Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Warum wir das als Vermieter nicht schaffen

Die Zeitung ist keine moralische Institution.
Imre Békessy

Momentan wird gerne über Obergrenzen für die Flüchtlinge debattiert, auch im Hinblick auf befestigte Grenzen – wie jene, die Österreich erst verdammte, als sie in Ungarn gebaut wurden, und nun selbst bislang noch theoretisch überlegt. Es gibt auch Grenzen bei den zu füllenden Turnhallen, bei den Containern und Dixieklos, bei der Kapazität der Matratzenreinigung, beim Sicherheitspersonal, bei der Polizei, an den Schulen – überall sind deutlich erkennbare Grenzen. Nur dort, wo der Staat laut Verfassung Grenzen hat – an den Aussengrenzen – da gibt es keine. Oder es ist nicht mehr Frau Merkels Land. Ich suche übrigens immer noch das Gesetz, das regelt, das Land gehöre der Bundeskanzlerin. Soweit ich das erkennen kann, ist das nicht Merkels Land. Sollte ich mich irren, so sind die folgenden Zeilen natürlich unter Vorbehalt.

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Momentan sind es täglich rund achttausend, die registriert werden, und wir dürfen davon ausgehen, dass sich jeden Tag ähnlich viele im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und weiterhin auf dem Balkan auf den Weg zu uns machen. Das ist insofern beachtenswert, als einige davon bislang keine Flüchtlinge waren, die Gelegenheit aber nutzen und erst durch die Merkelsche Einladung und den Reisebeginn dazu werden, womit die globale Flüchtlingsstatistik des UNHCR weiter ansteigen wird. Das muss man erst mal schaffen, ganz friedlich mit Selfies und Interviews, ohne Terror und Fassbomben. Also bleiben die Grenzen vermutlich offen, und so kommen dann, konservativ geschätzt, bei 200.000 Asylbewerbern im Monat 2,4 Millionen im nächsten Jahr, ohne Familiennachzug der im Schnellverfahren anerkannten Eritreer und Syrer.

Nur, wen in Berlin interessiert in turbulenten Zeiten wie diesen schon, was in einem Jahr ist. Eine grüne Fraktionschefin reist mit wohlwollender Begleitung einer SPON-Autorin auf den Balkan und sagt, das Elend hier sollte man sich einmal anschauen, bevor man über die Begrenzung des Zuzugs spricht. Damit meint sie Herrn Seehofer, der das gleiche Drama aus Niederbayern kennt und als Antwort Berlin und Thüringen, die Heimat der Politikerin, mit der Durchsetzung des Königsteiner Schlüssels ebenfalls vor erhebliche humanitäre Probleme wie im Balkan stellen könnte. So dramatisch ist die Lage, aber mein papistisches Elefantengehirn erinnert sich trotzdem daran, dass es diese grüne, lutheranische Feministin und Hartz-IV-Freundin war, die auch vorschlug, man sollte doch Flüchtlinge privat aufnehmen.

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Da kommen wir dann auch zum langfristigen Problem, und zwar alle zusammen: Die Politikerin, die ein System durchgesetzt hat, das dem anerkannten Flüchtling über Hartz IV eine Wohnung bezahlt. Wenn er eine findet. Wenn er keine findet, muss er erst mal in den bisherigen Unterkünften bleiben, was schon heute zu shlimmen Fehlbelegungszahlen führt. Ich habe hier einmal erklärt, wie sich das grüne Publikum in Berlin mittels Volksbegehren faktisch gegen Flüchtlinge abschottet und die institutionellen Bauträger des Landes blockiert. Fairerweise muss ich sagen, dass auch am Tegernsee keine Bereitschaft zu erkennen ist, Gemeindewohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. In diesem Punkt ist man sich also ausnahmsweise einig.

Aber da bleibt ja noch die grösste Vermietergruppe des Landes: Privatpersonen. 24 Prozent der Wohnungen in Deutschland werden von denen zur Miete angeboten, die man so gemeinhin als die Vermögenden bezeichnet. Die meisten Anbieter dieser insgesamt acht Millionen Wohnungen haben deutlich unter zehn Immobilien, und vierzig Prozent dieser Personen sind in Rente. Dass es nicht mehr sind, liegt an der Angst vor der Erbschaftssteuer und der frühzeitigen Übertragung an die nächste Generation. Wie auch immer, diese Gruppe entscheidet privat, wen sie einziehen lässt, und wen nicht. Die meisten Privatvermieter machen auch die Verwaltung selbst, und das alles macht Freude, solange die Mieter pünktlich überweisen, sich an die Absprachen halten und Veränderungswünsche in einem freundlichen Ton vortragen. Dann kann Vermieter ein wirklich angenehmer Job sein, das gebe ich gerne zu. Grundbedingung ist allerdings, dass die Chemie stimmt.

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Diese Chemie stimmt aber momentan überhaupt nicht. Das fängt mit der Mietpreisbremse an, die die Koalition der offenen Grenzen durchgesetzt hat, und die dem Vermieter verdeutlichte, wo er im Zweifelsfall die Adern zum Blutabzapfen präsentieren kann. Debatten um Zwangseinweisung von Flüchtlingen sind übrigens besonders kontraproduktiv. Und da ist dann noch der Umstand, dass Vermieter den Makler selbst bezahlen müssen oder – was heute häufiger geschieht – auch selbst vermieten, und das Geschäft mit dem Mieter direkt machen. Ich tue das übrigens gerne, mir macht das Spass, aber es gibt auch genug – gerade Ältere – die Sorgen haben und befürchten, sie könnten an den falschen Mieter geraten. Das sind dann jene, die besonders gern auf Nummer Sicher gehen und Deutsche bevorzugen. Bei uns in der kleinen, dummen Stadt an der Donau sorgt das leider dafür, dass noch fast jeder meiner Mieter mit Migrationshintergrund zuerst einmal einem der windigen Abzocker zum Opfer gefallen ist, die Immobilien weit draussen mieten oder kaufen und dann in kleinstmöglichen Einheiten teuer vermieten. Egal ob Maschinenbauer aus Portugal, japanische Studentin oder Programmiererin aus Marokko: Sie alle hatten es hier, wo es Vollbeschäftigung gibt, sehr schwer. Und man kommt – ich weiss das aus vielen Gesprächen mit anderen Vermietern – einfach nicht an der Einstellung vorbei, die einen deutschen Mieter bevorzugt. Das ist eben die Gentrifizierung in den Ballungsräumen.

Im Gegenzug hält man mich für leichtsinnig und verweist auf die sogenannte Sozialklausel. Es ist ohnehin nicht leicht, einem nicht passenden Mieter zu kündigen, und wenn etwas wirklich schief geht, kann sich der Mieter immer noch auf die soziale Härte berufen. Es ist enorm unschön, solche Kündigungen dann vor Gericht durchzufechten, der Ausgang ist ungewiss und die Miete oft keine Entschädigung für den Ärger, den man sich damit einfängt. Nirgendwo greift momentan die Sozialklausel so sicher wie bei Flüchtlingen: Sie finden kaum eine Wohnung, also wird es so gut wie unmöglich, eine Kündigung durchzusetzen. Eine grosse Immobiliengesellschaft ist den Ärger gewöhnt, aber für einen Privatmann wird das zur Tortur. An diesen Bedenken arbeitet kein Politiker, wenn er Privatleute auffordert, Wohnungen zu stellen. Das läuft am Ende entweder darauf hinaus, dass die Gemeinden selbst Wohnungen des eigenen Bestandes entmieten müssen, um Platz zu schaffen, oder Geschäftemacher bedienen müssen, die für unverkäufliche Schrottimmobilien in schlechten Lagen horrende Mieten verlangen. Die sind dann nach zehn Jahren auch abrissreif – aber die Profite sind grandios, wenn man sein Herz nicht an das Haus hängt.

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Das genau tun aber viele Privatvermieter. Und da entsteht eine enorm unschöne Gemengelage: Eine sehr mieterfreundliche Gesetzgebung, unkündbare Mieter, deren langfristige Entwicklung nicht seriös abschätzbar ist, Politiker, die ihr Staatsversagen ohnehin gern auf Besitzende abwälzen und Besitzende, die man monatelang wie einen räudigen Hund durch die Medien und Politik-PR geprügelt hat. Dazu als Sahnehäubchen noch Befürworter der Migration wie Heribert Prantl und Katrin Göring-Eckardt, die selbst schon sagten, dass sie leider niemand aufgenommen haben. Diese besserverdienenden Blendgranaten der Bigotterie beste Gesellschaft trifft nun auf jenen konservativeren Teil der Bevölkerung, der überhaupt keine Lust auf Veränderung, Herausforderung und Opfer hat, und es auch nicht mehr schaffen muss, sondern es schon geschafft hat. Und der ziemlich sicher keine Lust auf möglicherweise distanzlose junge, alleinstehende Männer aus fremden Ländern hat, die nun mal die grosse Mehrheit der Migrationswelle aktuell ausmachen, und auf Ermahnungen von Politikern, die darauf vertrauen, dass andere sich schon irgendwie einbringen werden.

Man muss sich das vor Augen halten: Ein grosser Teil des Mietmarktes wird für die Ankommenden verschlossen sein. Ganz besonders dort, wo es Arbeit und Infrastruktur gibt. Allein schon, weil kaum ein Privatvermieter eine kleine Wohnung an einen Menschen vermieten will, der dann in diese Wohnung drei oder vier andere nachholt. Jeder dieser achttausend, die während des Schreibens dieses Beitrags angekommen ist, braucht, sofern er bleibt, ein Dach über dem Kopf, und er wird es nicht selbst kaufen oder mieten. Es ist absehbar, dass der grösste Teil dieser Aufgabe nicht mit dem Privateigentum der privaten Besitzer in Deutschland gelöst werden wird, sondern nur mit dem der grossen Wohnungsgesellschaften, oder durch öffentlich finanzierte Neubauten.

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Der Hamburger Bürgermeister meinte jüngst, das Bauen würde bei ihm ungefähr sieben Jahre dauern. Man soll ja immer positiv enden, damit auch weiterhin der Eindruck besteht, wir könnten das schaffen. Ich will also nicht vom sozialen Sprengstoff reden, der entsteht, wenn man manche Menschen jahrelang mangels anderer Optionen notdürftig auf Pritschen unterbringt, andere Menschen immerhin insofern bevorzugt, dass man sie in der Peripherie Geschäftemachern ausliefert, und für die eigene Bevölkerung hofft, dass die Zahlen schon irgendwann sinken, die Steuern nicht steigen und niemand ausziehen muss. Ich will nur sagen, dass bei uns alles voll ist, auf Jahre, selbst wenn ich privat eine andere Einstellung zum Vermieten als meine Klasse und beste Erfahrungen mit Zuwanderern habe, und die verbliebenen Marktteilnehmer die Sache unter sich selbst ausmachen müssen. Das werden sie ja wohl noch schaffen dürfen. Oh, und die Immobilienpreise in Siena sind gerade sehr günstig, und schön ist es dort auch.