Stützen der Gesellschaft

Stützen der Gesellschaft

Leben, Bildung, Torten und sozialunverträgliches Spätableben unter Stuck und Kronleuchtern.

Nichtschenken wie die Profis

Zu konsumorientiert, zu wenig offen für das Soziale, für das Miteinander, das Spontane, das Improvisierte, das Bescheidene
Katrin Rönicke über Westdeutsche

Also wir machen das ganz schlicht. Wirklich. Zurück zur Besinnlichkeit, kein Konsumwahn, familiäre Nähe, und alte Christbaumkugeln. Wie bei den armen Leuten. Arm, aber herzlich. Wir sind doch nicht konsumorientiert.

Genau. Wir machen das wie früher, also vielleicht Socken. Die sind schön warm, die kann man wirklich brauchen, und auch, wenn das Heizöl und das Holz dieses Jahr billig sind, will man nicht zum Verschwender werden, und ausserdem, das Klima, man muss doch auch an das Klima denken, es hat zu wenig Schnee im Moment, das gibt nicht mal auf dem Wallberg eine weisse Weihnacht. Wir drehen die Heizung runter und tragen dickere Socken. Ausserdem brauchen wir ja nichts. Also nur Socken. Und vielleicht noch neue Hüttenschuhe, weil die alten inzwischen doch etwas schäbig aussehen. Das kommt daher, weil, da muss ich etwas ausholen, also, es war nämlich so.

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Wir sind nicht nur bescheiden, wir sind auch nachhaltig und man weiss, wie die Italiener das Öl so panschen. Die kaufen Öl aus der Türkei oder Spanien und schreiben „Extra Vergine“ drauf und machen so horrende Gewinne mit dem Betrug. Aber natürlich nicht mit uns, wir kennen da nämlich eine feine Ölmühle am Gardasee und als wir letzthin drei Wochen dieses Haus in Gardone hatten, sind wir am Regentag natürlich nicht nach Mailand zum Shopping gefahren, wir sind ja keine Verschwender, sondern zur Ölmühle drüben nach Malcesine – da gibt es übrigens auch ein phantastisches Restaurant, etwas versteckt, unten am See, aber ohne Touristen, das ist denen viel zu teuer und die verstehen ja nichts davon, und wirklich, sehr empfehlenswert – und haben gleich ein paar Flaschen und Kanister gekauft, was man halt so braucht, und auf dem Rückweg war da übrigens auch diese kleine Villa am See immer noch so zu verkaufen. Weil in Italien die Immobilienpreise so stark gefallen sind und gerade keiner kaufen will.

Nein, wir natürlich auch nicht, man hört von Freunden die wildesten Geschichten über ungeklärte Eigentumsverhältnisse, obwohl man sich das schon überlegen kann, wenn man sieht, was unser Haus in Gardone nur für diese drei Wochen an Miete gekostet hat. Es würde sich natürlich schon irgendwie anbieten, weil dann nämlich das Geld teilweise weg wäre. Jetzt nicht alles natürlich, aber doch ein Batzen, eine halbe, dreiviertelte Million ist ja nicht nichts. Aber auf der anderen Seite fährt man halt doch nicht dauernd hin, weil es schon recht weit ist, und es wäre wirklich nur eine Geldanlage, denn bislang hatten wir mit Immobilien immer Glück, ganz im Gegensatz zu den Aktien, aber da sind wir ja inzwischen völlig raus, oder fast, wir müssten mal schauen, was da noch auf diesem Depot ist, nachdem wir das Erbe aufgeteilt haben, aber wie auch immer, wir sind jedenfalls rüber nach Malcesine und haben letztlich doch etwas zu viel Öl mitgebracht. Das stand nämlich in der Küche auf dem übervollen Regal und dann ist einmal eine Flasche heruntergefallen, das war wirklich erschreckend, und das Öl ist auch auf die Hüttenschuhe gelaufen. Das war dann übrigens auch ein Drama, bis wir einen Maler hatten, der die Küche dann neu gemacht hat. Zuerst hatten wir ja Farben aus England, aber nach zwei Wochen kam die P. und meinte, das leichte Blau passt überhaupt nicht, und seitdem ist das alles wieder weiss gemacht worden, vom Maler. Ganz schlicht.

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Ja,, also, und natürlich kann man mit solchen ölverschmierten Hüttenschuhen auch nicht über Seidenteppiche laufen, die leiden schon genug unter der Katze. Und man muss auch ganz ehrlich sagen, wir haben sonst eigentlich alles, was wir brauchen. Man muss auch mal zufrieden sein, und dieser ganze Konsumwahn macht auch nicht glücklich. Vor allem, weil man gezwungen ist, überhastet und ohne echten Bedarf zu kaufen. Und das wissen die auf der andern Seite natürlich auch. Die Auktionshäuser mit ihren Weihnachtsauktionen werden inzwischen richtig dreist, die drehen das Angebot genau so hin, dass die geschenktauglichen Stücke im November und Dezember kommen. Letztes Wochenende waren wir auf einer Vorbesichtigung – das sind Verbrecher. Wir haben ein wenig den Überblick über die Preise aus eigener Erfahrung, gegen Ende des Jahres braucht man gar kein Silber kaufen, das macht man am besten im Sommer, wenn sich hierzulande kaum jemand für Teekannen und Besteck interessiert. Dieses edwardianische Service zum Beispiel war wirklich nicht zu teuer und jetzt warten wir eigentlich nur noch auf eine Hochzeit, um es zu verschenken. Wir planen so etwas immer langfristig. Aber für Weihnachten ist das nichts, das würde andere nur unter sozialen Druck setzen, und das wäre sehr unhöflich. Deshalb Socken.

Socken habe auch den Vorteil, dass der Preis im Ungewissen bleibt. Es muss keiner wissen, dass wir die extra aus Südtirol mitgebracht haben, aber wir lassen das vielleicht doch fallen, damit dem anderen klar ist, wie sehr wir uns Gedanken gemacht haben. Dann entsteht der nicht ganz unzutreffende Eindruck eines enorm überteuerten Geschäfts in den Meraner Lauben und von Bioschafen auf Berghängen, und so soll das natürlich auch sein, wegen der Bewahrung der Schöpfung. Daran sollte man an Weihnachten konsequent mehr denken, wir lassen ja auch die S-Klasse stehen, wenn wir zur Christmette gehen, wobei, gut, letztes Jahr ist die R. gefahren, weil sie Angst hatte, sich zu erkälten, und das wäre schlecht gewesen, einen Tag vor dem Überwintern auf den Malediven. Da hat sie dann aber auch eine Beule in der Tür ihres S7 gehabt. Sogar an Weihnachten vor der Kirche begehen Leute Fahrerflucht, das ist schon ein Zeichen dafür, wo wir angekommen sind – und deshalb schenken wir auch nichts, wir verweigern uns. Bei uns ist das noch wie früher. Anständig eben.

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Wobei – es gibt kein Fleischfondue mehr. Das ist nicht ganz wie früher, das Fondue ist gestrichen. Das war früher immer ein grosser Spass, sehr ungezwungen und gerade auch für die Kinder lustig. Man muss aber heute ein wenig aufpassen, manche Leute ertragen das rohe Fleisch nicht, so ist das eben in Zeiten des Bewusstseins für das Leid der Tiere. Man isst ohnehin zu viel Fleisch. Wir nicht, wir haben ja unsere guten Quellen, wir wissen, wo das herkommt – und trotzdem tun wir es nicht zum Fest. Wir passen da auch auf, letzthin zum Beispiel, da haben wir auf Vorrat ein paar Pfund Pralinen geholt, und der W. hat auch Bayerisch Creme. Dazu muss man wissen: Bayerisch Creme wurde früher gemacht, indem man unter anderem Kalbsknochen ausgekocht hat. Deshalb war Bayerisch Creme früher auch recht billig Ganz so geht das jetzt nicht mehr, das ist jetzt alles bio, deshalb kosten die Pralinen auch, wieviel war das noch gleich, na egal jedenfalls das gute Gewissen kommt mit der guten Qualität und vielleicht stopfen wir so eine kleine Tüte mit einem halben Pfund auch in die Socken.

Aber kein Geld. Ja um Gotteswillen, wo käme man denn da hin. Die Kinder brauchen auch nichts, die wissen das auch, schliesslich haben wir ihnen im Frühling die Wohnungen überschrieben. Gegen Weihnachten wäre das natürlich besinnlicher, aber so kurz vor Jahresschluss machen das doch nur die Unerfahrenen und dann bekommt man keinen Termin beim Notar. Also, die Wohnungen haben sie, die Nebenkosten zahlen wir weiterhin und damit ist alles so wie immer, nur eine Sorge wegen der Erbschaftssteuer ist weg. Aber es versteht sich doch von selbst, dass man keine Geldscheine mehr in Socken steckt, und obendrein haben sie sowieso schon alles. Ausser warmen Socken eben, daran denken die nie, wenn sie mit unserer Kreditkarte Fendi bei Teresa bestellen.

nichscha

So ist da eben im modernen Berufsleben, da kann man nicht die ganze Woche mit der gleichen Kleidung kommen. Aber wenn sie dann zuhause sind, haben sie warme Socken und Hüttenschuhe und Pralinen in der Wohnung, und dann kommen sie auch gut bis zum nächsten Urlaub über die Runden. Es sind eben die kleinen Freuden, die das Leben schön machen, es muss nicht immer Dubai sein. Wirklich nicht. Also letztes Jahr, da haben wir da was erlebt, das glauben Sie nicht..,

Der Verfasser sass letzte Woche zu lange in einem bekannten Restaurant am Tegernsee und war sehr mit dem Lauschen beschäftigt. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden verschiedene Aspekte zusammengefasst und mit eigenen Qualität-Charakterfehlern angereichert.

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