Stützen der Gesellschaft

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Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Linksruck: Der Staatssekretär und die STASI-Vergangenheit

Go ahead, punk. Make my day.
Harry Callahan

Hätte sich jemand 1989 vorstellen können, dass ein hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR 2016 Staatssekretär in Berlin wird? Wohl nur, wenn die DDR 1989 die Bundesrepublik übernommen hätte. Laut offizieller Geschichtsschreibung der BRD ist es aber so, dass 1989 die Bürger der DDR mit den Schlachtrufen “Wir sind das Volk” und “STASI raus” die DDR und das Terrorsystem der STASI auf den Müllhaufen der Geschichte schickten. Danach soll man sich recht einig gewesen sein, dass man so ein System auf deutschen Boden nie wieder haben will, und dessen Protagonisten wurden in der Folgezeit öfters überprüft und im Zweifelsfall zum Schutze der blühenden Landschaften mit beruflich mit Konsequenzen belegt.

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Auf der anderen Seite ist eine langjährige inoffizielle Mitarbeiterin der STASI heute Chefin eines Vereins, der mit Bundesmitteln üppig bezuschusst einen Internetpranger betrieb, Radikale förderte und unter Heiko Maas trotzdem Teil einer Task Force ist, die soziale Netzwerke zum Löschen sogenannter “Hate Speech” anhält. Durch diese Tätigkeit bekommt der Verein übrigens Zugang zu kostenlosen “Anzeigenvolumina” bei Sozialen Medien. Solche Anzeigen werden dann für diffamierende Angriffe gegen den Autor dieses und der verlinkten Beiträge eingesetzt, wenn man etwa “FAZ” suchte (im Screenshot unten). Soweit sind wir heute wieder mit den Möglichkeiten früherer STASI-Mitarbeiter in Kooperation mit Bundesministerien in Deutschland. Bis gestern.

Gestern hat die Linke in Berlin ihre Kandidaten für die Staatssekretärsposten im Berliner Senat vorgestellt. Für den Bereich Wohnen ist der Soziologe Andrej Holm zuständig. Das scheint niemanden sonderlich zu stören, die Nachricht wird einfach so durchgereicht, auch wenn Holm als junger Mann selbst laut der taz “Hauptamtlicher Mitarbeiter” der Staatssicherheit und Angehöriger des STASI-Wachregiments Feliks Dzierzynski gewesen ist. Er kommt dem Gespräch zufolge aus einer systemkonformen Familie des Arbeiter- und Bauernstaates und wollte auch bewusst zur STASI.

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Andrej Holm: Ich habe zunächst eine Grundausbildung gemacht und kam dann zu einer Abteilung in der Berliner Bezirksverwaltung. Die hat sich Auswertungs- und Kontrollgruppe genannt [Beschreibung hier, Anm. d, Verf.]. Aufgabe war es, eine Personendatenbank zu erstellen und Lageberichte zu verfassen. In der hektischen Wendezeit war ich für diese Aufgaben offensichtlich nicht zu gebrauchen. Ich wurde in ein separates Büro gesetzt und durfte dort Betriebsberichte lesen. Zum Ausgleich für dieses Nichtstun wurde ich für viele Wochenend- und Feiertagsdienste eingeteilt. Dadurch habe ich einen Großteil der wichtigsten Ereignisse im Herbst 1989, wie die Demo in Berlin am 4. November, verpasst.
Herbert M.: Das Wachregiment war doch auch eine Möglichkeit den Wehrdienst zu absolvieren.
Andrej Holm: Meine Tätigkeit unterschied sich vom reinen Wehrdienst aber dadurch, dass ich später für die Staatssicherheit arbeiten wollte. Meine Gegenforderung war, dass ich dafür ein ziviles Studium bekomme, um nicht an der Staatssicherheitshochschule ausgebildet zu werden.

Auch danach hatte Holm das, was man als “linke Biographie” bezeichnen kann: Der Bundesgerichtshof sagte ihm 2007 eine linksextremistische Einstellung nach, in seinem Blog befindet sich auch im Jahre 2014 noch eine Rechtfertigung von Hausbesetzungen. Er gilt als entschiedener Gentrifizierungsgegner, befürwortet das Einfrieren von Mietpreisen, massive staatliche Bauprogramme und die Bekämpfung von Spekulanten. Es erscheint mir als eine Mischung aus Rezepten der autonomen Szene und dem, was man früher vielleicht als “Errungenschaft des Sozialismus” bezeichnet hätte. Wie man heutzutage Wohnungen, deren Kosten bei 3000 Euro pro Quadratmeter liegt, bei gleichzeitig stagnierenden Mieten finanzieren soll, ist eine realpolitische Frage, mit der sich Holm bislang nicht herumschlagen musste. Statt dessen schrieb er freundlich über Forderungen, Ferienwohnungen zu beschlagnahmen. In meinen Augen ist dieser Kampf gegen die Gentrifizierung ein verkleideter Sozialismus, mit einem klaren Feindbild, dem Vermieter und Spekulanten, dem der Staat das Handwerk legen sollte.

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Ich will das nicht kritisieren, eine Überprüfung der Angaben von Holm wird es vermutlich ohnehin geben müssen. Die Linke schliesst MfS-Mitarbeiter nicht zwingend aus, RotRotGrün hat die Wahlen in Berlin gewonnen, und wenn das Parlament für die Neueinführung der Stalinallee stimmt, oder für ein Mielkedenkmal oder eine Gedenkstätte für die Opfer der Verfolgung von STASI-Helden durch die BRD, dann kann es das natürlich auch tun. Ich habe keinen Artikel gelesen, der sich bislang über die Vorgeschichte von Holm beschwert hätte, und in Berlin findet man es offensichtlich auch normal, dass er zu einem Runden Tisch mit den linksextremen Gewalttätern des besetzten Hauses Rigaer 94 aufruft. Als Staatssekretär für Wohnen wird ihm nun die Möglichkeit gegeben, seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen für Besetzer und gegen Investoren und Spekulanten in die Tat umzusetzen. Und damit dann auch einen eifrigen Befürworter von R2G, den ich persönlich kannte, empfindlich bei der Bewertung seiner Immobilie und deren Finanzierung durch die Stadt Berlin zu treffen – ich finde es völlig in Ordnung, wenn Salonsozialisten auch mal die Folgen ihrer Ideologie bezahlen müssen. Das alles kann man heute machen. Und es läuft einfach so durch die Medien, und niemand findet das fragwürdig, und eine andere Politikerin mit autonomer Vergangenheit stolperte auch erst über Flunkerei beim Uniabschluss. Lauft bei denen.

Aber halt auch nur in Berlin, wo die Medien meistens sitzen und deren Mitarbeiter so mies bezahlt sind, dass sie sich in oft unter all den anderen Mietern der sozialen Unterschicht wiederfinden. Da mag Andrej Holm und seine Karriere verständlich und seine Zielsetzung lobenswert sein. Es gibt ein gewisses Klientel, das tatsächlich glaubt, geringes Einkommen und wenig Leistung berechtige zum Dasein in 90m²-Wohnungen in Mitte, aus denen man DDR-Familien nach Lichtenberg verdrängte, wo sie heute AfD wählen. Das ist aber innerhalb der BRD nur eine vergleichsweise kleine Blase. Bei uns auf dem Land wäre das ein Vulgärsozialismus auf Kosten der Allgemeinheit, die für die Versorgung mit billigem Wohnraum entweder durch Steuern oder mit langfristiger Verschuldung zu zahlen hat – und das für einen Personenkreis, der später oft genug als Fehlbeleger günstigen Wohnraum blockiert. Bei uns ist, unabhängig von der politischen Ausrichtung, die Erkenntnis weit verbreitet, dass man Kosten erst einmal erwirtschaften muss. Daher baut meine Heimatgemeinde gerade günstigen Wohnraum für Flüchtlinge – aber auch nur, weil die Finanzierung gedeckt und diese Unterbringung langfristig die kostengünstigste Option ist.

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Hausbesetzende Investorenhasser mit STASI-Vorgeschichte sind da einfach nicht als Vertreter der Gemeinden vorstellbar. Das ist beim linken Establishment in Berlin anders, aber das steht nur für sich selbst. Die Ablehnung solcher Personen ist nicht, wie es so gern behauptet wird, “rechts” oder “konservativ” oder gar “intellektuellenfeindlich”, sondern zuerst eine Frage der Integrität auf Basis jener Moral, die jenseits der DDR die Grundlage des Staates ist. So etwas nicht zu wollen, so eine Person abzulehnen, ist nicht rechts. Es ist die Ablehnung von extremistischen Einstellungen und Verhaltenweisen, die von Gruppierungen wie der Linken jetzt in Amt und Würden gebracht werden. Das gilt in vielen Landesteilen als “Anstand“, und für die CSU wird eine leichte Übung sein, mit solchen Personen zu überzeugen, dass RotRotGrün im Bund nie geschehen darf. Der AfD wird vorgeworfen, sie wollte zurück in die 50er Jahre – das sind aber immer noch die 50er Jahre der BRD, und nicht die sozialpolitischen Vorstellungen aus Familien der DDR-Nomenklatura. Wenn das die Optionen sind, aus denen man wählen kann, wird es genug geben, denen die AfD als das kleinere Übel erscheint.

Das ist kein Rechtsruck. Es ist Abwehr einer ganz bestimmten Entwicklung linker Parteien, die heute durchsetzen, was vor 10 Jahren noch als absurde Forderung extremistischer Zirkel galt, vom Hass auf alles, was wie Heimat und Tradition erscheint, über die neomaoistischen Selbstkritikrituale der Critical Whiteness und Sprachpolizei bis zur Machtübernahme durch Gruppen, die sich nicht für Konsens und Ausgleich interessieren, sobald sie über andere bestimmen können. Man muss kein Hellseher sein, um hier die neuen Brüche in der Gesellschaft zu erkennen. Wenn man weit am Rand ist, dass die eigene Partei und die eigene Koalition Extremisten für Führungsaufgaben empfiehlt, ist es kein Wunder, wenn der Rest der Republik weit, weit rechts davon steht.

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Möglichersweise bricht gerade auch so eine Art kalter Krieg wieder aus, nur diesmal ohne Armeen und Mauern. Aber dafür mit alten, unversöhnlichen Einstellungen und Konzepten, die nicht nebeneinander existieren können, und Rechtsbrüchen, wo es sich eben anbietet. Die einen wollen Hausbesetzungen und betrachten Dealer als Partner. Die anderen wissen, dass die Mehrheit diesen Weg nicht gehen will, und profitieren davon. Heute ist alles möglich, warum auch nicht, die früher abgelehnte, heute akzeptable STASI ist nur der Anfang, die kalten Krieger in der Nachfolge von Franz-Josef Strauss werden sich das nicht entgehen lassen..