Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Der Hugo und die 90% Frauenquote

Gestalten Frauen das Betriebsklima wirklich besser? Bewältigen sie jede noch so schwierige Aufgabe mit Charme und Bravour? Unser Autor hat sich in die Höhle des gut bezahlten Löwinnen-Matriarchats gewagt.

The ideal husband understands every word his wife doesnt say.
Alfred Hitchcock

BWLer-Bravo – mit diesem wenig respektvollen Titel haben wir früher die Brand1 bezeichnet, jenes Wirtschaftsmagazin, das ganz anders und spannend über ökonomische Zusammenhänge berichten wollte. Während der Spätphase der New Economy fand man darin herrlich realitätsverweigernde Durchhalteparolen, und danach habe ich mich nicht mehr besonders darum gekümmert. Denn ich hatte genug mit einigen Umzügen zu tun, die mich letztlich an den Tegernsee brachten, wo es im Kiosk 50 Sorten Landmagazine gibt, aber wenig Gedrucktes über das mühsame Geldverdienen. Es ist hier halt so, dass man das schon recht gut kann, sonst wäre man nicht hier, und man muss sich nicht mehr (ausgerechnet von Journalisten… oh weh) erklären lassen, wie das gehen soll. Jedenfalls, dieses Magazin Brand1 gibt es hier nicht und erinnert habe ich mich erst, als letzte Woche manche Leute im Internet verkündeten, sie würden diese Zeitschrift abbestellen. Ein Redakteur hatte nämlich die Frechheit besessen, eine simple Wahrheit zu verkünden: Die Zeitschrift bringe nun mal spannende Geschichten und achte dabei auf keine Frauenquote.

Inzwischen gibt es dazu auch eine Stellungnahme der Gründerin, die irgendwo zwischen Sensibilisierung,. Rechtfertigung und ein wenig Trotz herum laviert und zu begründen versucht, warum sich an der inhaltlichen Ausrichtung erst mal wenig ändern wird. Das ist eine recht typische Reaktion auf solche Proteste, die alle paar Monate in den Medien aufkommen und dann mit einer resignierenden Anerkennung beantwortet werden: Irgendwie scheinen die Anliegen berechtigt, man will sich von den Klagenden nicht dauerhaft als frauenfeindlich brandmarken lassen. Und es macht auch jeder dieses Thema irgendwie, sei es als Buch oder als Beförderungspolitik oder wenigstens als Lippenbekenntnis, und gerne begleitet vom Argument, dass mehr Frauen vielleicht auch die ganze Sache angenehmer und menschlicher gestalten – selbst wenn Marissa Mayer bei Yahoo hart aufräumt, Sheryl Sandberg bei Facebook widerliche Verhaltensforschung verteidigt und Ursula von der Leyen fliegende Mordroboter mit den gleichen abscheulichen Argumenten einkaufen will, mit denen vor genau 100 Jahren Maschinengewehre als humane Kriegsmethode beworben wurden.

Man kann also Zweifel an der These anmelden, Frauen würden es besser machen. Auf der anderen Seite geht natürlich nichts über eigene Erfahrung, und so habe ich mir höchstselbst am Tegernsee einen Betrieb mit wirklich phantastischer, über 90%iger Frauenquote aus der Nähe angeschaut. Der Betrieb nennt sich „Strandbad Kaltenbrunn an einem normalen Werktag Vormittag“ und ich habe nachgezählt: Dort waren letztens 22 Frauen und 2 Männer. Ich nämlich, und der Betreiber des Kiosks, der mit Hugo und Sprizz und Scherzen das Betriebsklima fördert. Später kam noch Frau No. 23 dazu, eine Freundin, die das alles auch so bestätigen kann, und der von einer älteren Dame, der Grande Dame des Bades, als Geschenk eine luxuriöse Zeitschrift zur eigenliebevollen Selbstoptimierung durch üppigen Konsum angeboten wurde. So gehen da die Frauen miteinander um.

Jetzt werden Sie vielleicht denken, das sei gar keine Firma, sondern halt das Strandbad neben dem Yachtclub zu einer Zeit, da normale Menschen arbeiten müssen. Und Sie werden einwerfen, dass die anwesenden Damen hier gar keiner Tätigkeit nachgehen, denn erstens liegen sie nur herum, zweitens gehen sie manchmal ins Wasser und drittens lesen Sie Zeitschriften mit 6 Seiten Pradabildstrecke, und das alles könnte man ja wohl kaum als Arbeit bezeichnen. Noch nicht mal den Haushalt machen sie. Ich aber sage, dass das nicht geht, denn sie können ja schlecht die Haushälterin arbeitslos machen, die Kinder sind zu dieser Zeit ohnehin in der Schule, und um Katzen, Hunde, Pferde, Kamele und Lamas – das ist hier bei uns der letzte Schrei – kann man sich auch nicht den ganzen Vormittag kümmern. Und so bevölkern sie eben das Strandbad, scherzen über den Espresso hinweg mit dem Kioskbetreiber und unterhalten sich. Die Darstellung einer von vermögenden, zufriedenen Menschen frequentierten Wohnlage mit Seezugang wird zwar nicht entlohnt, aber sie fördert ungemein das Ansehen der Region, und der Betrachter erkennt schnell: Hier können die Männer noch mühelos Frau, Kinder, Haushälterin und Tiere aller Art erhalten, und ausserdem gehen Frauen hier auch nicht mit Nichts in die Ehe, sondern mit Vermögen und dem Vorsatz, diese Ehe zur allgemeinen See-ligkeit durchzuziehen.

Wir haben es hier also mit Arbeit in einer Art kreativen Brandingagentur mit niedrigen Hierarchien zu tun, die dem Betrachter gehobene Werte und richtige Lebenseinstellungen vermittelt. Tatsächlich geht es sehr menschlich zu, kein Ärger, kein Geschrei, keine hässlich ausgetragenen Konflikte und kein Gerangel um die besten Posten, denn die Wiese ist gross und sol lucet omnibus sofern sie Zeit und einen Parkplatz für den SLK (1 Kind) oder den Panamera (2+x Kinder) haben. Irgendwann kommen die Kinder aus der Schule, die werden hier dann gut erzogen, bekommen einen schönen Nachmittag am See und das Gefühl, dass es eigentlich immer so sein soll. Es ist nichts besonderes, vielleicht muss die Haushälterin heute gar nicht kochen, und es reichen Pommes vom Kiosk, solange zumindest, bis der Käfer oben in Kaltenbrunn wieder den grossen Biergarten eröffnet. Regionen wie die unsere brauchen genau diese Art von Standortmarketing, und das wird so perfekt vorgespielt, dass man es für die Realität halten kann. Familienideale der schlechten, alten Zeit, als Männer ihren Frauen noch das Arbeiten verbieten konnten, kombiniert mit den Vorteilen der neuen Zeit, in der das Angebot so gut ist, dass sie trotz Bildung und Studium und vielen anderen Optionen genau dieses eine erwählen.

Nur einer hier am Strand arbeitet nach seinen Möglichkeiten, das ist der Kioskbetreiber. Der Rest orientiert sich mehr an den Neigungen, und weil es mir ohne Familie, aber mit meiner auf wenige Texte begrenzten Tätigkeit genauso geht, kann ich das verstehen. Es wäre phantastisch für die BWLer-Bravo, wenn nun alle hier aufstünden, zu ihren Männern gingen und sagten: Schatz, mit dem SLK bin ich in 30 Minuten in München, ich will da einen gut dotierten Posten und Du kriegst das hin – ich habe keinen Zweifel, nach kurzer Zeit gäbe es 22 schöne Karrieregeschichten, um die sich Brand1 und editionF streiten könnten, denn editionF versucht im Internet in Bezug auf Frauen genau das zu machen, was Brand1 ablehnt (Offenlegung: Bei editionF arbeitet eine sehr geschätzte Blogkollegin in leitender Position). Aber dieses Leitbild der Leistungsbereiten, berufstätigen Frau, die bei steigendem Einkommen Firma, Familie und gehobene Einladungen gleichzeitig beherrscht, ist das eine. Das andere ist die alte, aber gar nicht unangenehme Tradition, für die sich kaum jemand das Wort zu ergreifen traut, weil es dem gewünschten Rollenbild des gleichberechtigten und lastengleichen Partnerschaftideals entgegen läuft.

Ob das wirklich ein wünschenswertes, gewünschtes Ideal ist? Ich habe da so meine Zweifel. Für normale Menschen in kreativen oder kulturellen Berufen, die derartige Vorstellungen in den Medien vermitteln, ist so eine Verbindung sicher wichtig. In einem Land der sinkenden staatlichen Versorgung bietet sie durch Doppelverdienst einerseits Sicherheit, wenn alles gut geht, und schützt vor dem Absturz in die Armut, wenn es zum Bruch kommt. Es kann sein, dass es sich individuell lohnt, für solche Ziele hart zu schuften, sich in der Arbeitswelt durchzusetzen, Widerstände zu überwinden, oder wenigstens die gefühlte Benachteiligung zu beklagen. Aber ab einem gewissen Vermögen stellt sich tatsächlich die Sinnfrage: Was bringt Arbeit an zusätzlichen Vorteilen und lohnt sich der Aufwand? Und da gibt es dann eben welche, die aus weiblich-praktischer Veranlagung heraus andere Prioritäten setzen. Was nun für die Welt besser ist, der 2348. sozial empowerten Migration Art Space in Berlin mit Fördergeldern oder eben dieses lebende Bild hier am Wasser, getragen durch das Familienvermögen, ist für die einen die Existenzfrage und für die anderen die der Wahl zwischen Sprizz und Hugo. Gar nicht so einfach.

Ich möchte das nicht bewerten. Ich kenne Frauen, die mit Mitte 40 vom Berufsleben genug haben und andere, die sich im gleichen Alter nach dem Tennislehrer ihrer Tochter umschauen. Es gibt keine garantierte Glücksquote, egal wie die Frauenquoten und die Rollenmodelle definiert werden. Mir fällt diese andere Option nur überdeutlich auf, an den Werktagen am See, am Vormittag bei den Rosentagen in Bad Tölz, oder wenn ich es ausnahmsweise einmal am Morgen auf den Berg schaffe. Alles nur keine Kinder und keine Ehe und keine Berliner Kulturbetriebskulturelle, ist meine Lebensdevise, ich bin da also ein vollkommen neutraler und unvoreingenommener Beobachter. Aber wenn am Ende bei uns halbwegs zufriedene Familien herauskommen, und die Kinder ein angenehmes Leben haben, dann ist das fein, und niemand muss sich gestört fühlen, wenn die Frauenquote hier am Strand so hoch ist. Die Rollenbilder der einen ändern sich, aber die Privilegien der anderen bleiben. Vermutlich stünde so etwas nie in der Brand1.

Nun.

Wir auch immer, die Entscheidung fiel letztlich für den Hugo.

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