wohnung gibt: Sie hätte wirklich gar nichts davon, wenn ich in meinem Stadtpalast ein Zimmer abgeben müsste. Bei meinem Lieblingsrennen können Frauen unbegrenzt teilnehmen, während Männer durch eine Verlosung müssen, und am Ende das kriegen, was noch übrig bleibt: Vielleicht quälen sich einfach nicht so viele Frauen auf 40 Jahre alten Rädern 140 Kilometer weit über glutheisses Geröll. Ein anderer will mehr Geld für seine Photoreportagen über Migration, die er für wichtig hält: Das mag schon so sein, aber was hilft das am Schliersee, wo man sich statt Flüchtlingsbooten lieber Schiffsprozessionen anschaut?

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Wir können natürlich gern über alles diskutieren, aber glauben Sie mir: Es geht uns allen besser, wenn ich auf dem Rennrad fahre oder hinter dem Steuer eines 272-PS-Boliden sitze, und Silberkannen und Gemälde zwischen meinen Wohnorten transportiere, als wenn Leute Zugriff auf diese Optionen haben, die damit nicht umgehen können und wollen. Ich halte das für die anderweitig vielgepriesene Diversität und Multikulti, und dass ich zufällig als Abstinenzler an der Spitze der sozialen Nahrungskette stehe, bedeutet noch lange nicht, dass ich nicht auch ein Herz für die Bedürfnisse schutzbedürftiger Freunde des Alkohols habe. Einen Besseren, Mildtätigeren und sozialer Denkenden werden sie dort oben nicht bekommen, also lassen wir alles bitte so, wie es ist.